Kurz und informativ

25.11.2022 | Medizin

Kombinationsimpfung:  COVID-19 und Influenza
In einer neuen Phase 1-Studie wird die Wirkung eines Kombinationsimpfstoffs aus einem bereits zugelassenen BA.4/BA.5-Booster mit einem Influenza-Impfstoffkandidaten untersucht, der derzeit in einer klinischen Phase III-Studie getestet wird. Insgesamt sollen im Zuge dieser Studie in den USA 180 Personen zwischen 18 und 64 Jahren geimpft werden. APA

COVID-19 beeinträchtigt Blut-Hirn-Schranke
Aufgrund der überschießenden Immunreaktion im Zuge von COVID-19 können Auto-Antikörper die Blut-Hirn-Schranke überwinden und Schäden verursachen. Zu diesem Ergebnis kommen Wissenschafter um Prof. Gregor Hutter vom Department Biomedizin der Universität Basel nach Untersuchungen von Liquor und Blutplasma. Auch wurden Hirnstrukturen vermessen und Veränderungen festgestellt: So wiesen Betroffene mit einem schweren Verlauf ein geringeres Volumen auf als gesunde Probanden. Besonders betroffen war das olfaktorische Zentrum. Ziel müsste es nun nach Ansicht der Forscher sein, die überschießende Immunreaktion früh zu erkennen und medikamentös gegenzusteuern – etwa mit einem Bluttest, der zu Beginn der Erkrankung einen schweren Verlauf voraussagt. APA/Nature Communications

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Tage war ein 59-jähriger Brite mit SARS-CoV-2 infiziert – mit einer frühen Variante, die zunächst in Wuhan (China) aufgetreten war.

Ebola-Impfstofftests starten
In Uganda starten die ersten Tests mit neuen Ebola-Impfstoffen. Ein mit externen Wissenschaftern und Experten von der WHO besetzter Ausschuss habe laut WHO-Chef Tedros Adhanom Ghebreyesus empfohlen, alle drei Impfstoffkandidaten in die Tests einzubeziehen. Vor zwei Monaten ist in Uganda neuerlich Ebola ausgebrochen; bislang wurden 55 bestätigte Todesfälle und 141 bestätigte Erkrankungen registriert. APA

Augur ermittelt exzitatorische Nervenzellen
Mit Unterstützung des Computeralgorithmus „Augur“ wurden bei Mäusen diejenigen exzitatorischen Nervenzellen ermittelt, die sich durch die Aktivität der Gene Vsx2 und Hoxa10 auszeichnen. Dies ist Wissenschaftern um Grégoire Courtine von der ETH und dem Universitätsspital Lausanne unter Beteiligung von Prof. Karen Minassian vom Zentrum für Medizinische Physik und Biomedizinische Technik der MedUni Wien gelungen. Normalerweise werden diese Neuronen nicht zum Gehen benötigt; sie sind jedoch für die elektrostimulierte Bewegung der Beine nach einer Rückenmarksverletzung notwendig. APA/Nature

WHO warnt vor Pilzinfektionen
19 pathogene Pilze stellen nach Ansicht der WHO eine Bedrohung für die öffentliche Gesundheit dar. Vier davon sind vor allem für Personen mit einem geschwächten Immunsystem lebensbedrohlich: Cryptococcus neoformans, Candida auris, Aspergillus fumigatus und Candida albicans. Für die meisten Pilzerreger gibt es keine schnellen und sensitiven Diagnostika. Infektionen werden daher häufig spät erkannt. Auch sind die Erreger gegenüber vielen Wirkstoffen resistent. APA

Neuer Therapieansatz: Blockade von Sialsäure-Zucker
Sialinsäure-Zuckermoleküle auf der Oberfläche von Tumorzellen können mit Hilfe eines Enzyms reduziert beziehungsweise entfernt werden. Das ist einem Team der Universität Basel in Zusammenarbeit mit Forschern um Prof. Carolyn Bertozzi von der Stanford Universität im Versuch mit Mäusen gelungen. Auf Tumorzellen wird der Anteil der Sialinsäure-Zucker hochgefahren. In der Folge werden gewisse Immunzellen dieser Zuckermoleküle irrtümlich als unbedenklich erkannt, was an andere Immunzellen weitervermittelt wird. Ein möglicher neuer Ansatz in der Krebstherapie könne darin bestehen, diese Zuckermoleküle möglichst gezielt aus den Zellen zu entfernen, ohne die Funktion der gesunden Zellen zu stören. APA/Science Translational Medicine

Onkologie: Degrader-Resistenzmechanismen geklärt
Die in der Onkologie eingesetzten Degrader forcieren den gezielten Abbau von pathogenen Proteinen („Targeted protein degradation“). Wissenschafter vom Forschungszentrum für Molekulare Medizin (CeMM) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) haben gemeinsam mit Forschern der Universität Dundee in Schottland herausgefunden, welche Resistenzen auftreten können und wie man sie umgehen kann. Mit Hilfe von Degradern werden pathogene Proteine zu einer „E3-Ubiquitin Ligase“ geleitet; dabei müssen sie sowohl am schadhaften Protein als auch an die E3-Ligase binden. In Zellkulturen wurden zahlreiche Mutationen in E3-Ligasen gefunden, die zu Resistenzen führen; solche Resistenzen wurden auch schon bei Patienten festgestellt. Da die Mutationen allerdings sensitiv gegenüber chemisch veränderten Degradern sind, hoffen die Wissenschafter, auf diese Weise Resistenzen abzubauen. APA/Nature Chemical Biology

Autonomes Nervensystem steuert Muskulatur
Nach Nervenläsionen kann das autonome Nervensystem die Funktion des verletzten Nervs übernehmen und die Muskulatur mit Nervenimpulsen motorisch steuern. Das hat ein Team um Vlad Tereshenko und Univ. Prof. Oskar Aszmann vom Klinischen Labor für Bionische Extremitätenrekonstruktion der Universitätsklinik für Plastische, Rekonstruktive und Ästhetische Chirurgie der MedUni Wien im Zuge von präklinischen Forschungen herausgefunden. Tage bis Wochen nach der Nervenläsion stellten die Wissenschafter im Tiermodell in manchen Fällen eine spontane Wiederherstellung der Muskelfunktion fest. „Wie wir in unseren Experimenten gesehen haben, bilden dafür die parasympathischen Nervenfasern neue funktionelle neuromuskuläre Synapsen. Gleichzeitig werden die Muster der Muskelfasern modifiziert und somit die physiologischen Eigenschaften der autonom re-innervierten Muskeln geändert“, erklärt Erstautor Vlad Tereshenko die zentralen Studienergebnisse. APA/Journal of Neuroscience

PRC2 steuert Bildung von Neuronen und Astrozyten
Während Neuronen für ihre Vermehrung und Entwicklung nur ein passendes Umfeld benötigen, müssen Astrozyten individuell gesteuert werden. Das fand ein Team um Prof. Simon Hippenmayer vom Institute of Science and Technology Austria (ISTA) in Klosterneuburg heraus. Die Wissenschafter schalteten den schon bekannten Proteinkomplex PRC2 bei Mäusen in einzelnen Hirnstammzellen oder im gesamten umgebenden Gewebe aus. Diese Zellen wurden in normalem Ausmaß gebildet, auch wenn sie selbst über kein funktionierendes PRC2 verfügten. Hingegen kam es zu einer „dramatischen Mikrozephalie“ bei den Mäusen, wenn PRC2 im gesamten Umfeld nicht vorhanden war. Astrozyten hingegen benötigen, um sich korrekt auszubilden, PCR2 in ihrer Stammzelle. APA/Science Advances

Grüntee­Extrakt inaktiviert SARS­-CoV­-2
Grüntee­Extrakt kann die Aktivität von SARS­CoV­2 neutralisieren. Das fanden Wissenschafter um Univ. Prof. Rudolf Bauer vom Institut für Pharmazeutische Wissenschaften der Universität Graz in Zusammenarbeit mit deutschen Forschern heraus. In einer VeroE6 Zellkultur erforschten sie zunächst den Effekt von konzentriertem Grüntee­Extrakt sGTE auf Partikel des Corona­Virus. Dabei wurde der Einfluss auf mehrere Virusvarianten untersucht: auf den ursprünglichen Wuhan­Stamm sowie auf die Beta­ und Delta­Variante. Mit Hilfe der Hochdruckflüssigkeits-Chromatogafie (HPLC) mit Dioden­Array­Detektoren wurden im Tee­Extrakt acht Catechine identifiziert. Dabei handelt es sich um polyphenolische Pflanzenmetaboliten – sie zählen zu den Flavonoiden – mit einem hohen antioxidativen Potential. Bei der aktuellen Analyse machten Epigallocatechingallat (EGCG) und  (­)­ Epicatechin­3­O­gallat den größten Anteil aus. Insgesamt lag der Gehalt an Catechin­Derivaten im Extrakt bei 76 g/100 g.
Im Vergleich zu Kontrollversuchen ohne Substanz zeigte sich, dass Grüntee­Extrakt die Viruslast deutlich verringerte. Ebenso wurde die Infektiosität bis um das 6,3­Fache reduziert. Der Effekt trat unabhängig vom Virus­Stamm auf. Die Interaktion von sGTE mit Oberflächenproteinen der Virenpartikel erfolgte auf direktem Weg und unspezifisch im Hinblick auf die Proteinstruktur. Die Forschungsfrage zu Beginn der Studie lautete: Inwieweit kann das Extrakt auch die Virusreplikation eindämmen. Laut den Wissenschaftern legen die Resultate nahe, dass die neutralisierende Wirkung vor allem durch die Inaktivierung des Virus erfolgt und nicht durch die Reduktion der Replikation.
Um die Relevanz der in­vitro­Ergebnisse für eine in­vivo­Situation zu testen, wurde bei sechs Studienprobanden ein Sorbit/Lecithin­basierter Rachenspray mit dem konzentrierten Grüntee­Extrakt angewendet. Sie erhielten innerhalb von zwei Stunden Sprühstöße zu fünf Zeitpunkten. Jeweils davor und danach sowie 30 und 60 Minuten nach der letzten Dosis wurden Rachenabstriche abgenommen. Ergebnis: Alle Abstriche der pharyngalen Mukosa, die nach der Applikation von sGTE­Applizierung erfolgten, erhielten die relevanten Katechine aus der Zubereitung – auch noch eine Stunde nach der letzten Anwendung. Fazit der Forscher: Der Extrakt könnte somit bei periodischer Applikation im Mund und im Rachen eine interessante Option sein.
Antivirale Effekte von Tanninen, zu denen auch Catechine zählen, sind schon seit einiger Zeit Gegenstand von Forschungsarbeiten. So wurde beispielsweise schon 2020 gezeigt, dass Tannin­haltige Pflanzensäfte in­vitro gegen SARS­CoV­2 und gegen Influenza­Viren wirken. 2021 wurde dokumentiert, dass Schwarz­ und Grüntee­Extrakte SARS­CoV­2 in­vitro in der Mundhöhle schnell inaktivieren können. In einer weiteren Studie blockierte EGCG eine SARS­CoV­2­Infektion, indem die Bindung des Spike­Proteins an den ACE2­Rezeptor verhindert wurde. (MaS)
Quelle: Kicker E, Tittel G, Schaller T, Pferschy-Wenzig EM, Zatloukal K, Bauer R, SARS-CoV-2 neutralizing activity of polyphenols in a special green tea extract preparation. Phytomedicine. 2022 Jan 30;98:153970

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 22 / 25.11.2022