Humane Affen­po­cken: Ähn­lich, aber anders

10.06.2022 | Medizin

Eine Infek­tion mit Affen­po­cken­vi­ren ähnelt zwar kli­nisch einer Pocken­in­fek­tion, die jedoch leich­ter über­trag­bar und häu­fi­ger töd­lich war. Den letz­ten Fall von natür­lich erwor­be­nen Pocken gab es 1977. Wäh­rend Affen­po­cken­fälle vor allem im tro­pi­schen Regen­wald von Zen­tral- und West­afrika auf­ge­tre­ten sind, wur­den in der letz­ten Zeit mehr als 780 Fälle von Affen­po­cken in 27 über­wie­gend west­li­chen Län­dern registriert. 

Bei Affen­po­cken (Mon­key­pox) han­delt es sich um eine viral Zoo­nose, die ähn­li­che Sym­ptome zeigt wie sie frü­her bei Pocken­pa­ti­en­ten auf­ge­tre­ten sind – kli­nisch aller­dings weni­ger schwer­wie­gend. Das Affen­po­cken-Virus ist ein umhüll­tes dop­pel­strän­gi­ges DNA-Virus, das zur Gat­tung Ortho­pox­vi­rus der Fami­lie Pox­vi­ri­dae gehört. Tie­ri­sche Wirte sind zahl­rei­che Nage­tiere (Hörn­chen und Rat­ten) sowie nicht­mensch­li­che Primaten.

Affen­po­cken beim Men­schen wur­den erst­mals im Jahr 1970 in der Demo­kra­ti­schen Repu­blik Kongo bei einem neun­jäh­ri­gen Jun­gen fest­ge­stellt – in einer Region im Kongo, in der die Pocken 1968 als eli­mi­niert gal­ten. Mitt­ler­weile wur­den Affen­po­cken­fälle beim Men­schen in elf afri­ka­ni­schen Län­dern gemel­det: Benin, Kame­run, Zen­tral­afri­ka­ni­sche Repu­blik, Demo­kra­ti­sche Repu­blik Kongo, Gabun, Elfen­bein­küste, Libe­ria, Nige­ria, Repu­blik Kongo, Sierra Leone und Süd­su­dan. Seit 2017 wird in Nige­ria ein gro­ßer Affen­po­cken­aus­bruch mit mehr als 500 Ver­dachts­fäl­len, mehr als 200 bestä­tig­ten Fäl­len sowie einer Sterb­lich­keits­rate von rund drei Pro­zent registriert.

Im Jahr 2003 gab es den ers­ten Affen­po­cken-Aus­bruch außer­halb von Afrika in den USA; er wurde mit dem Kon­takt mit infi­zier­ten Prä­rie­hun­den in Ver­bin­dung gebracht, die zusam­men mit gam­bi­schen Beu­tel­rat­ten und Sie­ben­schlä­fern unter­ge­bracht waren, nach­dem sie aus Ghana impor­tiert wor­den waren. Fälle von Affen­po­cken wur­den in den ver­gan­ge­nen Jah­ren immer wie­der gemel­det – etwa 2018 bei Rei­sen­den von Nige­ria nach Israel, nach Sin­ga­pur im Mai 2019, nach Groß­bri­tan­nien im Mai 2021, in die USA im Novem­ber 2021.

Die Über­tra­gung von Tier zu Mensch erfolgt durch direk­ten Kon­takt mit Blut und Kör­per­flüs­sig­kei­ten sowie über Haut- und Schleim­haut­lä­sio­nen von infi­zier­ten Tie­ren. Das natür­li­che Reser­voir von Affen­po­cken konnte noch nicht iden­ti­fi­ziert wer­den; am wahr­schein­lichs­ten han­delt es sich um Nage­tiere. Ein mög­li­cher Risi­ko­fak­tor ist der Ver­zehr von unzu­rei­chend gekoch­tem Fleisch und ande­ren tie­ri­schen Pro­duk­ten von infi­zier­ten Tie­ren. Die Über­tra­gung von Mensch zu Mensch ist mög­lich durch engen Kon­takt mit Atem­wegs­se­kre­ten, Haut­lä­sio­nen einer infi­zier­ten Per­son oder mit kürz­lich kon­ta­mi­nier­ten Gegen­stän­den. Bei der Über­tra­gung durch Tröpf­chen­in­fek­tion ist übli­cher­weise ein län­ge­rer per­sön­li­cher Kon­takt erfor­der­lich. Ebenso ist eine Über­tra­gung von der Mut­ter auf den Fötus via Pla­zenta mög­lich sowie auch wäh­rend und nach der Geburt.

Kli­nik und Diagnose

Die Inku­ba­ti­ons­zeit beträgt nor­ma­ler­weise zwi­schen fünf und
21 Tage (meist zehn bis 14 Tage). Die Infek­tion selbst ver­läuft in
zwei Phasen:

1) Prä­erup­ti­ves Sta­dium: plötz­lich ein­set­zen­des hohes Fie­ber (am zwei­ten Tag: 38,5 bis 40,5°C) mit star­ken Kopf­schmer­zen, Rücken­schmer­zen, Hals­schmer­zen, Hus­ten und Unwohl­sein, zum Teil Durch­fall. Häu­fig tre­ten Lymph­kno­ten­schwel­lun­gen (zer­vi­kal, inguinal) vor Beginn des Exan­thems auf. Dif­fe­ren­ti­al­dia­gno­sen in die­sem Sta­dium: Grippe, Typhus abdo­mi­na­lis, Lep­tos­pi­rose, Vira­les hämor­rha­gi­sches Fieber.
2) Erup­ti­ves (exan­the­ma­ti­sches) Sta­dium: Die Erkran­kung beginnt typi­scher­weise am ers­ten Tag mit dem Enan­them (Oro­pha­rynx) und Exan­them im Gesicht, an den Hän­den, Unter­ar­men mit zen­tri­pe­ta­ler Aus­brei­tung über den Kör­per mit Rötung und Pocken-typi­schen uni­for­men Efflo­res­zenz-Sta­dien (Makula, Bläs­chen, Pus­teln und Krus­ten) – inner­halb weni­ger Tage bei rund 80 Pro­zent der Betrof­fe­nen. In 20 Pro­zent poly­mor­phes Exan­them ähn­lich wie bei Vari­zel­len. In der Regel bipha­si­scher Fie­ber­ver­lauf mit einem ers­ten Gip­fel in den ers­ten drei bis vier Krank­heits­ta­gen, Abfall auf unter 38°C und Wie­der­an­stieg am 5./6. Tag. Bei nicht Geimpf­ten kommt es häu­fig zu Ulzer­a­tio­nen der Mund­schleim­haut mit Pha­ryn­gi­tis, Ton­sil­li­tis, Kon­junk­ti­vi­tis, Lid­ödem sowie sehr schmerz­haf­ten Läsio­nen im Geni­tal­be­reich. Das kli­ni­sche Labor ist wenig aus­sa­ge­kräf­tig. Dif­fe­ren­ti­al­dia­gno­sen in die­sem Sta­dium: Wind­po­cken, Her­pes zos­ter, Schar­lach, Masern.

Ver­dachts­fall

Ein Ver­dachts­fall liegt vor bei einem Pati­en­ten mit rasch ein­set­zen­dem Fie­ber, wenn sich die­ser fünf bis 21 Tage vor Krankheitsbeginn
• in einem Ende­mie­ge­biet auf­ge­hal­ten hat (afri­ka­ni­scher Regen­wald) oder
• mit einem an huma­nen Affen­po­cken Erkrank­ten Kon­takt hatte oder
• mit Affen oder ande­ren Tier­ar­ten als mög­li­che Infek­ti­ons­quelle Kon­takt hatte oder
• in einem Labo­ra­to­rium bezie­hungs­weise in einer ande­ren Ein­rich­tung hin­sicht­lich huma­nen Affen­po­cken ver­däch­ti­gen Aero­so­len (auch aus Tier­ka­da­vern aus Ende­mie­ge­bie­ten) aus­ge­setzt war und ein bis drei Tage nach Fie­ber­be­ginn ein zunächst maku­lö­ses, dann pus­tu­lö­ses Exan­them mit gene­ra­li­sier­ter Lympha­deno­pa­thie ent­wi­ckelt hat. Affen­po­cken sind eine mel­de­pflich­tige Erkran­kung: Ver­dachts­fall, Erkran­kungs- und Todes­fall sind meldepflichtig.

Das kli­ni­sche Erschei­nungs­bild von Affen­po­cken ähnelt dem von Pocken, einer ver­wand­ten Ortho­pox­vi­rus-Infek­tion. Pocken waren leich­ter über­trag­bar und häu­fi­ger töd­lich: 30 Pro­zent der Betrof­fe­nen star­ben. Der letzte Fall von natür­lich erwor­be­nen Pocken trat 1977 auf. 1980 wur­den die Pocken nach einer welt­wei­ten Impf­kam­pa­gne als aus­ge­rot­tet erklärt und die rou­ti­ne­mä­ßige Pocken­imp­fung eingestellt.

The­ra­pie mit Tecovirimat
Das anti­vi­rale Mit­tel Teco­viri­mat, das für Pocken ent­wi­ckelt wurde, wurde 2022 von der Euro­päi­schen Arz­nei­mit­tel­agenur (EMA) für Affen­po­cken auf der Basis von Daten aus Tier- und Human­stu­dien zuge­las­sen. Es ist noch nicht flä­chen­de­ckend ver­füg­bar. In meh­re­ren Beob­ach­tungs­stu­dien konnte gezeigt wer­den, dass die Imp­fung gegen Pocken bei der Vor­beu­gung von Affen­po­cken zu etwa 85 Pro­zent wirk­sam ist. Die Pocken-Impf­stoffe der ers­ten Gene­ra­tion sind gegen­wär­tig für die breite Öffent­lich­keit nicht mehr erhält­lich. Ein neue­rer Impf­stoff auf Basis eines modi­fi­zier­ten atte­nu­ier­ten Vac­ci­nia­vi­rus (Ankara-Stamm) wurde 2019 zur Vor­beu­gung von Affen­po­cken zuge­las­sen. Dabei han­delt es sich um einen Zwei­do­sen-Impf­stoff, der nur begrenzt zur Ver­fü­gung steht.Laut den US-ame­ri­ka­ni­schen Cen­ters for Dise­ase Con­trol (CDC) sind (Stand: 7. Juni 2022) mehr als 780 Affen­po­cken­fälle in 27 über­wie­gend west­li­chen Län­dern bekannt. Wei­ter­hin seien – so die WHO – haupt­säch­lich Män­ner betrof­fen, die Sex mit Män­nern haben. Todes­fälle habe es bis­lang nicht gege­ben. (AM)


Auf einen Blick

• Affen­po­cken sind eine virale Zoo­nose, die haupt­säch­lich in tro­pi­schen Regen­wald­ge­bie­ten von Zen­tral- und West­afrika auftritt.
• Die Über­tra­gung erfolgt durch engen Kon­takt mit einer infi­zier­ten Per­son oder einem infi­zier­ten Tier.
• Affen­po­cken tre­ten typi­scher­weise kli­nisch mit hohem Fie­ber, Haut­aus­schlag und geschwol­le­nen Lymph­kno­ten auf. Affen­po­cken ähneln dem kli­ni­schen Bild von Pocken; sind aller­dings weni­ger ansteckend.
• Die Erkran­kung ver­läuft nor­ma­ler­weise als selbst­li­mi­tie­rende Krank­heit; die Sym­ptome kön­nen zwei bis vier Wochen anhalten.
• Impf­stoffe, die wäh­rend des Pocken­aus­rot­tungs­pro­gramms ver­wen­det wur­den, bie­ten auch Schutz gegen Affen­po­cken. Ein neu ent­wi­ckel­ter Impf­stoff wurde für die Vor­beu­gung von Affen­po­cken zugelassen.
• Ein für die Behand­lung von Pocken ent­wi­ckel­tes anti­vi­ra­les Mit­tel wurde auch für die Behand­lung von Affen­po­cken zugelassen.
• Das kli­ni­sche Erschei­nungs­bild von Affen­po­cken ähnelt dem von Pocken, die 1980 welt­weit für aus­ge­rot­tet erklärt wur­den. Affen­po­cken sind weni­ger anste­ckend als Pocken und ver­ur­sa­chen weni­ger schwere Krankheiten.
• Der Ver­dachts­fall, Erkran­kungs- und Todes­fall sind meldepflichtig.


Quelle: WHO, Gesund­heits­mi­nis­te­rium, APA

© Öster­rei­chi­sche Ärz­te­zei­tung Nr. 11 /​10.06.2022