Forschung aus Österreich: Augenheilkunde – Risikofaktor Permanent Make-up

25.01.2022 | Medizin

Rund ein Drittel aller Konsultationen beim niedergelassen Facharzt für Augenheilkunde erfolgt wegen eines trockenen Auges. In einer Beobachtungsstudie hat sich Permanent Make-Up als einer der Risikofaktoren für die Entwicklung eines trockenen Auges erwiesen.

Christoph Laufenböck

Zu den Risikofaktoren für die Entwicklung eines trockenen Auges zählen fortschreitendes Alter mit sinkender Lidschlag-frequenz, weibliches Geschlecht, Hauterkrankungen wie Akne rosacea, Systemerkrankungen wie Diabetes mellitus oder Morbus Parkinson, Lokaltherapien wie die Tropftherapie bei Grünem Star oder Systemtherapien wie Schilddrüsenhormone oder Beta-Blocker, Allergien u. v. m.

Jedoch gibt es auch Verhaltensweisen und Umgebungsbedingungen, die die Entstehung eines trockenen Auges fördern. Dazu zählen: zu viel Bildschirmarbeit; Räume, die nicht gelüftet werden können und mittels Klimaanlagen geheizt werden, zu wenig Flüssigkeitszufuhr, zu viel Make-up, chronischer Kontaktlinsengebrauch und Nikotinabusus.

Von den Veränderungen im Zuge eines trockenen Auges sind häufig die parallel am Ober- und Unterlid befindlichen Meibomdrüsen betroffen. Im Oberlid des Auges befinden sich rund 30, im Unterlid rund 20 tubuloalveolär verzweigte holokrine Talgdrüsen. Die Meibomdrüsen produzieren ein lipidhaltiges Sekret, das im Optimalfall bei jedem Lidschlag über die Tränenflüssigkeit verteilt wird. Damit soll der Tränenfilm gegenüber der Austrocknung stabil gehalten und das Gleiten der Augenlider über den Augapfel garantiert werden.

Ausgehend von Beobachtungen, dass das trockene Auge bei tätowierten Lidrändern häufiger vorkommt, wurde eine Querschnittsstudie durchgeführt, für die 100 Frauen rekrutiert wurden. 50 Frauen (100 Augen) hatten seit mindestens drei Jahren ein Permanent Make-up am Ober- und Unterlid; 100 Augen waren ohne Permanent Make-up. In der Tattoo-Gruppe betrug das Durchschnittsalter 58 Jahre, in der Vergleichsgruppe 55 Jahre. Das Alter des Permanent Make-ups betrug durchschnittlich 9,3 Jahre. Der Anteil der Raucherinnen lag bei 23 Prozent, 17 Prozent wiesen eine Schilddrüsenpathologie auf.

Zunächst wurde der Ocular Surface Disease (OSD)-Index erhoben. Er bezieht sich auf ein breites Spektrum von Erkrankungen der Augenoberfläche: entweder bedingt durch einen Mangel der Lipidschicht, des wässrigen Anteils, der Muzinschicht oder durch Mischformen, die zu Symptomen des trockenen Auges, einem Abfall der Sehleistung und somit zur Minderung der Lebensqualität führen. Weiters erfolgte eine genaue Anamnese hinsichtlich des Zeitpunkts der kosmetischen Behandlung, der Krankengeschichte mit besonderer Beachtung eventueller Schilddrüsenpathologien, Medikamenteneinnahme inklusive psychoaktiver Substanzen, des Nikotin- und Alkoholkonsums sowie der täglichen Flüssigkeitszufuhr. Ausschlussgründe waren floride Bindehaut-/Hornhautentzündung, Demodexbefall, lokale Vormedi kation, Glaukom, faciale Erkrankungen (wie etwa Rosacea), Lidfehlstellungen wie Ektropia, Tränenwegsstenosen und St. p. Gesichtstraumata. Die subjektive Symptomabfrage erfolgte mittels OSDI-Fragebogen und wurde mit den objektiven Testergebnissen – erhoben durch die klinische Untersuchung an der Spaltlampe sowie am Keratographen 5M (Oculus, Germany) – verglichen. Bei der Untersuchung mit der Spaltlampe ist leicht ersichtlich, ob es sich um einen temporären Lidstrich oder um ein Permanent Make-up handelt.

Ergebnis: Es zeigte sich ein statistisch signifikanter Unterschied zwischen den beiden Gruppen hinsichtlich des OSD-Index (p = 0,0004, Mann-Whitney U Test), der NIK-BUT (p = 0,0001), der Meibomdrüsen (p = 0,0001) und der LIPKO-Falten (p = 0,0004). Keinen Unterschied zeigte sich in der bulbären Injektion (p = 0,1) und der Tränenmeniskushöhe (p = 0,67). Somit konnten sowohl die direkten (OSDI) als auch die indirekten Diagnostikmethoden hinsichtlich einer Dysfunktion der Meibomdrüsen aufgezeigt werden, wobei die Parameter in der Tattoo-Gruppe signifikant schlechter ausfielen als in der unbehandelten Gruppe. Es zeigte sich auch in Augen mit Permanent Make-Up ein instabilerer Tränenfilm im Vergleich zu unbehandelten Lidrändern, was auch auf eine Dysfunktion der Meibomdrüsen zurückzuführen ist.

Tattoos können nicht nur zu lokalen Infektionen, toxischen Prozessen und Allergien führen, sondern auch zu einem Eindringen der Tinte in die Tiefe. Dieser als „Ausbleichen“ verstandene Vorgang führt oft zu einer weiteren kosmetischen Anwendung. Technisch gesehen wird beim Permanent Make-up nahe dem äußeren Lidrand in hunderten Einzelstichen Pigment mit Hilfe von entsprechenden Pigmentiergeräten eingebracht.

Bei histopathologischen Untersuchungen von Permanent Make-up zeigten sich eine Persistenz des eingebrachten Pigments als freie Granula in der Epidermis und Dermis; die meisten in Makrophagen in der Dermis und im Bereich der Lidränder an der Oberfläche des M. orbicularis. Darüber hinaus sind die Inhaltsstoffe der applizierten Tinte nicht standardisiert und können verschiedenste Substanzen bis hin zu Arsen enthalten.

Conclusio

In der vorliegenden Beobachtungsstudie konnte gezeigt werden, dass Permanent Make-up an den Lidrändern zu anatomischen und funktionellen Veränderungen der Meibomdrüsen und des Tränenfilms führt. Diese Ergebnisse korrelieren auch stark mit einem subjektiven okulären Dyskomfort der Patientinnen. Dahingehend ist neben anderen Empfehlungen und Therapien für die Betroffenen eine genaue Aufklärung notwendig: vor allem im Hinblick auf die bei Permanent Make-up verwendeten Tintenprodukte, die verschiedenste Inhaltsstoffe bis hin zu Arsen aufweisen können und nicht standardisiert sind.


ZUR PERSON

Christoph Laufenböck, geboren 1983 in Schärding/Inn, Studium der Humanmedizin an der Medizinischen Universität Innsbruck; Diplomarbeit über „Makula-foramen-Chirurgie – eine retrospektive Vergleichsstudie“. Promotion 2009. Facharztausbildung in Feldkirch und Zell am See. 2019 Europäische Facharztprüfung (FEBO) in Paris. Seit Jänner 2020 niedergelassener Facharzt für Augenheilkunde in Dornbirn.


© Österreichische Ärztezeitung Nr. 01-02 / 25.01.2022