Sialolithiasis: Drüsenerhaltend therapieren

25.01.2022 | Medizin

Speichelsteine stellen die häufigste Ursache für einseitige Schwellungen der Speicheldrüsen dar. Bei mehr als 30 Prozent der Betroffenen mit einer submandibularen Sialolithiasis sind diese Schwellungen schmerzlos. Ziel der Therapie ist es, drüsenerhaltend vorzugehen.

Irene Mlekusch

Speichelsteine stellen die häufigste Ursache für einseitige Schwellungen der Speicheldrüsen dar; bei ungefähr drei Prozent der Patienten sind die Speicheldrüsen bilateral betroffen. Speichelsteine treten überwiegend in den großen, paarig angelegten Drüsen wie in der Glandula submandibularis (bis zu 90 Prozent), in der Glandula parotis (bis zu 20 Prozent) und in der Glandula sublingualis (weniger als fünf Prozent) auf. Sehr selten finden sich dagegen Steine in den zahlreichen nicht-paarigen, kleinen Speicheldrüsen der Mund- und Rachenschleimhaut. Die Inzidenz der Sialolithiasis wird in Autopsie-Studien mit etwa einem Prozent angegeben, obwohl symptomatische Erkrankungen deutlich seltener sind. Derzeit geht man bei der symptomatischen Sialolithiasis von einer Prävalenz von 0,45 aus.

Auf die Unterscheidung zwischen einer Sialolithiasis mit und ohne begleitende akute Sialadenitis macht Priv. Doz. Aristeidis Giotakis von der Universitätsklinik für Hals-, Nasen- und Ohrenkrankheiten in Innsbruck aufmerksam: „Die Patienten ohne begleitende akute Sialadenitis präsentieren sich ohne akute Schmerzsymptomatik und berichten über rezidivierende Schwellungen der betroffenen Speicheldrüse, üblicherweise während der Nahrungsaufnahme.” Univ. Prof. Wolfgang Gstöttner von der Klinischen Abteilung für Hals-, Nasen- und Ohrenkrankheiten, Kopf- und Halschirurgie an der Medizinischen Universität Wien beschreibt die Sialolithiasis als plötzlich auftretende Schwellung im Bereich der Speicheldrüsen, die sich vor allem beim Essen innerhalb von 15 Minuten zeigt. Knapp mehr als 30 Prozent der Patienten mit einer submandibularen Sialolithiasis weisen schmerzlose Schwellungen auf. Allerdings zeigen etwa zehn Prozent wiederum Schmerzen ohne eine Schwellungsneigung. Etwa ein Prozent der Steine wird zufällig im Rahmen von Untersuchungen der Mundhöhle oder auf Röntgenaufnahmen beispielsweise bei zahnärztlichen Abklärungen entdeckt. Wird der Ausführungsgang durch ein Konkrement vollständig obstruiert, können sich die Schmerzen nach der Nahrungsaufnahme regelrecht kolikartig (Speichelsteinkolik; Colica salivaria) darstellen und klingen erst nach Beendigung des Sekretionsreizes langsam wieder ab. In anderen Fällen kann sich plötzlich mit einem Schwall von Speichel Symptomlindeung einstellen. Etwa nur ein Drittel der Patienten mit symptomatischen Sialolithen kommt innerhalb der ersten sechs Monate nach dem Einsetzen der Beschwerden zum Arzt. Im Durchschnitt dauert es fünf Jahre oder mehr, bis ein Patient wegen Stei-nen in der Glandula submandibularis ärztliche Hilfe sucht; bei Parotissteinen sind es dagegen durchschnittlich zehn Monate.

Chronische Obstruktionen des Speichelflusses erhöhen den intraglandulären Druck und können in weiterer Folge eine Atrophie der Speicheldrüsen und Verändrungen im Bindegewebe verursachen. Unbehandelt kann die Sialolithiasis zu einer akuten oder chronischen Sialadenitis bis hin zum Abszess führen sowie phlegmonöse Entzündungen und sialo-kutane oder sialoorale Fisteln entwickeln.

Pathogenese unklar

Die Pathogenese der Entstehung von Speichelsteinen ist nicht ausreichend geklärt. Als Ursachen werden lokale anatomische Varianten, Veränderungen in der Speichelzusammensetzung, Mikrolithenbildung, aber auch Mikroorganismen diskutiert. Die Sialolithen bestehen aus organischen Materialien wie Kollagen, Proteinen, Lipiden und Kohlenhydraten sowie überwiegend anorganischen Bestandteilen vor allem Kalziumphosphat. Die Größe und das Gewicht der Steine variieren; man geht von einer jährlichen Wachstumsrate von etwa einem Millimeter aus. „Bestimmte Patienten haben eine Veranlagung zu Speichelsteinen. Auch die, die weniger trinken, haben ein höheres Risiko, an einer Sialolithiasis zu erkranken,

erklärt Gstöttner. Eine familiäre Häufung findet sich in etwa einem Prozent aller Fälle. Kinder sind sehr selten betroffen. Die Erkrankung findet sich überwiegend im Alter zwischen 30 und 60 Jahren, wobei Männer etwas öfter an Sialolithen leiden. Im Durchschnitt findet sich die Sialolithiasis der Glandula submandibularis bei jüngeren Patienten im Vergleich zu Steinen der Glandula parotis. Patienten mit Gicht weisen eine Prädisposition für Speichelsteine auf; diese bestehen überwiegend aus Harnsäure. Zigarettenrauchen wird ebenso als Risikofaktor diskutiert wie die Einnahme von Diuretika und Anticholinergika. Aber auch traumatische Veränderungen, Nephrolithiasis und chronische Zahnfleischentzündungen könnten die Entstehung von Sialolithen begünstigen.

Die sorgfältige Anamnese und eine eingehende klinische Untersuchung sind wichtig für die Diagnose; ergänzend stehen bildgebende Verfahren zur Verfügung. Für die Auswahl des Therapieverfahrens sind Größe, Symptomatik, Lage, Fixation, Art der Obstruktion und die Anzahl der Steine wesentlich. Beide Experten sehen in der Sonographie die first-line Bildgebung. „Mit synchronen Geräten und der entsprechenden Erfahrung kann man im Ultraschall Steine ab einem Millimeter Größe erkennen“, betont Giotakis. Die Halssonographie zeigt für Steine, die gleich oder größer als zwei Millimeter sind, eine Sensitivität von 90 bis 94 Prozent und eine Spezifität von 90 bis 100 Prozent. „Durch die Sonographie lässt sich sowohl die Größe als auch die Lage des Steines beurteilen und die präoperative Planung beginnen“, merkt Giotakis an. Darüber hinaus lasse sich damit auch intraoperativ beurteilen, ob die Drüse, die sialendoskopisch nicht sichtbar ist, steinfrei ist. Giotakis weiter: „Das ist wichtig, denn immer wieder können kleine Steine intraoperativ in Richtung Drüse verlagert werden.“ Außerdem stellt die Halssonographie das Standardverfahren für die kurz- und langfristige postoperative Nachsorge dar.

Im Anschluss an die Sonographie sind konventionelles Röntgen und Sialographie, Computertomographie, MR-Sialographie, digitale Volumentomographie und die Sialendoskopie weitere diagnostische Verfahren. Giotakis sieht das Röntgen aufgrund seiner niedrigen Sensitivität und Spezifität nicht mehr indiziert. Ebenso komme seinen Aussagen zufolge die konventionelle Sialographie mit einer Sensitivität von 64 bis 100 Prozent und einer Spezifität von 88 bis 100 Prozent „eher“ nicht mehr in Frage. Beide Experten empfehlen nach der Sonographie die Hals-CT ohne Kontrastmittel bei einer Sensitivität von 96 und einer Spezifität von 100 Prozent. „Die Kontrastmittelgabe erlaubt die Detektion von Komplikationen wie beispielsweise einem Abszess. Der Nachteil der CT entspricht, außer der Strahlenbelastung, der fehlenden Beurteilung der Ausführungsgänge“, ergänzt Giotakis. Gstöttner rät bei Tumorverdacht zu einer MR – auch im Hinblick auf eine eventuell nachfolgende Biopsie. Giotakis sieht die MR-Sialographie eher im Einsatz für die Beurteilung von Gangstenosen.

Sialendoskopie als Referenzmethode

Die Sialendoskopie ist derzeit die Referenzmethode zur Diagnose und Therapie obstruktiver Speicheldrüsenerkrankungen, da mit hoher Sensitivität und Spezifität eine Darstellung der Speichelsteine und Drüsengänge erzielt werden kann. Als relative Kontraindikationen gelten eine akute Drüsenentzündung und Gerinnungsstörungen. Die Sialendoskopie ist laut den Experten technisch aufwendig und erfordert einige Erfahrung wegen des Risikos einer Perforation oder Schädigung von Nerven oder Blutgefäßen. In Ergänzung mit der Sonographie erhöht sich die Spezifität der Sialendoskopie auf 100 Prozent.

Das Therapieziel sollte eine drüsenerhaltene Behandlung mit geringen Komplikationen und möglichst wenigen Unannehmlichkeiten für den Patienten sein. Rezidive treten bei bis zu zehn Prozent der Patienten auf. Bei einer erstmalig diagnostizierten Sialolithiasis ohne Komplikationen sollte mit konservativen Maßnahmen begonnen werden, um einen spontanen Steinabgang durch die Papille zu fördern. Das kann erreicht werden durch Hydrierung, Mundspülungen und Sialagoga oder eine Drüsenmassage. Liegen außerdem Anzeichen für eine Infektion vor, sind Antiphlogistika und eventuell Antibiotika erforderlich.

Die Sialolithen können spontan oder nach Anregung des Speichelflusses abgehen, wobei das Lutschen von sauren Bonbons alle zwei bis drei Stunden durch die Anregung des Speichels unterstützend wirken kann. Medikamente, die den Speichelfluss reduzieren wie Diphenhydramin oder Amitryptilin, sollten nach Möglichkeit abgesetzt werden.

Spricht der Betroffene nicht auf konservative Maßnahmen an oder kommt es sogar zu einer Verschlechterung der Symptome, müssen Giotakis zufolge die weiteren Therapieoptionen mit dem Patienten besprochen und der gewünschte Therapieerfolg definiert werden. Minimal-invasive Techniken wie die interventionelle Sialendoskopie, die Körbchenextraktion für kleine Steinchen – bis vier Millimeter mit einer sehr hohen Erfolgsrate – sowie die extrakorporale Stoßwellenlithotripsie oder die intrakorporale Laserlithotripsie stehen chirurgischen Verfahren wie der Gangschlitzung, Teil- oder Totalresektion der Drüse gegenüber. „Für manche Patienten steht die endgültige Symptomfreiheit im Vordergrund, was zum Beispiel durch eine Submandibulektomie erreicht werden kann“, berichtet Giotakis. Bei Patienten, die Narben am Hals vermeiden möchten, hat sich die Sialendoskopie mit der Möglichkeit einer Steinzertrümmerung mittels Laser oder pneumatischer Lithotripsie bewährt. Als chirurgische Maßnahmen nennt Giotakis die Sialendoskopie mit oder ohne Zertrümmerung, die transorale Steinextraktion für Steine aller Speicheldrüsen, zusätzlich die transkutane Steinextraktion durch Wangenhautschnitt oder durch Facelift-Inzision für Steine der Glandula parotis. Auch die Submandibulektomie und die Parotidektomie stellen Optionen dar. „Bei großen drüsennahen Steinen finden sich oft chronische Veränderungen und eine Entfernung der Drüse ist notwendig. Je weiter peripher der Stein sitzt, umso besser ist die Prognose“, berichtet Gstöttner.

Ist eine Zertrümmerung der Steine nicht möglich, steht die Gangschlitzung mit gegebenenfalls Marsupialisation zur Option. Diese Technik ist bei Steinen im Wharton-Gang der Glandula submandibularis meist bei einmaliger Anwendung erfolgreich und in Lokalanästhesie durchführbar. Die Gangschlitzungen im Bereich des Stenon-Ganges der Glandula parotis sind aufgrund der anatomischen Gegebenheiten mit einem hohen Stenoserisiko behaftet, das mit zunehmender Schnittlänge steigt. „Bei größeren proximal gelegenen Steinen im Wharton-Gang kann im Fall eines transoralen offenen Zuganges eine Sialendoskopie-assistierte Stenteinlage zur Vermeidung der postoperativen Gangstenose durchgeführt werden“, merkt Giotakis an. Die Sialendoskopie-assistierte Stenteinlage kann auch bei transkutanem oder transoralem offenen Zugang bei größeren Steinen im Stenon-Gang eingesetzt werden.

Klinische Untersuchung
Bei der Inspektion und Palpation der großen Speicheldrüsen sollten Schwellungen im Vergleich zur Gegenseite beurteilt werden. Die Inspektion des Mundbodens beziehungsweise der Wangenschleimhaut kann eine Schwellung und Rötung der Wharton-Gänge oder Stenon-Gänge zeigen. Im Rahmen der bimanuellen Palpation des Mundbodens und der Wangenschleimhaut können sich Steine in den Ausführungsgängen finden und die bimanuelle Palpation der Glandula submandibularis beidseits mit einer ventralen-kranialen Verlagerung der Drüse deckt Steine proximal im Hilus der Drüsen auf. „Die körperliche Untersuchung bei Patienten mit begleitender akuter Sialadenitis soll aufgrund der Schmerzsymptomatik und der möglichen entsprechenden Schwellung sanft erfolgen“, empfiehlt Giotakis. Ebenso sollten die Atemwege beurteilt sowie die Abszedierung der großen Speicheldrüsen ausgeschlossen werden.

Differentialdiagnosen
„Entzündungen durch virale oder bakterielle Infektionen ermöglichen ebenso eine Schwellung der Speicheldrüsen wie Neoplasien“, weiß Gstöttner und verweist auf das langsame Wachstum von Parotisadenomen. Schwellungen der Speicheldrüsen mit einem der Sialolithiasis ähnlichen Erscheinungsbild treten im Rahmen von HIV, Sjögren-Syndrom, Sarkoidose, Unterernährung, Bestrahlungen oder nach der Applikation von jodhaltigem Kontrastmittel auf.

Lithotripsie
Die extrakorporale Stosswellenlithotripsie (ESWL) ist seit 1989 erfolgreich im Einsatz. Kontraindikation stellen Schwangerschaft, Herzschrittmacher, Gerinnungsstörungen und akute Entzündungen dar, eine suffiziente Sekretionsleistung der erkranktenDrüse ist unbedingt notwendig, um den Abgang der zerkleinerten Sialolithen zu gewährleisten. Die ESWL ist das einzige minimalinvasive Verfahren, mit dem Steine in den weiter proximalen Gangabschnitten erreicht werden kann. Giotakis dazu: „Die ESWL führt zur Steinzertrümmerung und erlaubt eine freie Passage für den Speichel. Dieses Verfahren ist bei proximalen Steinen von drei bis zehn Millimetern, intraglandulären Steinen, Steinen, die mit dem Sialendoskop nicht sichtbar gemacht werden können, und bei Patienten, die keine chirurgische Therapie wünschen, indiziert.“ Kombinationen mit einer pneumatischen Lithotripsie oder einer nachgeschalteten Sialendoskopie erhöhen die Erfolgsrate. Insgesamt sind drei Sitzungen im Abstand von einem Monat notwendig; gelegentlich sind auch mehr Sitzungen erforderlich. Die intrakorporale Lithotripsie bringt die Stoßwellen endoskopisch direkt an die Steinoberfläche; die Zertrümmerung erfolgt mittels Laser, pneumatisch, elektrohydraulisch oder elektrokinetisch. Durch die intraduktale Fragmentierung können mehr als 80 Prozent der Behandlungen erfolgreich durchgeführt werden.

Sialendoskopie
Das Ziel der Sialendoskopie bei Sialolithiasis stellt die Steinentfernung ohne Zerstörung der Anatomie des Wharton-Ganges der Glandula submandibularis und des Stenon-Ganges der Glandula parotis dar. „Die Therapie sollte je nach Steinlage zum Beispiel intraduktal distal, intraduktal proximal oder intraglandulär, je nach betroffener Speicheldrüse und Steingröße personalisiert erfolgen“, betont Giotakis. Prinzipiell sei bei kleinen distal gelegenen Steinen – kleiner oder gleich fünf Millimeter im Wharton-Gang und kleiner oder gleich vier Millimeter im Stenon-Gang – ein Erfolg zu erwarten. Ähnlich ist die Erfolgsrate bei proximal gelegenen Steinen, sofern diese einen Millimeter kleiner sind. „Bei größeren Steinen sollte man zusätzlich eine Steinzertrümmerungsmethode hinzufügen“, so Giotakis.


© Österreichische Ärztezeitung Nr. 01-02 / 25.01.2022