Dif­fe­ren­ti­al­dia­gnose Dysphagie

01.07.2022 | Medizin

Bis zu 15 Pro­zent aller sta­tio­nä­ren Pati­en­ten lei­den an Dys­pha­gie. Ein unter­schätz­tes Pro­blem sind vor allem neu­ro­gene Dys­pha­gien, wie Exper­ten beto­nen. Stei­gende Prä­va­lenz gibt es auch bei der eosi­no­phi­len Öso­pha­gi­tis. Dar­über hin­aus kön­nen Schluck­stö­run­gen auch eine Neben­wir­kung von Medi­ka­men­ten sein – etwa von Neu­ro­lep­tika und man­chen Benzodiazepinen.

Sophie Fessl

Schluck­stö­run­gen soll­ten jeden­falls ernst genom­men wer­den, da sie „ein Alarm­sym­ptom sind, hin­ter dem sich eine für den Pati­en­ten rele­vante und schwer­wie­gende Erkran­kung ver­ste­cken kann“, betont Priv. Doz. Andreas Mai­e­ron von der Kli­ni­schen Abtei­lung für Innere Medi­zin 2 am Uni­ver­si­täts­kli­ni­kum St. Pöl­ten. Daher soll­ten Schluck­be­schwer­den zügig abge­klärt wer­den, so seine For­de­rung. „Schluck­stö­run­gen betref­fen rund zehn bis 15 Pro­zent der Spi­tals­pa­ti­en­ten und sind extrem viel­fäl­tig sowohl in den Ursa­chen als auch in der Abklä­rung“, wie er betont. Gene­rell gäbe es drei Berei­che, in die die Dif­fe­ren­ti­al­dia­gno­sen der Dys­pha­gie ein­ge­teilt wer­den kön­nen: HNO, Gas­tro­en­te­ro­lo­gie und Neurologie.

Univ. Prof. Doris-Maria Denk-Lin­nert von der Kli­ni­schen Abtei­lung für Pho­nia­trie-Logo­pä­die an der Uni­ver­si­täts­kli­nik für Hals‑, Nasen- und Ohren­krank­hei­ten der Medi­zi­ni­schen Uni­ver­si­tät Wien rät zu einer genauen Ana­mnese, wenn sich Pati­en­ten mit Pro­ble­men beim Schlu­cken prä­sen­tie­ren. „Zuerst sollte ein­ge­grenzt wer­den, ob es sich um unspe­zi­fi­sche Schluck­be­schwer­den, einem Glo­bus­ge­fühl – also eine Miss­emp­fin­dung beim Leer­schlu­cken –, oder Schmer­zen beim Schlu­cken, wie sie etwa im Rah­men einer Angina auf­tre­ten kön­nen, han­delt oder ob es tat­säch­lich eine Stö­rung der Auf­nahme und des Trans­por­tes der Nah­rung von der Mund­höhle in den Magen, also eine Dys­pha­gie, ist.“

Nach der Cha­rak­te­ri­sie­rung und Ein­gren­zung der Beschwer­den soll­ten Pati­en­ten mit einer Stö­rung des Schluck­ak­tes wei­ter an HNO-Spe­zia­lis­ten ver­wie­sen wer­den, rät Denk-Lin­nert. Bei der Abklä­rung durch den Fach­arzt für Hals‑, Nasen‑, Ohren­heil­kunde bezie­hungs­weise in der Folge durch den Pho­nia­ter wird wei­ter ein­ge­grenzt, ob es sich um eine Stö­rung der oro­pha­ryn­gea­len Phase han­delt. Das zieht eine Betreu­ung eines Teams durch HNO-Spe­zia­lis­ten, Pho­nia­ter und Logo­pä­den dia­gnos­tisch und the­ra­peu­tisch nach sich. Ande­rer­seits kann fest­ge­stellt wer­den, ob eine Stö­rung der öso­pha­gea­len Phase vor­liegt, die von einem Gas­tro­en­te­ro­lo­gen wei­ter abge­klärt und behan­delt wer­den sollte oder ob eine neu­ro­gene Schluck­stö­rung vorliegt.

Schluck­zen­trierte Anamnese

Die Abklä­rung der Schluck­stö­run­gen durch den HNO-Fach­arz­t/­Pho­nia­ter beginnt mit einer schluck­zen­trier­ten Ana­mnese, erklärt Denk-Lin­nert. Dabei wird erfragt, seit wann die Schluck­stö­run­gen bestehen, wie sie sich ent­wi­ckelt haben, wann sie auf­tre­ten, ob der Pati­ent eigene Stra­te­gien zur Bewäl­ti­gung ent­wi­ckelt hat, wel­che Grund­er­kran­kun­gen vor­lie­gen, und ob in der Ver­gan­gen­heit Behand­lun­gen im HNO-Bereich wie Radio­the­ra­pien vor­ge­nom­men wur­den. „Eine genaue Kran­ken­ge­schichte inklu­sive Gewichts­ver­lust und das Auf­tre­ten von Lun­gen­ent­zün­dun­gen oder chro­ni­scher Bron­chi­tis gibt wich­tige Hin­weise, ob bereits Aspi­ra­ti­ons­pneu­mo­nien auf­ge­tre­ten sind und ob die orale Nah­rungs­auf­nahme suf­fi­zi­ent ist“, berich­tet Denk-Lin­nert aus der Praxis.

Beim der HNO-ärzt­li­chen/­pho­nia­tri­schen Unter­su­chung wer­den die Beschaf­fen­heit und Funk­tion des obe­ren Atem- und Schluck­we­ges inklu­sive Beweg­lich­keit von Zunge und Lip­pen erho­ben. Bei der kli­ni­schen Schluck­un­ter­su­chung wer­den Moto­rik und Sen­si­bli­tät des Mund-/Ra­chen­rau­mes geprüft, ob der Betref­fende wäh­rend oder nach dem Schlu­cken hus­tet und auch auf den Stimm­klang geach­tet. Hus­ten wäh­rend des Schlu­ckens oder kurz nach dem Schlu­cken kann einen Hin­weis auf eine Aspi­ra­tion lie­fern. Ande­rer­seits bedeute aber das Feh­len von Hus­ten nicht, dass keine Aspi­ra­tion vor­liegt, betont Denk-Lin­nert. „Even­tu­ell hat der Pati­ent kei­nen Hus­ten­re­flex mehr, die soge­nannte stille Aspi­ra­tion. Der Nach­weis bezie­hungs­weise Aus­schluss einer Aspi­ra­tion ist hier ein wich­ti­ger Angel­punkt in der Dia­gnos­tik, der sehr genau beob­ach­tet wer­den muss.“ Mit der fle­xi­blen Fiber­op­tic Eva­lua­tion Of Swal­lo­wing (FEES) wird die Schluck­funk­tion beim Schlu­cken von Spei­chel und Nah­rung in unter­schied­li­cher Kon­sis­tenz beobachtet.

Kau­sal beheb­bare orga­ni­sche Stö­run­gen wie ein Tumor oder ein Diver­ti­kel müs­sen kau­sal behan­delt wer­den. „Bei nicht-kau­sal behan­del­ba­ren Schluck­stö­run­gen ist meist eine logo­pä­di­sche Schluck­the­ra­pie indi­ziert “, erläu­tert Denk-Lin­nert. Und wei­ter: „Wesent­lich ist die Kennt­nis, ob eine Aspi­ra­tion vor­liegt und die Emp­feh­lung über die Art der Ernäh­rung – oral oder non-oral – und The­ra­pie.“ Bei Stö­run­gen der oro­pha­ryn­gea­len Phase wer­den bereits erste Schritte in Rich­tung The­ra­pie gesetzt wie etwa die Kon­sis­tenz der schluck­ba­ren Nah­rung bestimmt oder the­ra­peu­ti­sche Stra­te­gien wie die Kinn-Ante­fle­xion beim Schlu­cken versucht.

Erhär­tet sich der Ver­dacht auf eine Stö­rung im öso­pha­gea­len Bereich, wird der Pati­ent zur wei­te­ren Abklä­rung an einen Gas­tro­en­te­ro­lo­gen über­wie­sen. Auch hier kön­nen ana­to­mi­sche Ver­än­de­run­gen ursäch­lich für Schluck­stö­run­gen sein. „Typisch“ sei laut Mai­e­ron etwa das Zen­ker-Diver­ti­kel. Dabei kommt es zu einer Aus­sa­ckung des Kehl­ra­chens, die zur Regur­gi­ta­tion von Spei­sen und Mund­ge­ruch führt. Aber auch Schild­drü­sen­er­kran­kun­gen wie große Stru­men kön­nen zu Schluck­be­schwer­den füh­ren, ebenso wie Säure- und Laugenverletzungen.

Ver­än­de­run­gen des Ösophagus

Auch ent­lang der Spei­se­röhre auf­tre­tende Ver­än­de­run­gen kom­men als Dif­fe­ren­ti­al­dia­gnose in Betracht. So kön­nen Tumore im Hypo­pha­rynx-Bereich, aber auch ein Öso­pha­gus­kar­zi­nom oder ver­grö­ßerte Lymph­kno­ten auf­grund eines Lym­phoms im Media­sti­num zu Schluck­be­schwer­den füh­ren. Auch Achala­sie kann die Ursa­che von Schluck­be­schwer­den sein. „Jede Ent­zün­dung der Spei­se­röhre, unab­hän­gig davon, ob sie infek­tiö­ser Genese ist oder durch immu­no­lo­gi­sche Ent­zün­dung aus­ge­löst wird, kann zu Schluck­be­schwer­den füh­ren“, erklärt Mai­e­ron. Bereits die Ana­mnese kann einen Hin­weis dar­auf geben, wel­che Ursa­che der Schluck­stö­rung zugrunde lie­gen könnte. Mai­e­ron rät dazu, den Pati­en­ten zu bit­ten, einen Schluck Was­ser zu trin­ken. „Das Zuschauen hilft wei­ter: Wenn die Unfä­hig­keit darin besteht, das Was­ser bis zur Spei­se­röhre zu trans­por­tie­ren, liegt sehr wahr­schein­lich eine neu­ro­lo­gi­sche Sym­pto­ma­tik der Hirn­ner­ven vor.

Zur wei­te­ren Basis­dia­gnos­tik zählt neben der HNO-Inspek­tion die Gas­tro­sko­pie, um auf eine Ent­zün­dung der Spei­se­röhre hin abzu­klä­ren, sowie das Schluck­akt-Rönt­gen, um den funk­tio­na­len Ablauf des Schluck­akts abzu­bil­den. Hier kön­nen funk­tio­nelle und mor­pho­lo­gi­sche Stö­run­gen wäh­rend des Trans­ports von der Mund­höhle bis zum Magen dia­gnos­ti­ziert und quan­ti­ta­tive Aspekte beur­teilt wer­den. Bei Ver­dacht auf eine Achala­sie sollte außer­dem eine Spe­zi­al­dia­gnos­tik mit hoch­auf­lö­sen­der Mano­me­trie der Spei­se­röhre durch­ge­führt werden.

„Eine Erkran­kung, die wir heute häu­fi­ger sehen als noch vor zehn Jah­ren – oder die wir damals noch nicht rich­tig dia­gnos­ti­zie­ren konn­ten – ist die eosi­no­phile Öso­pha­gi­tis“, berich­tet Mai­e­ron aus der Pra­xis. Mit einer Prä­va­lenz von 40 bis 50 pro 100.000 Ein­woh­ner und einer jähr­li­chen Neu­erkran­kungs­rate von fünf bis zehn pro 100.000 sei die eosi­no­phile Öso­pha­gi­tis „keine sel­tene Krank­heit“, so Mai­e­ron. Die Ursa­che ist noch unklar. Wahr­schein­li­che Ursa­che der eosi­no­phi­len Öso­pha­gi­tis ist eine gestörte Bar­rie­re­funk­tion. Durch die Expo­si­tion der Abwehr­zel­len gegen­über dem Nah­rungs­brei kommt es zur Akti­vie­rung der T‑Zellen, die zu einer letzt­lich immun­ver­mit­tel­ten Ent­zün­dung führt. Viele Pati­en­ten mit eosi­no­phi­ler Öso­pha­gi­tis lei­den außer­dem an Ato­pie, Asthma oder einer Nah­rungs­mit­tel­all­er­gie. „Es besteht sicher ein Zusam­men­hang mit All­er­gien, da es ja zu einer Ein­wan­de­rung der Eosi­no­phi­len kommt. Aber es gibt keine guten Daten, die die Zunahme der Häu­fig­keit erklären.“

Häu­figs­tes Erst­sym­ptom einer eosi­no­phi­len Öso­pha­gi­tis ist die Bolus-Obstruk­tion, berich­tet Mai­e­ron. „Pati­en­ten bleibt die Nah­rung in der Spei­se­röhre ste­cken, sodass sie teils nicht mehr ihren eige­nen Spei­chel schlu­cken kön­nen. In der Regel führt das rasch zu einer Vor­stel­lung in der Not­auf­nahme und einer aku­ten Gas­tro­sko­pie.“ In der Endo­sko­pie wer­den bei rund 75 Pro­zent der Pati­en­ten makro­sko­pi­sche Ver­än­de­run­gen sicht­bar, wie weiße Ringe, Exsu­date, eine Krepp-Papier-Mukosa oder eine Tra­chea­li­sie­rung der Spei­se­röhre. Für die Dia­gnose ‚eosi­no­phile Öso­pha­gi­tis‘ soll­ten min­des­tens sechs Pro­ben pro­xi­mal, zen­tral und distal aus dem Öso­pha­gus genom­men wer­den; außer­dem soll­ten Läsio­nen biop­siert wer­den. Der Nach­weis von min­des­tens 15 Eosi­no­phi­len pro hoch­auf­lö­sen­dem Gesichts­feld (high power field) erfüllt die Diagnosekriterien.

Die eosi­no­phile Öso­pha­gi­tis wird typi­scher­weise mit einem topi­schen Ste­roid, das an der Öso­pha­gus­wand anhaf­tet, behan­delt. Die­ses wird über vier bis sechs Wochen ange­wen­det; rund drei Vier­tel der Pati­en­ten spre­chen auf diese Behand­lung an. „Aller­dings haben wir eine extrem hohe Rezi­div­rate“, erklärt Mai­e­ron. „Wir neh­men daher an einer Stu­die teil, die unter­sucht, ob Pati­en­ten eine Lang­zeit- Behand­lung mit einem topi­schen Ste­roid benö­ti­gen.“ Alter­na­tiv könne auch ver­sucht wer­den, Pati­en­ten mit hoch­do­sier­ten Pro­to­nen­pum­pen- Hem­mern zu behan­deln. Aller­dings liegt die Ansprech­rate hier nur bei 30 Prozent.

Unter­schätz­tes Problem

„Schluck­stö­run­gen sind ein häu­fi­ges Pro­blem, das bis dato unter­schätzt wird, vor allem die neu­ro­ge­nen Dys­pha­gien“, erklärt Chris­tof Bocks­ru­cker von der Abtei­lung für Neu­ro­lo­gie am Kar­di­nal Schwar­zen­berg Kli­ni­kum im Pon­gau. Sowohl Erkran­kun­gen des Zen­tral­ner­ven­sys­tems als auch des peri­phe­ren Ner­ven­sys­tems, neu­ro­mus­ku­läre Erkran­kun­gen und neu­ro­de­ge­nera­tive Erkran­kun­gen kön­nen beglei­tend Schluck­stö­run­gen ver­ur­sa­chen. „Im Spät­sta­dium von Demen­zen sind Schluck­stö­run­gen eben­falls häu­fig. Sie kön­nen Aspi­ra­ti­ons­pneu­mo­nien, und damit durch­aus lebens­ge­fähr­li­che Situa­tio­nen, aus­lö­sen“, betont Univ. Doz. Udo Zifko von der Abtei­lung für Neu­ro­lo­gie im Evan­ge­li­schen Kran­ken­haus Wien. Auch die direkte Ner­ven­ver­sor­gung der Mund­höhle kann betrof­fen sein und den Nah­rungs­trans­port bezie­hungs­weise das Schlu­cken erschweren.

Die häu­figste Ursa­che für eine neu­ro­gene Schluck­stö­rung ist der Insult, wie Bocks­ru­cker betont. „Rund die Hälfte aller Schlag­an­fall-Pati­en­ten zeigt – mehr oder weni­ger starke –Schluck­stö­run­gen.“ Schluck­stö­run­gen in Folge eines Schlag­an­falls füh­ren, so Bocks­ru­cker, zu einem deut­lich erhöh­ten Risiko für Kom­pli­ka­tio­nen wie der Aspi­ra­ti­ons­pneu­mo­nie. Sie ver­schlech­tern nach­weis­lich das Out­come und erhö­hen die Mor­ta­li­tät. Beson­ders bei schwer­wie­gen­den Multi-Infarkt­syn­dro­men kön­nen meh­rere für die Steue­rung des Schlu­ckens benö­tigte Areale im Gehirn betrof­fen sein, ergänzt Zifko. „Bei vie­len Infark­ten kann es zu ver­lang­sam­tem Schlu­cken und einer dys­ar­thri­ti­schen Sprech­weise kommen.

Häu­fig kommt es auch im Rah­men von dege­ne­ra­ti­ven Erkran­kun­gen zu einer Schluck­stö­rung. „Bei Mor­bus Par­kin­son tritt häu­fig vor allem im län­ger­fris­ti­gen Ver­lauf eine Schluck­stö­rung auf, die die Lebens­qua­li­tät erheb­lich ein­schränkt“, berich­tet Bocks­ru­cker. Bei Pati­en­ten mit Mor­bus Par­kin­son kön­nen meh­rere Ele­mente des Schlu­ckens beein­träch­tigt sein, erläu­tert Zifko. „Auch eine ver­lang­samte Moto­rik und die Ver­stei­fung am Rumpf ver­lang­sa­men den Essens­trans­port und den Spei­chel­trans­port, bei fort­ge­schrit­te­nen Fäl­len kommt es zu Ver­schlu­cken und Man­gel­ver­sor­gung.“ Außer­dem kann es zu Droo­ling, dem Abrin­nen von Spei­chel, kom­men. Die Schluck­stö­rung ist Teil einer auto­no­men Stö­rung, die auch für die Ver­sor­gung mit Medi­ka­men­ten von Rele­vanz ist. Auf­grund der ver­zö­ger­ten Frei­set­zung der Wirk­stoffe im Darm­trakt ist daher für man­che Medi­ka­mente die Nut­zung einer Duo­den­al­sonde notwendig.

Hin­weise auf neu­ro­gene Dys­pha­gien kön­nen indi­rekt sein wie wie­der­holt erhöhte Ent­zün­dungs­zei­chen, Hüs­teln oder Räus­pern nach dem Essen. „Das sind typi­sche ana­mnes­ti­sche Hin­weise, die Pati­en­ten berich­ten. Ande­rer­seits sollte man nach die­sen Zei­chen auch aktiv fra­gen, etwa bei Par­kin­son-Pati­en­ten oder Pati­en­ten mit ALS“, rät Zifko.

Ob die Schluck­stö­rung als pri­mä­res Sym­ptom oder als Teil meh­re­rer Sym­ptome auf­tritt, hängt von der pri­mä­ren Ursa­che ab. „Bei Pati­en­ten mit einem Schlag­an­fall ist die Schluck­stö­rung einer von meh­re­ren gro­ben Aus­fäl­len. Bei chro­ni­schen neu­ro­lo­gi­schen Erkran­kun­gen wie Par­kin­son oder MS tritt die Schluck­stö­rung eher im län­ge­ren Ver­lauf auf“, erklärt Bocks­ru­cker. Anhand der zum Krank­heits­bild pas­sen­den Begleit­sym­ptome und spe­zi­fi­schen Aus­fälle könne die Ursa­che für eine neu­ro­gene Dys­pha­gie ein­ge­grenzt wer­den. Außer­dem tritt die Dys­pha­gie manch­mal iso­liert, manch­mal gemein­sam mit einer Dys­ar­thrie auf, was eben­falls Hin­weise auf die Ursa­che lie­fert, erläu­tert Zifko. „Beim Multi-Infarkt­syn­drom, aber auch bei neu­ro­mus­ku­lä­ren Erkran­kun­gen und in ganz ande­rer Weise beim Mor­bus Par­kin­son kommt es zu einer Ver­än­de­rung der Arti­ku­la­tion. Für Par­kin­son ist etwa die leise, mono­tone Sprech­weise mit wenig Beto­nung charakteristisch.“

Gene­rell sei es ein­fa­cher, eine Schluck­stö­rung einer bereits bekann­ten Erkran­kung wie M. Par­kin­son oder ALS zuzu­ord­nen, als die Ursa­che bei einer Erkran­kung mit Schluck­stö­rung als füh­ren­dem Sym­ptom zu iden­ti­fi­zie­ren. Dys­pha­gie als füh­ren­des Sym­ptom kann etwa bei Myasthe­nia gra­vis auf­tre­ten, bei der die Impuls­über­tra­gung zwi­schen Nerv und Mus­kel ver­min­dert ist. „Das äußert sich typi­scher­weise so, dass das Essen zu Beginn kein Pro­blem ist. Im Laufe der Mahl­zeit erschöpft die Mus­ku­la­tur so stark, dass Essen unmög­lich wird. Oder der Pati­ent kann pro­blem­los früh­stü­cken, aber nicht Abend­essen. Da muss man in Rich­tung Myasthe­nia gra­vis abklä­ren“, berich­tet Zifko aus der Pra­xis. Bei Ver­dacht auf eine neu­ro­gene Dys­pha­gie sollte eine kli­nisch-neu­ro­lo­gi­sche Unter­su­chung erfol­gen, die etwa erfasst, wie der Gau­men­se­gel steht oder ob der Pati­ent einen Würg­re­flex aus­lö­sen kann. Erhär­tet dies den Ver­dacht auf eine neu­ro­lo­gi­sche Ursa­che, erfolgt eine neu­ro­lo­gi­sche Schluck­akt-Unter­su­chung mit­tels Endo­sko­pie. „Wenn eine endo­sko­pisch beob­acht­bare Abtrans­port­schwie­rig­keit der Nah­rung auf­tritt bezie­hungs­weise der Bolus nicht wei­ter­trans­por­tiert wird, so kann auf eine neu­ro­gene Schluck­stö­rung und ihr Aus­maß rück­ge­schlos­sen wer­den“, erklärt Zifko.

Neben­wir­kung von Medikamenten

Gleich­zei­tig sollte berück­sich­tigt wer­den, dass Schluck­stö­run­gen auch eine Neben­wir­kung von zahl­rei­chen Medi­ka­mente sein kön­nen, ins­be­son­dere von Neu­ro­lep­tika und man­chen Ben­zo­dia­ze­pi­nen, betont Bocks­ru­cker. „Wenn Schluck­stö­run­gen bestehen und keine Ursa­che gefun­den wird, so macht es Sinn, die Medi­ka­tion zu eva­lu­ie­ren.“ Auch psy­cho­gene Fak­to­ren kön­nen eine Schluck­stö­rung bedin­gen. Grund­sätz­lich sei es aber so, dass mit zuneh­men­dem Lebens­al­ter unab­hän­gig von spe­zi­fi­schen Erkran­kun­gen das Risiko für leichte Schluck­stö­run­gen steigt. So wurde laut Bocks­ru­cker in Stu­dien gezeigt, dass rund die Hälfte aller Bewoh­ner in Pfle­ge­hei­men an einer Schluck­stö­rung leidet.

Die The­ra­pie­mög­lich­kei­ten sind bei neu­ro­ge­nen Dys­pha­gien ähn­lich, aber begrenzt. So kön­nen etwa Schluck­trai­ning und das Erler­nen von Schluck­tech­ni­ken mit Logo­pä­den hel­fen. „Gerade Pati­en­ten mit Mor­bus Par­kin­son kön­nen mit Schluck­tech­ni­ken unter­stützt wer­den“, berich­tet Zifko. Außer­dem wer­den Elek­tro­sti­mu­la­ti­ons­ver­fah­ren ent­wi­ckelt, die den Schluck­me­cha­nis­mus elek­trisch sti­mu­lie­ren und die Rege­ne­ra­tion för­dern. „Wenn eine Schluck­stö­rung im Rah­men eines Schlag­an­falls auf­tritt, kön­nen Pati­en­ten mit Sti­mu­la­ti­ons­ver­fah­ren beglei­tend behan­delt wer­den, denn das för­dert die Wie­der­ak­ti­vie­rung des Schluck­me­cha­nis­mus“, erläu­tert Bocks­ru­cker. Bei Erkran­kun­gen, die nicht chro­nisch fort­schrei­ten, sei es über­dies ein­fa­cher, Ver­bes­se­run­gen zu erzie­len, als bei Krank­hei­ten, die im Ver­lauf schlech­ter werden.

© Öster­rei­chi­sche Ärz­te­zei­tung Nr. 12 /​25.06.2022