Arz­nei­mit­tel – Sicher­heits­netz für Qualität

25.05.2022 | Medizin

Ebenso wie bei Lebens­mit­teln tra­gen regel­mä­ßige unan­ge­kün­digte Kon­trol­len bei Her­stel­lern mit der Ent­nahme von Pro­ben zur Siche­rung der Qua­li­tät von Arz­nei­mit­teln bei. Der Rück­ruf von man­gel­haf­ten Char­gen ist laut Exper­ten der Beweis dafür, dass die Qua­li­täts­kon­trolle funktioniert. 

Manuela‑C. War­scher

Im Jahr 2020 waren es knapp 17 in allen EU-Mit­glieds­staa­ten zuge­las­sene Arz­nei­mit­tel, die auf­grund eines Qua­li­täts­man­gels von der der Euro­päi­schen Arz­nei­mit­tel­be­hörde (Euro­pean Medi cines Agency, EMA) zurück­ge­ru­fen wur­den. Kein Qua­li­täts­man­gel war lebens­be­droh­lich, viel­mehr erfolgte der Rück­ruf unter ande­rem wegen Män­geln an der Ver­pa­ckung oder am Eti­kett. „Rück­rufe von Arz­nei­mit­teln soll­ten grund­sätz­lich nicht ver­un­si­chern, son­dern viel­mehr beru­hi­gen“, sagt Univ. Prof. Michael Freiss­muth vom Insti­tut für Phar­ma­ko­lo­gie der Medi­zi­ni­schen Uni­ver­si­tät Wien. Denn sie seien der Beweis, dass die Qua­li­täts­si­che­rung funktioniere.

Nitros­amine in Valsartan

So wurde bei­spiels­weise im anti­hy­per­ten­siv wirk­sa­men Vals­ar­tan des chi­ne­si­schen Her­stel­lers Zhe­jiang Hua­hai Phar­maceu­ti­cals kan­ze­ro­ge­nes Nitros­amin (NDMA, Nitro­so­dimen­thyl­amin) gefun­den. Das Unter­neh­men hatte der Euro­päi­schen Auf­sichts­be­hörde (EDQM, Euro­pean Direc­to­rate for the Qua­lity of Medi­ci­nes & Health­care) sechs Jahre bevor Nitros­amin ent­deckt wurde, einen geän­der­ten Her­stel­lungs­pro­zess für Vals­ar­tan gemel­det und ein gül­ti­ges Zer­ti­fi­kat dafür erhal­ten. Kon­kret wurde damals bei der Vals­ar­tan-Syn­these ein Pro­zess­schritt abge­än­dert. Auf­grund eines Lösungs­mit­tels und Natri­um­ni­trit kann es zur Bil­dung von NDMA kom­men. Was damals fehlte, war die Anpas­sung der Ana­ly­tik für diese Modi­fi­ka­tion. Die Exper­ten der behörd­li­chen EU-Arz­nei­mit­tel-Kon­troll­la­bors haben – als Teil der Arz­nei­mit­tel­be­hör­den – in der Folge Pro­ben von am Markt befind­li­chen Wirk­stof­fen und Arz­nei­mit­teln auf NDMA getes­tet. „Arz­nei­mit­tel unter­lie­gen stren­gen Qua­li­täts­kon­trol­len. Behör­den zie­hen und über­prü­fen Pro­ben aus Arz­nei­mit­tel­char­gen und füh­ren regel­mä­ßig unan­ge­kün­digte Inspek­tio­nen bei Her­stel­lern durch“, erklärt Freiss­muth. Dabei über­wa­chen die natio­na­len und euro­päi­schen Behör­den die Ein­hal­tung der guten Her­stell­pra­xis und stel­len damit die Pro­duk­tion des Wirk­stof­fes und des Fer­tig-Arz­nei­mit­tels gemäß den zuge­las­se­nen Spe­zi­fi­ka­tio­nen sicher. Was bedeu­tet das nun in Bezug auf Nitros­amin? Die tole­rier­bare Menge von Nitros­amin hängt von der maxi­ma­len Tages­do­sis und der Ein­nah­me­dauer des Arz­nei­mit­tels ab. Das heißt: Bei einer täg­li­chen Dosis von 300 mg und lebens­lan­ger Ein­nahme sind 0,3 ppm (Teil pro Mil­lion) der Wirk­stoff­menge zuläs­sig. „Nun muss diese kleine Menge der Kon­ta­mi­na­tion mit­tels hoch­emp­find­li­cher Ana­ly­se­tech­ni­ken auf­ge­spürt wer­den“, so Freiss­muth. Wer­den übli­cher­weise Ver­un­rei­ni­gun­gen von einem Mil­li­li­ter in einem Liter iden­ti­fi­ziert, suchte man bei Nitros­amin die­sen Mil­li­li­ter in 33.000 Litern. Schließ­lich stellte sich her­aus, dass etwa 40 Pro­zent der Vals­ar­tan-hal­ti­gen Arz­nei­mit­tel ver­un­rei­nigt waren. „Natür­lich kann immer etwas pas­sie­ren – sowohl bei Ori­gi­nal- als auch bei Gene­rika-Her­stel­lern.“ In der Regel hät­ten Ori­gi­nal-Her­stel­ler aller­dings erst Pro­bleme, wenn sie die Fer­ti­gung aus­la­gern. „Bei­spiels­weise in die innere Mon­go­lei, wo große Fabri­ken ton­nen­weise Vor­läu­fer­sub­stan­zen für die Syn­these von phar­ma­zeu­ti­schen Pro­duk­ten herstellen.“

Stan­dar­di­sierte Prüf- und Testmethoden

Also „umso wich­ti­ger“ bezeich­net Freiss­muth daher stan­dar­di­sierte Prüf- und Test­me­tho­den, die eine vom Her­stel­lungs­ort unab­hän­gige kon­sis­tente Pro­dukt­qua­li­tät ermög­lich­ten. Ent­spre­chend sind im Euro­päi­schen Arz­nei­buch einer­seits Qua­li­täts­stan­dards für Arz­nei­mit­tel, ande­rer­seits kon­krete Sub­stan­zen, die in der Arz­nei­mit­tel­pro­duk­tion ange­wen­det wer­den dür­fen, defi­niert. So wur­den auch 2019 nach Abschluss des Prüf­ver­fah­rens durch die EMA neue Grenz­werte für Sar­tane fest­ge­legt und die Mono­gra­phien im Euro­päi­schen Arz­nei­buch ent­spre­chend abge­än­dert. Seit­her müs­sen Sar­tan-Her­stel­ler den Her­stel­lungs­pro­zess so modi­fi­zie­ren, dass die Ent­ste­hung von Nitros­amin-Kon­ta­mi­na­tion nicht mehr mög­lich ist. Außer­dem müs­sen die Her­stel­ler geeig­nete Kon­trol­len ein­füh­ren, um künf­tig Kon­ta­mi­na­tio­nen zu ver­hin­dern. Seit­her sind Pro­dukte, deren Nitros­amin-Werte diese Grenz­werte über­schrei­ten, in der EU verboten.


Qua­li­täts­kon­trolle von Arzneimitteln
Die Euro­päi­sche Kom­mis­sion (GD Sante) und Euro­päi­sche Arz­nei­mit­tel­agen­tur EMA arbei­ten eng mit den ein­zel­nen EU-Mit­glieds­saa­ten und diver­sen Part­ner­or­ga­ni­sa­tio­nen zusam­men. So gibt es bila­te­rale Ver­ein­ba­run­gen zur gsei­ti­gen Aner­ken­nung von Inspek­tio­nen der guten Her­stel­lungs­pra­xis. Die EU-Behör­den akzep­tie­ren dabei Unter­su­chungs­er­geb­nisse von ande­ren euro­päi­schen Behör­den in Bezug auf Qua­li­täts­män­gel oder Inspek­tio­nen. Die EU hat dies­be­züg­lich auch Ver­ein­ba­run­gen mit Aus­tra­lien, Kanada, Japan, Neu­see­land, der Schweiz und den USA. Mul­ti­la­te­ral arbei­tet die Euro­päi­sche Kom­mis­sion unter ande­rem mit dem Inter­na­tio­na­len Rat für die Har­mo­ni­sie­rung der tech­ni­schen Anfor­de­run­gen an Human-Arz­nei­mit­tel (ICH) und der Euro­päi­schen Direk­tion für die Qua­li­tät von Medi­ka­men­ten (EDQM) zusammen.


© Öster­rei­chi­sche Ärz­te­zei­tung Nr. 10 /​25.05.2022