Ärzte gegen Atomwaffen: Überzeugungsarbeit notwendig

25.01.2022 | Medizin

Im März 2022 wird unter UN-Hoheit von den Mitgliedsstaaten des Atomwaffen-Verbots-Vertrags die Mitgliedsstaatenkonferenz in Wien abgehalten. Im Zuge dessen soll eine noch größere Breitenwirkung erzielt und die Bevölkerung über die Auswirkungen von Atomwaffen informie.rt werden.

Nicht nur die Entsteung von Karzinomen, sondern auch die Anämie, Grüner Star, Keloide und angeborene Missbildungen können auf die Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki vor mehr als 75 Jahren zurückgeführt werden. „Schon die Bombe von Hiroshima mit einer Sprengkraft von 20 Kilotonnen führte zum sofortigen Tod von 118.661 Menschen“, bestätigt Klaus Renoldner, Präsident der IPPNW (International Physicians for the Prevention of Nuclear War) Österreich. Dazu kamen zehntausende Opfer durch Spätfolgen. Heute existieren über 13.000 Atomwaffen, großteils mit einer wesentlichen höheren Sprengkraft. Eine einzige Bombe könnte Millionen Menschen töten, der Einsatz aller Waffen den größten Teil der Erde.

Die mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnete Ärzteorganisation gegen Atomwaffen IPPNW ist seit 1982 auch in Österreich aktiv und konnte seither bei der Sichtbarmachung der Langzeitfolgen von Atomwaffen und ihrem Verbot wesentlich (Renoldner) mitgestalten. Seit den 1990er Jahren gab es Gespräche mit den Leitern der Abteilung für Abrüstung, Rüstungskontrolle und Nicht-Verbreitung im österreichischen Außenministerium, berichtet Renoldner. Der Vertrag (Treaty on the Prohibition of Nuclear Weapons, TPNW) wurde im Juli 2017 in New York von einer Mehrheit der UN-Mitgliedsstaaten befürwortet und trat laut UN-Recht mit 22. Jänner 2021 nach der Unterzeichnung durch den 50. Mitgliedsstaat als internationales Recht auch in Österreich in Kraft. „Auch wenn die neun Atomwaffenstaaten den Vertrag boykottieren, ist er von essentieller Bedeutung. Öster reich hat ihn daher auch als einer der ersten Staaten unterzeichnet“, so Renoldner.

Soziale und psychische Folgen

In den ersten beiden Jahren nach dem Abwurf der Atomwaffen auf Hiroshima und Nagasaki nahm die Zahl der Obdachlosen in beiden Regionen zu. Rund 4.000 Kinder verloren ihre Eltern; die Dunkelziffer dürfte jedoch wesentlich höher liegen. Die Infrastruktur war zerstört und die letzten Trümmer waren erst vier Jahre nach dem Angriff beseitigt. Darüber hinaus führten Traumatisierungen, Schuldgefühle gegenüber den Verstorbenen und die Stigmatisierung der Überlebenden zu psychischen und psychosomatischen Störungen. Renoldner dazu: „Diese ersten Atombomben hatten ‚lediglich‘ eine Sprengkraft von maximal 20 Kilotonnen, 13 davon sind explodiert. Heute haben Atombomben eine um den Faktor 1.000 größere Sprengkraft und damit auch eine um den Faktor 1.000 stärke Auswirkung auf Gesundheit, Psyche, Wirtschaft und Sozialleben.“

Die laut Renoldner einzige Lösung gegen die Bedrohung durch die heutigen Atomwaffen: eine Atomwaffen-freie Welt. Der Atomwaffenverbotsvertrag (AVV) legt den Grundstein dafür. Rund 122 Atomwaffen-freie Staaten – darunter Österreich – sind Teil dieser Initiative; 87 Staaten haben den AVV bereits unterzeichnet. Zur ersten Staatenkonferenz des AVV werden am 22. und 23. März 2022 zahlreiche internationale Vertreter der Mit-gliedsstaaten, Beobachterstaaten und NGOs in Wien erwartet. „Es ist uns wichtig, auf das atomare Aufrüsten und auf die Nicht-Beachtung von Artikel VI des Nicht-Verbreitungsvertrags (NPT) durch die Atomwaffenstaaten hinzuweisen“, so Renoldner. Und weiter: „Im März möchten wir noch mehr politische Repräsentanten, Ärzte und Zivilpersonen auf die Gefahren der Atomwaffen hinweisen“. Auch wenn dabei die internationale Kooperation essentiell sei, dürfe nicht die lokale Sensibilisierungsarbeit durch die Vertrauensperson Arzt unterschätzt werden. Das aktive Ansprechen, dass die einzig sichere Vorbeugung vor Gesundheitsbedrohung durch die genannten Atomkriegsfolgen nur die Abschaffung der Atomwaffen ist sei daher wichtig und „begrüßenswert“.

  • Tipp
    Eine Posterausstellung zum Thema steht Spitälern und Bildungseinrichtungen zur Verfügung. Nähere Informationen gibt es unter office@ippnw.at

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 01-02 / 25.01.2022