Stand­punkt Harald Mayer: Reise ohne Rückkehr?

15.07.2022 | Aktuelles aus der ÖÄK

Dr. Harald MayerZahl­rei­che Medi­zin-Stu­den­tin­nen und ‑Stu­den­ten in Öster­reich genie­ßen nach den letz­ten Sum­ma­ti­ven Inte­grier­ten Prü­fun­gen (SIP) und der damit ver­bun­de­nen Been­di­gung ihres Regel­stu­di­ums die wohl ver­dien­ten Som­mer­fe­rien. Wenn sie von die­sen zurück­keh­ren, ent­schei­det sich nicht nur deren per­sön­li­che Zukunft, son­dern auch, wie es mit der öster­rei­chi­schen Gesund­heits­ver­sor­gung weitergeht.

Bei der Rück­kehr vom Ver­gnü­gen an öster­rei­chi­schen Bade­seen, vom Son­nen­ba­den an der Adria oder am Strand einer grie­chi­schen Insel sollte der bei uns top-aus­ge­bil­dete Ärz­te­nach­wuchs eines ganz drin­gend vor­fin­den: Eine Ein­la­dung eines Kran­ken­haus­trä­gers für eine Ausbildungsstelle!

Wäh­rend sich die einen im Som­mer ver­dien­ter­ma­ßen erho­len, dür­fen sich die Trä­ger, und somit vor allem die Bun­des­län­der, nicht aus­ru­hen. Sie müs­sen auf die Absol­ven­tin­nen und Absol­ven­ten zuge­hen und ihnen aktiv eine Aus­bil­dungs­stelle anbie­ten. Falls nicht, wer­den wir zuse­hen müs­sen, wie unsere jun­gen Kol­le­gen mit offe­nen Armen in der Schweiz und in Deutsch­land auf­ge­nom­men wer­den und dort ihre Kar­riere star­ten. Dann geht deren Reise wei­ter – aber ohne Retour-Ticket.

Erst vor kur­zem hat die Bun­des­ku­rie der ange­stell­ten Ärzte der ÖÄK dar­auf hin­ge­wie­sen, dass die Trä­ger viele bereits geneh­migte Aus­bil­dungs­stel­len – in eini­gen Fächern bis zu 50 Pro­zent – ein­fach nicht beset­zen. Ein unhalt­ba­rer Zustand. Wir kön­nen uns nicht immer vor dem dro­hen­den Ärz­te­man­gel fürch­ten, dem Damo­kles­schwert über unse­rer Gesund­heits­ver­sor­gung, wir kön­nen nicht immer jam­mern, dass es kei­nen Ärz­te­nach­wuchs gibt, wenn wir gar keine Aus­bil­dung zulas­sen und diese blockieren!

Dabei ist die Aus­bil­dung und deren Qua­li­tät – das zei­gen aktu­elle Stu­dien – unse­ren Jun­gen extrem wich­tig. Dazu muss aber Aus­bil­dung wirk­lich ernst genom­men und mit dem ent­spre­chen­den Enga­ge­ment und dem dafür nöti­gen Zeit­auf­wand durch­ge­führt wer­den. Zeit, die aus­schließ­lich fürs Leh­ren und Ler­nen sowie für Feed­back genutzt wird, ist im kli­ni­schen All­tag lei­der viel zu rar. Wenn wir hier nicht sofort Res­sour­cen schaf­fen und uns auch mutig an fle­xi­blere, zeit­ge­mäße Arbeits­zeit­mo­delle und inno­va­tive Ideen wagen, um unse­rem Ärz­te­nach­wuchs zu signa­li­sie­ren, dass uns des­sen Aus­bil­dung wirk­lich am Her­zen liegt, wer­den wir die Rech­nung bald prä­sen­tiert bekom­men – und drun­ter wer­den in Dun­kel­rot Begriffe wie „Ärz­te­man­gel“ und „Qua­li­täts­ver­lust“ stehen.

Dr. Harald Mayer
2. Vize-Prä­si­dent der Öster­rei­chi­schen Ärztekammer

© Öster­rei­chi­sche Ärz­te­zei­tung Nr. 13–14/ 15.07.2022