Standpunkt Harald Mayer: Primarii dringend gesucht!

10.11.2022 | Aktuelles aus der ÖÄK

Dr. Harald MayerAlle reden über den drohenden Ärztemangel, über unbesetzte Dienststellen in den Spitälern und Versorgungslücken in der Gesundheitsversorgung – dazu habe ich mich mehrfach mit konkreten Lösungsansätzen, etwa mit meinem Zehn-Punkte-Plan in der ÖÄZ 11, hinlänglich geäußert. Es rollt aber noch eine weitere Mangelerscheinung auf uns zu: der Mangel an Primarärzten. Denn die bittere Wahrheit ist: Die Nachfrage, Primararzt zu werden, sinkt rapide.

Was sind die Gründe? Das System verlangt von einem Primar, die so genannte „eierlegende Wollmilchsau“ zu sein: dieser soll grandiose Führungspersönlichkeit und hochspezialisierter Spitzenmediziner in einem sein und auch noch Management-Fähigkeiten mitbringen, um die Abteilung wirtschaftlich-strategisch erfolgreich führen zu können. Und das bei einem Gehalt, das längst nicht mehr den zu erbringenden Leistungen entspricht.

Es wird noch kurioser: Weil es zu wenig Primare in den österreichischen Spitälern gibt, werden jene, die sich doch breitschlagen lassen, in vielen Fällen von den Spitalsträgern auch noch mit Doppelt- oder Dreifach-Primariaten „versorgt“, um diesen Engpass zu verschleiern. Damit erhöht sich auch die Anzahl jener Mitarbeiter, die geführt und motiviert werden müssen. Da bleibt keine Zeit mehr, um auch noch als Ansprechpartner für die Ausbildungsärzte da zu sein oder sich als Wissensvermittler um die Turnusärzte zu kümmern – selbst wenn man es wollte. Und die Ausbildung ist uns Ärzten ein wahrhaft großes Anliegen.

Die Realität sieht aber noch bitterer aus: Der Primar ist in vielen Krankenhäusern die erste Personalreserve, wenn es brennt und Personalengpässe aufgefangen werden müssen, ehe eine Abteilung an die Wand fährt. Dazu möchte ich Ihnen auch das Interview mit meinem Stellvertreter in der Bundeskurie für angestellte Ärzte, Rudolf Knapp, auf Seite 11, ans Herz legen – er skizziert dort als Leiter des Primarärzte-Referats der ÖÄK die Herausforderungen für den Primararzt der Zukunft.

Wir haben in unserem Land also nicht nur das Problem, dass wir es kaum schaffen, unsere Jungärzte im Land zu halten, sondern auch das Problem, dass bei uns eigentlich niemand mehr in einem Spital Karriere machen, sondern sobald wie möglich das öffentliche Gesundheitssystem verlassen, will. Wenn wir jetzt nicht schnell umdenken und handeln, droht auch dem Führungssystem der Kollaps.

Dr. Harald Mayer
2. Vize-Präsident der Österreichischen Ärztekammer

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 21 / 10.11.2022