Interview Michael Sacherer: „Respekt und Wertschätzung sind wichtig“

26.09.2022 | Aktuelles aus der ÖÄK

Michael Sacherer, der neue Präsident der Ärztekammer Steiermark, spricht im Interview mit Sophie Niedenzu über die Arbeit im Spital, belastende Nachtdienste, den Medizin Aufnahmetest und eine großzügig bemessene Gesundheitsversorgung.

Was haben Sie sich für Ihre Funktionsperiode vorgenommen? Ich bin froh, dass wir jetzt die Situation im Bereich der Notärzte verbessern konnten, auch wenn es natürlich nie genug sein wird. Ganz generell bin ich jemand, der mit den Partnern, also beispielsweise dem Land, den Spitalsträgern oder den Kassen, unbedingt fair zusammenarbeiten und alle Probleme gemeinsam lösen will. Das heißt: sich zusammensetzen und gemeinsam konstruktive Lösungen entwickeln.

Was gefällt Ihnen an der Arbeit als Spitalsarzt? Die Arbeit im Spital ist erfüllend. Und zwar, weil wir täglich die Dankbarkeit der Kranken erleben, denen wir als Ärzte helfen können. Aber es gibt Verbesserungsnotwendigkeiten. Ärzte ab 60 Jahren sollten keine Nachtdienste machen müssen. An der Grazer Medizin-Universität konnten wir das verwirklichen, aber das muss auch in allen Landeskrankenhäusern normal werden. Gleichzeitig brauchen wir die optimale Ausbildung für den jungen Ärztenachwuchs. Dass ein Drittel der Medizinabsolventen nach dem Studium aussteigt oder ins Ausland geht, darf nicht sein.

Welche Meilensteine hat es in der Steiermark bzw. Österreich gegeben, die zu einer Verbesserung der Arbeitssituation geführt hat? Die Senkung der Belastungen durch das Krankenanstalten-Arbeitszeitgesetz war wichtig. Daran darf nicht gerüttelt werden. Das hat die Lage deutlich verbessert. Ich denke, dass wir uns immer innerhalb des KA-AZG bewegen müssen.

Stichwort junge Generation: Was halten Sie davon, dass österreichweit viele private Medizinunis neben den öffentlichen bestehen? Ich habe überhaupt kein Problem mit privaten Hochschulen. Nur dürfen wir die öffentlichen Universitäten nicht verhungern lassen. Sie sind das Rückgrat der Medizin-Ausbildung vor der Ausbildung im Spital und der Lehrpraxis.

An den öffentlichen Medizinuniversitäten muss der MedAT gemeistert werden. Wie zielführend ist ein derartiger Zugangstest für Medizinstudierende? Der Test muss naturwissenschaftliches Wissen, Lernfähigkeit und besonders soziale Kompetenz ausgewogen bewerten. Soziales Engagement kann sicher stärker berücksichtigt werden. Das würde auch der Ehrenamtlichkeit einen Schub geben. Dass der Aufnahmetest für die drei öffentlichen Medizinuniversitäten harmonisiert wurde, ist ein wichtiger Schritt.

Welche Anreize müssten geschaffen werden, damit junge Ärzte nach ihrer Ausbildung in Österreich bleiben? Die Ausbildungs- und Arbeitsbedingungen müssen stimmen. In den öffentlichen Krankenhäusern, aber auch in der Niederlassung. Respekt und Wertschätzung sind immens wichtig. Sonst sind die Ärzte sofort weg.

Umgekehrt: Was müsste getan werden, damit erfahrene angestellte Ärzte auch bis ins hohe Alter im Spital bleiben, um die Weitergabe vom Know-how zu sichern? Die Arbeitsbedingungen müssen für die erfahrenen Ärzte passen. Belastende Nachtdienste gehören weg. Die Zeit für Ausbildung muss freigeschaufelt werden. Wenn jemand zum frühestmöglichen Zeitpunkt in Pension geht, weil er sich unter Druck gesetzt fühlt, hat das System versagt und den Zugang zu seinem Wissen und Können unmöglich gemacht.

Was zeichnet das österreichische Gesundheitssystem besonders aus? Die Pandemie hat gezeigt, dass wir in Österreich ausgezeichnete Ärzte und Pflegekräfte haben, die weit über das Normale hinaus für ihre Patienten kämpfen. Dieses Engagement muss bewahrt werden

Welche Lehren sollte man aus der Pandemie ziehen? Gesundheitsplanung, die die Versorgung nach unten nivelliert, sollte einer gewissen Großzügigkeit Platz machen. Ein Lockdown ist um vieles teurer als eine großzügig bemessene Gesundheitsversorgung.

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 18 / 25.09.2022