Dispensierrecht – Sicher und diskret

10.03.2022 | Aktuelles aus der ÖÄK

Mit einer neuen Kampagne fordert die Ärztekammer nun das Dispensierrecht für alle Ärzte. Eigentlich handelt es sich dabei um eine Forderung der Patienten, wurde bei der Präsentation der Kampagne „Ohne Umweg gesund“ klargestellt.

Sascha Bunda

Überall im niedergelassenen Bereich würden sich Patienten verstärkt an ihre Ärzte wenden, warum sie nicht gleich auch ihre Medikamente in der Ordination bekommen könnten, schilderte Naghme Kamaleyan-Schmied, Obfrau der Sektion Allgemeinmedizin der Ärztekammer für Wien und niedergelassene Kassenärztin, die aktuelle Situation. Im Rahmen einer Pressekonferenz präsentierte sie eine entsprechende Informationskampagne, die dieser Forderung nach mehr Patienten­service Nachdruck verleihen soll. Zur Untermauerung zitierte ­Kamaleyan-Schmied aus einer aktuellen Umfrage: Dieser zufolge sind 68 Prozent der 1.000 befragten Personen dafür, dass man Medikamente neben der Apotheke auch beim Arzt erhalten können sollte. Gleich 78 Prozent würden eine Medikamentenabgabe beim behandelnden Arzt begrüßen, weil es die Wege verkürzt.

Das sei auch ein zentrales Argument für das Dispensierrecht: Kranken Menschen und ihren Angehörigen könnten so damit oft lange Wege bis zur nächsten diensthabenden ­Apotheke erspart bleiben. „Die direkte Abgabe von Medikamenten in Ordinationen wäre ein Vorteil vor allem, aber nicht nur, für immobile Menschen, chronisch Kranke oder Eltern mit ­kleinen Kindern“, sagte die Allgemeinmedizinerin. Sie verwies in diesem Zusammenhang auch auf die Situation, wenn Ordinations­zeiten noch am späteren Abend stattfinden, wenn die Apotheken längst geschlossen haben. Dazu komme noch, dass das Dispensierrecht auch angesichts der demografischen Entwicklung und einer steigenden Zahl älterer Patienten an Bedeutung gewinnen werde.

Zudem gehe es auch um eine zentrale Vertrauensfrage: Aus ihrem Ordinationsalltag berichtete Kamaleyan-Schmied, dass viele Patienten Medikamentenverschreibungen bei für sie als tabuisiert erlebten Krankheiten in weiter entfernten Apotheken einlösen, um nicht vom Apothekenpersonal oder anderen Kunden erkannt zu werden: „Die Medikamentenabgabe durch verschreibende Ärzte würde diesem Diskretionsbedürfnis entsprechen, da Ärzte mit ihren Patienten allein im Behandlungszimmer sind und intime Details dort ohne Zuhörer angesprochen und besprochen werden können.“ In der Apotheke dagegen, wo viele Ohren mithören, sei die Diskretion nicht so leicht zu wahren, nur Hausärzte könnten dafür bürgen. „Auch daher fordern wir die direkte Medikamentenabgabe in Ordinationen, wie sie auch in den meisten Staaten weltweit üblich ist“, betonte Kamaleyan-Schmied, die aber auch darauf hinwies, dass es nicht darum gehe, Apotheken zu ersetzen. „Ergänzung, nicht Ersetzung“, laute das Motto, sprach sich die Allgemeinmedizinerin für ein duales System aus.

Johannes Steinhart, Vizepräsident und Kurienobmann der Österreichischen und der Wiener Ärztekammer, der aus Krankheitsgründen nicht an der Pressekonferenz teilnehmen konnte, betonte ebenfalls, dass die „beste, schnellstmögliche, diskrete, sichere und nahe Versorgung unserer Patienten mit den für ihre Gesundheit nötigen Medikamenten“ im Fokus der Forderung stehe. So könnte auch die Ordination in ihrer Rolle als „Best Point of Service“ gestärkt werden. Aufklärung, Beratung und Abgabe aus einer kompetenten Hand wäre ein großes Plus für die Patienten, unterstrich Steinhart. Therapietreue, Arzt-­Patienten-Beziehung und Patientensicherheit durch Vermeidung unnötiger Wege und Infektionsrisiko könnten zudem gestärkt werden.

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 05 / 10.03.2022