BKNÄ: Nachbesetzung Kassenstellen – Gipfelsieg statt Lücke

25.01.2022 | Aktuelles aus der ÖÄK

Mit einer eigenen Homepage suchte der Tiroler Kassenarzt Erwin Pfefferkorn eine Nachfolge für seine Stelle in einer der schönsten Wanderregionen des Landes. Die neuen Wege haben sich gelohnt – für ihn und für die Region.

Sascha Bunda

Landschaftsfotos, Interviews, FAQs – die Webseite landarztsuchtnachfolge.at gemahnt auf den ersten Blick an eine professionelle Tourismus-Homepage. Aber wie der Name schon sagt, geht es hier nicht um einen Urlaub im idyllischen Tannheimer Tal in Tirol, sondern um die kassenärztliche Versorgung. Erwin Pfefferkorn suchte so nach 30 Jahren Tätigkeit eine Nachfolge für seine Kassenarztstelle. Nachdem die Ausschreibung lange Zeit keine Interessenten hervorgebracht hatte, überlegte Pfefferkorn, der seine Pensionierung um drei Jahre verschoben hat, gemeinsam mit dem Bürgermeister seiner Gemeinde Alternativen. Sogar eine Inseratenkampagne in deutschen Zeitungen wurde angedacht, die Idee aber wegen der Ineffizienz und der Kosten wieder verworfen. Pfefferkorns Sohn entwickelte dann das Konzept für ein Interview-Video, das via Internet und andere diverse Kanäle verbreitet wurde und rasch erfolgreich war. „Es haben sich darauf bis zu zehn Interessenten gemeldet oder sich zumindest die Bedingungen angeschaut. Gute sechs Wochen nach Beginn der Kampagne war die Nachfolgerin gefunden, weil die Stelle sehr attraktiv ist und das Angebot unsererseits und der Gemeinde entsprechend gut war“, erzählt Pfefferkorn.

Während er sich vom herkömmlichen Ausschreibungsprozess wegen mangelnder Flexibilität und der Verweigerung neuer Medien enttäuscht zeigt, lobt er die Unterstützung durch seine Gemeinde. Schon bei der Gründung seiner Stelle vor 32 Jahren seien der damalige Bürgermeister und der Gemeinderat sehr engagiert an Pfefferkorns Seite gestanden. „Auch der heutige Bürgermeister war stets bereit, sich für die Suche einzusetzen, durch Kostenübernahme, durch den Bau einer neuen großzügigen Arztpraxis und Wohnung und durch das Entgegenkommen der neuen Kollegin gegenüber. Ohne die Kooperationen mit dem Bürgermeister, dem Gemeinderat und der Tourismusführung wäre es wohl nicht so schnell und gut gelungen“, sagt Pfefferkorn.

Begeisterung und Überzeugung

Besonders wirksam, um junge Mediziner für den Landarzt-Beruf zu begeistern, ist für den Tiroler die Lehrpraxis. Fast zehn Jahre lang habe er Studenten zur Ausbildung gehabt, im Schnitt fünf bis sechs pro Jahr. Diese kämen fast immer bereits mit klaren Vorstellungen, was sie danach machen wollen. Viele würden gerade ihre Diplomarbeit schreiben und werden dabei für dieses klinische Fachgebiet begeistert, überzeugt und „gefangen“, schildert Pfefferkorn. „Viele der jungen Kollegen staunen dann in der Lehrpraxis, was in einer modernen Landarztpraxis für ein breites, fundiertes, interessantes Spektrum an Medizin möglich ist“. Es sei dann aber schon relativ spät, weil viele schon eine Zusage oder zumindest Aussicht auf eine Assistentenstelle hätten. An der Uni würden sie davon leider zu wenig bis gar nichts hören, bemängelt Pfefferkorn: „Dort wird immer mehr das Spezialistentum gefördert und jeder der Chefs hält sein Fach für das Wichtigste und Beste.“

Das Wahlarztsystem trage laut Pfefferkorn ebenfalls zur Schwierigkeit bei, Kassenarztstellen zu besetzen. Viele Kollegen würden sich für den Weg ohne große bürokratische Arbeit und ohne Einbindung in einen ärztlichen Bereitschaftsdienst entscheiden. Generell sollten gewisse Abrechnungsschikanen abgeschafft und ein modernes System eingeführt werden, fordert der Tiroler. Zudem wäre es wichtig, einen Lehrstuhl für Allgemeinmedizin an der Uni zu schaffen – „mit entsprechender Ausbildungsordnung und Augenmerk auf Landärzte beziehungsweise medizinische Versorgung auf dem Land.“ Auch Hausapotheken seien eine conditio sine qua non, um einer weiteren Ausdünnung der Landarztpraxen vorzubeugen: „Die Hausapotheke ist ein absolut notwendiger Faktor, der das Landarztleben ermöglicht, insbesondere in den Jahren des Aufbaus und der Schuldentilgung“, ist Pfefferkorn überzeugt und verweist auf die Notwendigkeit neuer technischer Hilfsmittel für eine Landarzt-Praxis wie etwa Sonographie, digitales Röntgen und Entwicklung. Das sei zum Vorteil der Patienten: „Sie ist einfach notwendig, um gute Arbeit leisten zu können, effizient und patientengerecht zu arbeiten und ein wirtschaftliches Standbein zu haben.“

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 01-02 / 25.01.2022