BKAÄ: Interview Kim Haas und Raphaela Egger: Der Faktor Zeit

10.02.2022 | Aktuelles aus der ÖÄK

Kim Haas ist die Vertreterin der Turnusärzte in der Ärztekammer für Kärnten und Raphaela Egger die aktuelle Vertretung der Turnusärzte im LKH Klagenfurt. Beide arbeiten im LKH Klagenfurt – im Interview mit Thorsten Medwedeff sprechen sie über die täglichen Herausforderungen im Spital und wie die Pandemie die praktische Ausbildung negativ beeinflusst.

Wie viele Stunden arbeiten Sie im Spital, was sind die größten Herausforderungen? Die regulären Kerndienstzeiten als Turnusarzt variieren je nach Abteilung zwischen fünf und sieben Stunden pro Tag, die Anzahl der monatlichen Nachtdienste zwischen drei und sechs Diensten. Wegen des generellen Mangels an Turnusärzten kommt es oft zu Überstunden. Somit sind wir mehr als nur ausgelastet. Eine besondere Herausforderung stellen definitiv die administrativen Tätigkeiten dar. Daneben bleibt die praktische Ausbildung leider oft auf der Strecke. Der Turnusarzt dient in vielen Abteilungen außerdem immer noch als Systemerhalter. Das ist ein großes Problem, weil dadurch viele Wissensgrundlagen eines Allgemeinarztes nicht gleich erlernt werden können. Allerdings gibt es durchaus auch Abteilungen, in denen es anders abläuft und man sich große Mühe gibt, Jungärzte optimal auszubilden.

Was ließe sich gegen diesen Zeitmangel machen? Wünschenswert wäre eine effizientere Aufgabenverteilung und bessere Kommunikation zwischen dem pflegerischen und ärztlichen Personal. Durch die nötigen Rotationen an den Abteilungen gibt es deutliche Unterschiede bei der Arbeitsverteilung und -zuteilung für die Turnusärzte. So werden die aktuell durchzuführenden SARS-CoV2-Abstriche auf einer Station durch die Pflege, und zwei Schritte weiter, auf der nächsten Station, vom Turnusarzt durchgeführt. Diese Diskrepanz schafft Verwirrung und Unmut und führt oft zu unnötigen, zeitraubenden Diskussionen. Das geht manchmal so weit, dass deswegen die Ausbildung zum Allgemeinarzt abgebrochen und eine Assistenzarztstelle in einem anderen Fach angestrebt wird. In dieser Position ist die Aufgabenverteilung und Ausbildung besser geregelt, da entsteht weniger Frustration. Oft sind die Turnusärzte auch ‚Lückenbüßer‘ für Nacht- oder längere Dienste am Wochenende. Eine gerechtere Aufteilung zwischen Turnusärzten und Assistenzärzten wäre aus unserer Sicht daher wünschenswert. Das Hauptproblem stellt aber der latente Personalmangel dar, weshalb die erwähnten Probleme überhaupt erst entstehen.

Gibt es Modelle, die Österreich von anderen Ländern übernehmen könnte? Man muss gar nicht über die Grenzen schauen, denn auch in Österreich wird in manchen Spitälern das beliebte 12-Stunden-Dienst-Modell angeboten. Eine Kürzung der 24-Stunden-Dienste auf 12 Stunden würde die individuelle Leistungsfähigkeit der Ärzte verbessern – und beide Seiten würden davon profitieren, Arzt und Patient.

Welche Maßnahmen haben die Arbeitssituation verbessert, wie hat sich die Pandemie ausgewirkt? An manchen Abteilungen werden die Dienste bereits gerecht zwischen Assistenz- und Turnusärzten gesplittet, etwa bei den so genannten Longdays am Wochenende. Dadurch kommt es zu einer besseren Verteilung – mit dem Effekt, dass die Turnusärzte auch eine bessere Supervision durch die Assistenzärzte erhalten können. Die Pandemie hat sich bezüglich der praktischen Ausbildung der Turnusärzte leider negativ ausgewirkt. Für Operationen, deren Anzahl ist ja wegen der Pandemie reduziert, wurden vermehrt die Assistenzärzte herangezogen, da Turnusärzte an vielen Abteilungen nur als ‚Durchreisende‘ gesehen werden. Und die nun zu besetzenden COVID-19-Dienste haben primär Turnusärzte besetzt. Ende 2021 wurden bei uns auch Assistenzärzte und Fachärzte dafür herangezogen. Dies führte zu einer Entlastung der Turnusärzte.

Welche Verbesserungen würden Sie sich noch wünschen? Vor allem ist ein Umdenken im Umgang mit Turnusärzten dringend nötig: Wir sind keine Systemerhalter, sondern auszubildende Ärzte. Wir wünschen uns, dass wir während unserer Ausbildungszeit ein grundlegendes Wissen vermittelt bekommen, damit wir danach unseren Beruf als Allgemeinmediziner gewissenhaft und auf höchstem Niveau zum Wohl der Patienten ausüben können. Je besser wir ausgebildet sind, desto besser können wir später auch den extramuralen Bereich versorgen und die Krankenhäuser entlasten.

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 03 / 10.02.2022