BKAÄ: Interview Philipp Wimmer – Attraktivität steigern!

25.01.2022 | Aktuelles aus der ÖÄK

Philipp Wimmer ist HNO-Facharzt und stellvertretender Vorsitzender der Kurie für angestellte Ärzte in der Ärztekammer für Niederösterreich. Im Interview mit Thorsten Medwedeff spricht er über seine Sicht zur derzeitigen Situation der Jungärzte im Lande und wie man die Rahmenbedingungen attraktiver gestalten könnte.

Wie sieht Ihr derzeitiger Alltagsablauf aus und wie viele Stunden arbeiten Sie? Im Juli 2021 habe ich mein Anstellungsverhältnis im Universitätsklinikum St. Pölten beendet. Ich bin seither als Vertretungsarzt und Wahlarzt mit eigener Ordination tätig. Meine Arbeitszeit gestaltet sich dadurch sehr flexibel und ich kann diese gezielt an meine Bedürfnisse anpassen. Im Schnitt komme ich auf 20 bis 25 Stunden ärztliche Arbeitszeit in der Woche.

Sie engagieren sich ja auch in der Lehre – was genau machen Sie in diesem Bereich? Bereits in meiner Studienzeit habe ich mich im Rahmen der Österreichischen Hochschülerschaft für die Interessen der angehenden Jungärzte engagiert. Ein großes Anliegen war mir immer die Aus- und Weiterbildung. Aus diesem Grund habe ich noch im Studium das ‚Medizinische Aus- und Weiterbildungszentrum Wien‘ (Anm.: MAWZ Wien) gegründet. In diesem bin ich seither als Tutor und Vortragender im Rahmen von verschiedenen virtuellen und physischen Kursformaten wie zum Beispiel einem chirurgischen Knüpfkurs, einem Kurs zum Einstieg in die Klinik oder einem Ultraschallkurs tätig. Seit 2013 durfte ich meine Tipps und Tricks aus dem klinischen Alltag an über 3.000 Kollegen mit Erfolg weitergeben. In der Ärztekammer für Niederösterreich habe ich zudem im Rahmen der Ausweisverleihungen für Turnusärzte monatlich wertvolle Informationen zur Kammerpolitik, zur ärztlichen Ausbildung und zum Wohlfahrtsfonds gegeben. Derzeit ist die physische Veranstaltung pandemiebedingt leider ausgesetzt.

Welche (neuen) Arbeitszeitmodelle haben sich in den vergangenen Jahren bewährt – wo sehen Sie noch Verbesserungspotenzial? Beleuchtet man die Situation der Turnusärzte, sehe ich rückblickend auf die letzten Jahre keine Attraktivierung im Rahmen neu geschaffener Arbeitszeitmodelle. Ganz im Gegenteil: Angestellte Jungärzte werden nach wie vor sehr oft als Vollzeit-Systemerhalter eingesetzt. Mangelnde Flexibilität, fehlende Förderung von Talenten, ein harscher werdender Ton gegenüber der gesamten Ärzteschaft in unserer Gesellschaft, familienun-freundliche Arbeitszeiten oder Überbelastung im Klinikbetrieb sind meines Erachtens nur einige der Symptome einer sich immer weiter zuspitzenden Arbeitssituation in den Kliniken Österreichs.

Gibt es Maßnahmen, die aus Ihrer Sicht insbesondere für jüngere Ärzte wünschenswert wären? Ohne Flexibilisierung und Schaffung von attraktiven Teilzeitmodellen, welche beispielsweise Eltern ausreichend Zeit für ihre Kinder geben oder jungen Kollegen die Arbeit im niedergelassenen und angestellten Bereich ermöglichen, sehe ich die Arbeit in der Krankenanstalt immer unattraktiver werdend.

Neben der Work-Life-Balance ist auch die Ausbildungsqualität ein wichtiger Faktor für junge Ärzte, im Land zu bleiben. Wie sieht es Ihrer Erfahrung nach damit aus? Wir haben noch Luft nach oben! In der allgemeinmedizinischen Ausbildung werden Kollegen oftmals von Abteilung zu Abteilung gereicht und dort als besser bezahlte Schreibhilfen eingesetzt. Das ist meines Erachtens nicht der Sinn der Sache. In der Facharztausbildung hingegen setzt man Jungärzte oftmals lediglich in der Ambulanz ein oder drängt sie in Tätigkeiten, für welche diese zuvor nicht ausreichend geschult wurden.

Wie könnte es noch besser als bisher gelingen, junge Ärzte in Österreich zu halten? Welche verbesserten Rahmenbedingungen müssten geschaffen werden? Prinzipiell wünschen sich junge Ärzte eine adäquate und fachlich fundierte Ausbildung in Österreichs Kliniken. Dazu zählen neben den ‚Spezialitäten‘ des jeweiligen Fachbereichs auch die Routinetätigkeiten eines Arztes. Die Lehrpraxis, der derzeit am besten bewertete Ausbildungsabschnitt, sollte meines Erachtens nach weiter ausgebaut werden und neben der allgemeinmedizinischen Ausbildung auch in der Facharztausbildung etabliert werden. Flexible Arbeitszeitmodelle sollten bereits in der Ausbildungszeit nicht nur Eltern angeboten werden.

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 01-02 / 25.01.2022