Ärztekammer unterstützt Mental Health-Projekt: Hilfe für junge Köpfe

25.04.2022 | Aktuelles aus der ÖÄK

Angstzustände, Depressionen, Essstörungen – die Corona-Pandemie hat in der Seele vieler Kinder und Jugendlicher tiefe Spuren hinterlassen. Hilfe ist dringend nötig, daher unterstützt die Österreichische Ärztekammer auch gerne ein neues Mental Health-Projekt. Die ÖÄK fordert aber noch viel tiefgreifendere Maßnahmen.

„Die Ärztekammern warnen seit Jahren vor einer negativen Entwicklung in der Gesundheitsversorgung unserer Kinder und Jugendlichen, doch die Gesundheitspolitik hat das Problem ignoriert. Die Behebung dieser Mängel wird schon jetzt Jahre dauern, denn die Ausbildung von Fachärzten, insbesondere im Bereich Kinder- und Jugendpsychiatrie, geht nicht von heute auf morgen“, sagte Thomas Szekeres, Präsident der Österreichischen Ärztekammer bei der Präsentation des neuen Mental Health-Projekts „Gut, und selbst?“ (www.gutundselbst.at), das die ÖÄK unterstützt.

Das Projekt wurde von Schülerunion, ÖBVP (Bundesverband für Psychotherapie), ÖGKJP (Gesellschaft für Kinder und Jugendpsychiatrie) und IstOkay initiiert – dieses soll Awareness für das Problem schaffen, enttabuisieren und ermutigen und hat auch das Mental Health-Jugendvolksbegehren gestartet. „Wir brauchen in einem der reichsten Länder der Welt eine entsprechende medizinische Versorgung für unsere Kinder und Jugendlichen“, betonte Szekeres.

„Von Seiten der Kinder- und Jugendpsychiatrie besteht derzeit Freude über jegliche Initiative, die dazu beiträgt, das Thema der psychischen Gesundheit in unserer Gesellschaft abzubilden. Vor allem niederschwellige, präventive Angebote sind notwendig um möglichst früh den Beginn einer Problematik auszumachen und Hilfe anbieten zu können. Das passiert leider zu wenig“, zeigte sich auch Helmut Krönke, ÖÄK-Fachgruppenobmann für Kinder- und Jugendpsychiatrie über die Initiative erfreut, mahnte aber zugleich: „Derzeit kommt es vor allem durch die langen Wartezeiten zu Chronifizierung und Verschlechterung der Erkrankungsbilder. Aus unserer Sicht tut sich leider insgesamt zu wenig um die Kinder- und Jugendpsychiatrie, sowohl im stationären Bereich als auch in der Niederlassung zu entlasten.“

Psychiatrische Pandemie droht

Die Situation an der Klinik Hietzing, wo eine große kinder- und jugendpsychiatrische Einrichtung vor dem Kollaps steht, sei nur die Spitze des Eisbergs, so Krönke: „Vor allem für die am schwersten erkrankten Kinder wird damit die Versorgung in Österreich weiter ausgedünnt, die bisher ohnehin noch nie den üblichen Standard eines westeuropäischen Landes erreicht hat. Wenn zeitgleich darüber nachgedacht wird, die Refundierung der Wahlärzte zu kürzen oder zu streichen, die eine große, versorgungsrelevante Patientengruppe im Rahmen der Kinder- und Jugendpsychiatrie betreuen, muss man sich fragen, wieso dieser Sektor noch weiter geschwächt werden soll. Anstatt die Arbeitsbedingungen in den Spitälern zu verbessern, wird es den betroffenen Familien schwieriger gemacht sich psychiatrische Hilfe zu holen.“

Bereits vor der Corona-Pandemie und den Konsequenzen des Ukraine-Kriegs wurden in Österreich aus Sicht des Experten keine ausreichenden Mittel für die Versorgung der psychisch kranken Kinder und Jugendlichen aufgebracht. Gerade in dieser Situation seien daher umfangreiche Ressourcen erforderlich um die Ausbildung der Kinder- und Jugendpsychiater sicherzustellen, Lehrpraxen zu fördern, mehr Psychotherapieplätze zu finanzieren und die Arbeit in den Spitälern wieder attraktiver zu machen. Krönke: „In dieser Situation von Einsparungen zu sprechen oder zuzusehen lässt uns den Beginn der ‚psychiatrischen Pandemie‘ verschlafen.“

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 08 / 25.04.2022