Porträt Karoline Kollmann: CDK6-Kinase: Protein mit Doppelleben

10.04.2021 | Politik


Dass die CDK6-Kinase die Zellteilung bei hämatopoetischen Erkrankungen und Melanomen beschleunigt, ist bekannt. Neu ist, dass dieses Protein auch andere Funktionen in der Zelle reguliert, wie Karoline Kollmann kürzlich nachweisen konnte und dafür mit dem Elisabeth Lutz-Preis der Österreichischen Akademie der Wissenschaften ausgezeichnet wurde.
Ursula Scholz

Die zellintrinsischen Mechanismen haben mich immer schon am meisten interessiert“, erzählt Karoline Kollmann, die für ihre Forschungsarbeit zur CDK6-Kinase kürzlich den Elisabeth Lutz-Preis der Österreichischen Akademie der Wissenschaften erhalten hat. Fast immer war das Interesse da – müsste man sagen – denn ihr kindliches Interesse an der Biologie galt zunächst der Natur und den Tieren. Zu Beginn ihres Biologiestudiums, das die 38-Jährige in ihrer Heimatstadt Salzburg absolvierte, konnte sie in vielerlei Gebiete hineinschnuppern, wobei sich recht bald ihre Faszination für den Mikrokosmos und die innerzellulären Mysterien herauskristallisierte. Und zwar nicht mit dem Ziel der einsamen Erkenntnis im Elfenbeinturm, sondern der konkreten klinischen Anwendung. „Einerseits haben mich charismatische Professoren inspiriert, andererseits war mir bald klar, dass Krebs ein großes Thema mit ebenso großer Zukunft ist.“

Schritt in die Krebsforschung

Schon das Masterstudium ermöglichte ihr den erträumten Schritt in die Krebsforschung: mit einer Arbeit zum Hedgehog-Signalweg bei Brustkrebs. Dabei entdeckte sie ihre Leidenschaft für das Experimentieren im Labor, denn ihre Masterarbeit beinhaltete eine Kooperation mit dem Labor des pathologischen Institutes des Landeskrankenhauses Salzburg.

Zum PhD zog es Kollmann, der die experimentellen Möglichkeiten in Salzburg letztlich zu begrenzt waren, nach Wien an die Medizinische Universität. Und schließlich für fast vier Jahre nach Cambridge, wo sie am Cambridge Institute for Medical Research and Wellcome Trust/MRC Stem Cell Institute in der Gruppe von Anthony R. Green forschte. Nah am Patienten und in einer Phase bahnbrechender Erkenntnisse. Den Draht zu ihrer Mentorin in Wien, Professor Veronika Sexl, hielt Kollmann über all die Jahre aufrecht. Daraus erklärt sich auch ihr Wechsel an die Veterinärmedizinische Universität, obwohl ihre Forschungserkenntnisse durchaus auf die Heilung von Menschen ausgelegt sind. Sie folgte Sexl, als diese als Institutsleiterin für Pharmakologie an die Veterinärmedizinische Universität berufen wurde. In Sexl hat Kollmann eine Mentorin gefunden, die sie auch in noch so schwierigen Situationen verlässlich zu motivieren vermag.

Forschung & Familie im Gleichgewicht

In der Biographie von Kollmann sind – von außen betrachtet – keine Schwierigkeiten erkennbar. Denn der Elisabeth Lutz-Preis reiht sich in eine Vielzahl von Auszeichnungen, die die junge Forscherin bereits erhalten hat: vom Sanofi-Aventis Award über Novartis-Preise der Deutschen Gesellschaft für Pathologie, den ÖGMBT/BIOMIN-Forschungspreis, den die Österreichische Gesellschaft für Molekulare Biowissenschaften und Biotechnologie vergibt, bis zum Förderpreis des Fonds der Stadt Wien für innovative interdisziplinäre Krebsforschung. Zwischen ihren letzten beiden Preisverleihungen liegen ein paar Jahre Pause. Pause jedoch nur in Bezug auf berufliche Ehrungen, denn privat ereigneten sich dazwischen die Geburten ihrer beiden Kinder. Kollmanns ungebrochene Leidenschaft für den Beruf und das ebenbürtige Engagement ihres Partners bei der Kinderbetreuung haben dazu beigetragen, dass für sie die Mutterschaft nicht zum Karrierehindernis wurde.

In der Welt ihrer Kinder findet sie den willkommenen Ausgleich zu den Herausforderungen ihrer wissenschaftlichen Tätigkeit. „War der Arbeitstag anstrengend, kann ich sofort abschalten, sobald ich sie vom Kindergarten abhole.“ Und – so Kollmann – es funktioniert auch vice versa: „Machen meine Kinder gerade eine anstrengende Phase durch, gelingt es mir im Labor, meinen Fokus ganz auf die Arbeit zu richten.“ Eine Arbeit, die ihr so viel Freude bereitet, dass sie laut eigener Angabe am liebsten bis an ihr Lebensende daran weiterforschen würde.

Lieblingsmolekül CDK6-Kinase

Im Mittelpunkt ihres beruflichen Interesses steht die CDK6-Kinase, ein Protein, das beim Mammakarzinom, aber auch verschiedenen hämatopoetischen Erkrankungen und bei Melanomen in deutlich erhöhten Levels vorliegt. Bereits seit einiger Zeit ist bekannt, dass die CDK6-Kinase die Zellteilung in den Zellen der genannten Krebsentitäten beschleunigt. „Wir konnten mit unserer Arbeit zeigen, dass dieses Protein ein Doppelleben führt und noch ganz andere Funktionen in der Zelle reguliert: die Blutgefäßbildung für die Versorgung des Tumors, aber auch die Steuerung von Stammzellen-Aktivitäten. Letztlich haben wir aber noch immer nicht völlig verstanden, warum es in kranken Zellen zu dieser Konzentration von CDK6 kommt.“ Gegen die außer Kontrolle geratene Zellteilung durch CDK6-Kinase wurden bereits Inhibitoren entwickelt, die allerdings nur spezifische Funktionen außer Kraft setzen können. Nun befinden sich neue Wirkstoffe in Entwicklung, sogenannte Degrader-Moleküle, die das Protein selbst reduzieren und damit auch die weiteren unerwünschten innerzellulären Mechanismen hemmen sollen. Bis zu einem möglichen klinischen Einsatz werden allerdings noch ein paar Jahre vergehen, prognostiziert Kollmann.

Das Elisabeth Lutz-Preisgeld ermöglicht Kollmann, über den Zellenrand weiterzudenken und ihre Forschungsfragen zu vertiefen. „Jede Leukämieform hat ihr eigenes Proteinmuster, in dem CDK6 dann wieder anders wirkt. Da gibt es noch viel zu klären.“ Kollmann widmet sich außerdem der Frage, inwieweit CDK6, das sie bisher nur in wenigen Formen von Leukämie untersucht hat, auch in anderen hämatopoetischen Erkrankungen relevant ist. Aber auch die Auswirkung der CDK6-Inhibitoren auf umliegende gesunde Zellen möchte sie entschlüsseln.

Auf die Frage, welcher Forschertyp sie sei, der streng strukturierte oder der kreative drauflos experimentierende, antwortet Kollmann spontan: der kreative. „Beim Forschen zählt für mich auch der Spaßfaktor, die Möglichkeit, sich austoben zu können.“ Daneben lebt sie ihre kreative Ader aber auch in der Freizeit beim Nähen und bei der Gartenarbeit aus.

Motivation im Team 

Was ihr im Privaten die Familie bedeutet, ist ihr im Labor das Team. Mit den Menschen in ihrem Arbeitsumfeld habe sie durchwegs Glück gehabt und sei stets in motivierende Team-orientierte Gruppen gekommen, betont sie. Auch der Umzug von Cambridge nach Wien war eher privaten als fachlichen Gründen geschuldet – der familiären Unterstützung in der Zeit als Kleinkindmutter, aber auch den Bedenken vor dem Brexit. Der geistige Austausch mit den Kollegen in Cambridge findet allerdings nach wie vor statt und das berufliche Fortkommen sieht Kollmann durch die Rückkehr nach Österreich auch nicht gefährdet: „Ich habe den Eindruck, dass auch hier alles möglich ist“, lautet ihre optimistische Devise. Der für Jungforscher der Life Sciences reservierte und mit 15.000 Euro dotierte Elisabeth Lutz-Preis wird sie wohl darin bestärken.

 

 

 

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 7 / 10.04.2021