Porträt Daniel Schmid: Der Techniker im Arzt

10.11.2021 | Politik

Da es einen Simulator für Übungszwecke von Knüpftechniken bei laparoskopischen Operationen nicht gibt, hat ihn Daniel Schmid während seiner Ausbildung zum Facharzt für Allgemeinmedizin einfach selbst gebaut.
Ursula Scholz

Als wir eines Tages im Kollegium besprochen haben, wie gut es doch wäre, wenn man gewisse laparoskopische Operationstechniken zuvor üben könnte, bevor man direkt am Patienten arbeitet, ist der Techniker in mir durchgekommen. Eine derartige Übungsmöglichkeit wollte ich unbedingt selbst schaffen“, erzählt Daniel Schmid. Simulatoren ganz generell kannte er schon einige – von der Ausbildung und von Messen – aber eben keinen, der genau diese Aufgabe erfüllt. Der junge Kärntner Assistenzarzt – er wird heuer 30 Jahre alt – ist von klein auf Bastler und Tüftler und werkt gerne mit den eigenen Händen. Daher war es für ihn auch schon immer klar, dass er, sollte er wirklich Medizin studieren, ein chirurgisches Fach wählen würde. „Ich wollte direkt mit meinen Händen arbeiten. Dass es letztlich die Allgemein- und Viszeralchirurgie geworden ist, hat sich dann aus den Famulaturen ergeben.“ Gleich drei hat er auf der chirurgischen Abteilung im Krankenhaus des Deutschen Ordens in Friesach absolviert, wo er auch die Basisausbildung gemacht und seine Facharztausbildung begonnen hat.

Nische der Technik

Ursprünglich wäre für Schmid auch eine Karriere als Techniker in Frage gekommen. Als einer der ersten maturierte der Sohn eines Elektrikers an der HTL Klagenfurt mit dem Ausbildungsschwerpunkt Biomedizinische Technik/Elektronik. Und noch während des Medizinstudiums in Graz arbeitete er nebenberuflich im technischen Bereich, bei smaXtec animal care, einem Grazer Startup, das mittels Sensoren im Pansen von Kühen frühzeitig Erkrankungen detektiert. „An der Technik hat mich aber immer nur eine kleine Nische interessiert, nämlich eine, in der man wie ein Chirurg arbeitet.“ Da lag es näher, gleich Chirurg zu werden. Im Laufe der Ausbildung erweiterte Schmid seine Kompetenzen in Richtung Laparoskopie und stellte dabei fest: Am Bildschirm fehlt die dritte Dimension. „Was meine Hände in drei Dimensionen tun, sehe ich am Monitor immer nur zweidimensional. Diese Entkopplung von Bild und Bewegung erfordert einen zusätzlichen Denkprozess und daher spezielle Übung.“

Nach dem Gespräch mit den Kollegen über die Notwendigkeit einer Übungsmöglichkeit machte sich Schmid zu Hause an die Arbeit, einen Simulator zu bauen, mit dem Ziel, erst einmal die Knotentechnik bei der Fundoplicatio im geschützten Rahmen üben zu können. Er wählte dazu eine Open Source-Software auf Linux-Basis und adaptierte sie in einigen Punkten. Für die Hardware baute er eine Box aus möglichst vielen Standardkomponenten und ergänzte sie durch Spezialteile aus dem 3D-Drucker. Die Box stellt das Abdomen dar. Als Werkzeuge dienen die üblichen laparoskopischen Instrumente, gearbeitet wird am Gummiphantom und an Tupfern. Angedacht ist auch ein Versuch an einem Hühnerbein, denn der haptische Eindruck soll möglichst naturgetreu sein. In der Box befindet sich ein Minicomputer mit Kamera, die Bildübertragung erfolgt an das Smartphone oder ein Tablet. „Das Gerät, das den Bildschirm liefert, muss sich nur mit dem WLAN verbinden und ein Video aus dem Internet abspielen können. Das funktioniert mit einem Standardgerät, über das die meisten verfügen.“ Die Übungsplatten im Inneren seiner Simulator-Box sind modular zusammengestellt und können somit an die jeweilige Übungsaufgabe angepasst werden. Denn das Einsatzgebiet reicht natürlich weit über die Knotentechnik bei der Fundoplicatio hinaus. Simulieren lassen sich an dem von Schmid entwickelten Simulator diverse Schnitt-, Stich- und Knotentechniken und am Ende wird die Qualität der Arbeit, also beispielsweise die Genauigkeit und Belastbarkeit einer Naht, bei direktem Sichtkontakt überprüft.

Überschaubare Kosten

Bildqualität, Ausfallsicherheit und Lichtwellenlänge bei Darstellung der simulierten Operation können mit der Technik des echten Laparoskopieturms natürlich nicht mithalten. Aber für das Erlernen der feinen Bewegungskoordination ohne direkte Sicht auf den zu operierenden Bereich reicht die einfache Version. Diese punktet dafür mit sehr überschaubaren Kosten: „Die Software ist gratis und das genutzte Material ist um 50 bis 70 Euro erhältlich“, erläutert Schmid.

Als sein Simulator-Prototyp schließlich soweit ausgereift und einsatzbereit war – er entstand in der „Corona-Zeit“ –, nahm Schmid ihn mit auf die chirurgische Abteilung, wo sich dann auch die Kollegen an ihm versuchten. Die Resonanz war sehr positiv und sein Vorgesetzter Jörg Tschmelitsch, auch Ärztlicher Direktor des Hauses, nahm die Innovation des jungen Kollegen durchaus wohlwollend auf. „Nach den ersten praktischen Anwendungen musste ich nur mehr Kleinigkeiten wie die Einstellung des Kamerawinkels optimieren.“

Auch privat ein „Bastler“

Über die Infrastruktur für den Bau und das Programmieren des Simulators verfügte Schmid schon vorab im privaten Bereich. „Weil ich eben ein Bastler bin …“ Derzeit bastelt er vor allem am Hauszubau, eines seiner früheren Projekte war die Gestaltung der Funkzeitnehmung in seinem Heimat-Skiverein. Schmid verfügt selbst über eine Trainerlizenz im alpinen Skisport und fuhr eine Zeitlang auch Ski-Rennen. „Mittlerweile beschränken sich die Wettbewerbe auf die Ski-WM der Ärzte und Pharmazeuten und die österreichischen Ärzte-Meisterschaften im Skisport.“ Sollte es in der kommenden Saison Rennen geben dürfen, will Schmid wieder dabei sein. „Im Winter ist ja am Bau ohnehin nicht so viel zu tun …“

Mit Hausbau, der nachgeholten kirchlichen Hochzeit und der demnächst bevorstehenden Facharztprüfung war und ist Daniel Schmid in diesem Jahr mehr als ausgelastet. Sich anstehenden Herausforderungen mutig zu stellen entspricht durchaus seinem Naturell: „Wo mir ein Problem unterkommt, versuche ich, eine Lösung zu finden“, lautet sein persönliches Motto. Mit Ausdauer und Hartnäckigkeit – im Sport wie im Beruf – tastet er sich an seine perfektionistischen Eigenansprüche heran. Dass er als Nesthäkchen mit eineinhalb Jahrzehnten Abstand zu seinen Brüdern zur Welt gekommen ist, hat ihn offenbar nicht dazu verleitet, schwierige Aufgaben zu delegieren. Ganz im Gegenteil: Er verlangt doch ziemlich viel von sich selbst. Obwohl er erst im dritten Ausbildungsjahr ist, hat er sich zum frühestmöglichen Zeitpunkt zur Facharztprüfung angemeldet und verbringt derzeit jede freie Minute über den Lehrbüchern. Auch beim Klettern will er hoch hinaus und im Ausdauersport beweist er seine Zähigkeit. Daneben ist es ihm aber immer wichtig, anderen Menschen helfen zu können. „Deshalb bin ich ja auch Arzt geworden.“

Heimatverbunden

Seine Zukunftsvisionen kreisen um Sankt Walburgen bei Eberstein in Kärnten. Nach anfänglichen flüchtigen Überlegungen, im Anschluss an das Studium in Graz zu bleiben oder in die Osttiroler Heimat seiner Frau zu ziehen, hat er sich schließlich entschlossen, „daheim“ zu bleiben. In seinem derzeitigen Ausbildungskrankenhaus, jenem der Barmherzigen Brüder in St. Veit an der Glan, hofft Schmid auch nach abgeschlossener Ausbildung weiter arbeiten zu können. Neue Aufgaben und Herausforderungen werden sich sicher finden lassen.

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 21 / 10.11.2021