Kommentar Lukas Stärker: KA-AZG: Was ab 1. Juli 2021 gilt

10.06.2021 | Politik

Im Mai 2021 hat der Nationalrat eine weitere KA-AZG-Novelle beschlossen, die die Opt-out-Möglichkeit für weitere sieben Jahre verlängert und ab Juli 2025 die durchschnittliche Wochenarbeitszeit auf maximal 52 Stunden begrenzt.
Lukas Stärker*

1. Entwicklung und Status quo

Derzeit enthält das KA-AZG die Möglichkeit der Anhebung der zulässigen wöchentlichen Durchschnittsarbeitszeit durch Betriebsvereinbarung sowie bei Zustimmung der Arbeitszeitvertreter und der einzelnen Ärzte, die davon Gebrauch machen wollen (Opt out), auf 55 Stunden. Diese Regelung ist de lege lata mit 30.6.2021 befristet. Sie wurde im Jahr 2014 im Konsens mit den neun Bundesländern entwickelt, um den Bundesländern eine einmalige secheinhalb-jährige Übergangsfrist inklusive befristetem Opt out zur Ermöglichung der Umsetzung nachhaltiger Personalsicherungsmaßnahmen zu ermöglichen. Die Bundesländer haben von dieser Möglichkeit insofern nur bedingt Gebrauch gemacht, als nachhaltige Personalsicherungsmaßnahmen nur teilweise ergriffen wurden.

Parallel dazu sieht das derzeitige Regierungsprogramm auf Seite 268 eine „befristete Verlängerung des Opt-outs“ vor. Hinzu kam die jahrelange, massive Forderung seitens der Landespolitik gegenüber der Bundespolitik, das Opt out möglichst lange und mit möglichst hoher wöchentlicher Arbeitszeit zu verlängern.

Dem gegenüber wies vor allem die Ärztekammer stets darauf hin,

  • dass es hier um Arbeitnehmerschutz und Patientenschutz geht und
  • dass dem auch durch entsprechende Höchstarbeitszeiten Rechnung zu tragen sei und
  • dass 2014 eine einmalige Opt-out-Möglichkeit vereinbart wurde und die Länder zugesagt haben, diese zu nützen,
  • dass die Arbeitszeiten der Spitalsärztinnen und Spitalsärzte weit über jenen des Großteils der Bevölkerung liegen.

2. KA-AZG-Novelle 2021

Nach monatelangen Diskussionen und Vorgesprächen hat nun der Nationalrat am 20. Mai 2021 eine Novellierung des KA-AZG beschlossen, die vorsieht, dass auf Basis des bewährten Modus – Betriebsvereinbarung und Zustimmung der Arbeitszeitvertreter

– die durchschnittliche Wochenarbeitszeit

  • bis zum 30. Juni 2025 weiterhin bis zu 55 Stunden und
  • bis zum 30. Juni 2028 bis zu 52 Stunden

betragen darf.

Eine solche Arbeitszeitverlängerung ist darüber hinaus nur zulässig, wenn auch jeder davon betroffene Dienstnehmer dieser Arbeitszeitverlängerung im Vorhinein schriftlich zugestimmt hat.

Von der KA-AZG-Novelle 2021 nicht betroffen ist die Regelung über die maximale Dienstdauer bei verlängerten Diensten. Diese beträgt – sofern durch Betriebsvereinbarung und mit Zustimmung der Arbeitszeitvertreter zugelassen – seit Beginn dieses Jahres 25 Stunden.

3. Auswirkungen

Mit dieser KA-AZG-Novelle ist die Unsicherheit, wie es hinsichtlich Wochenarbeitszeit ab 1.7.2021 weitergeht, nunmehr für die kommenden sieben Jahre geklärt. Bestehende Betriebsvereinbarungen können meines Erachtens – sofern entsprechend formuliert – grundsätzlich aufrecht bleiben. Auf die dann folgende, ab 1.7.2025 geltende dreijährige zweite Stufe kann man sich nunmehr sowohl von Dienstgeber-, als auch von Dienstnehmerseite in Ruhe vorbereiten.

Diese Novelle ist ein Kompromiss zwischen den massiv divergierenden Interessen von Landespolitik bzw. Dienstgeberseite und Dienstnehmerseite. Der Bundesgesetzgeber hat hier nicht nur den Länderwunsch exekutiert, sondern einen Kompromiss beschlossen, der auch einen „Nachhaltigkeitsfaktor“ enthält. Gerade diese zweite Stufe mit der 52-Stunden-Obergrenze für die wöchentliche Durchschnittsarbeitszeit ist aus Arbeitnehmerschutz- und Patientenschutzsicht wichtig und ein Schritt in die richtige Richtung. Damit ist sichergestellt, dass die nächste KA-AZG-Novellierungsdiskussion in sieben Jahren auf Basis von nicht mehr als 52 Stunden im Wochenschnitt erfolgen wird. Diese Entwicklung in Richtung auf die laut EU-Arbeitszeitrichtlinie 2003/88 grundsätzlich geltenden 48 Stunden maximaler Durchschnittsarbeitszeit pro Woche ist der positive Aspekt dieser Novelle.

4. Bundesrat verzögert

Am 27. Mai 2021 war die Novelle zur Beschlussfassung im Bundesrat. Dort kam es jedoch zu einer Pattstellung und somit zu keinem Beschluss. Dies hat nun eine achtwöchige Verzögerung des Gesetzgebungsprozesses zur Folge. Interessant ist, dass die „Ländervertretung“ Bundesrat damit gegen Länderinteressen agiert hat, denn gerade die Bundesländer wollten ja eine Opt-out-Verlängerung.

5. Inkrafttreten

Diese Novelle wird wohl dennoch – und nunmehr rückwirkend – mit 1. Juli 2021 in Kraft treten. Aufgrund der Nichteinigung im Bundesrat wird jedoch die am zum Beispiel 5. Juli 2021 geltende Rechtslage an diesem Tag anders sein, als bei Betrachtung nach der Kundmachung dieser Novelle im BGBl, mit der Ende Juli 2021 zu rechnen ist. Dass damit dem Rechtsstaat und der Rechtssicherheit kein guter Dienst erwiesen wurde, ist evident.

*) HR Doz. (FH) Dr. Lukas Stärker ist Kammeramtsdirektor der ÖÄK

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 11 / 10.06.2021