COVID-19 als Berufskrankheit: Meldung bei Verdacht

25.03.2021 | Coronavirus, Politik


Personen, die in Gesundheitsberufen arbeiten, sind während einer Pandemie einem erhöhten Infektionsrisiko ausgesetzt. Schon der begründete Verdacht auf das Vorliegen einer beruflich erworbenen COVID-19-Infektion ist im Hinblick auf möglicherweise später auftretende Krankheitsfolgen zu melden.
Barbara Machan*

Die österreichische Liste der Berufskrankheiten umfasst derzeit 53 Positionen. Unter der Ziffer 38 finden sich Infektionskrankheiten, die bei besonders gefährdeten Berufsgruppen von den Unfallversicherungsträgern als Berufskrankheit (BK) anerkannt werden können. Die Berufsgruppen sind vom Gesetzgeber definiert, es handelt sich dabei um „Beschäftigte in Krankenhäusern, Heil- und Pflegeanstalten, Entbindungsheimen und sonstigen Anstalten, die Personen zur Kur und Pflege aufnehmen, öffentliche Apotheken, ferner Einrichtungen und Beschäftigungen in der öffentlichen und privaten Fürsorge, in Schulen, Kindergärten und Säuglingskrippen und im Gesundheitsdienst sowie in Laboratorien für wissenschaftliche und medizinische Untersuchungen und Versuche sowie in Justizanstalten und Hafträumen der Verwaltungsbehörden bzw. in Unternehmen, in denen eine vergleichbare Gefährdung besteht.“

Ein erhöhtes Infektionsrisiko im Rahmen von Epidemien ist für Personen, die in Gesundheitsberufen arbeiten, bekannt. So ergab eine aktuelle Branchenauswertung in Deutschland die größte Zahl an Erkrankungsfällen an COVID-19 bei Beschäftigten in der Krankenpflege und im Rettungsdienst, in der Altenpflege sowie in der Human- und Zahnmedizin. Der begründete Verdacht auf das Vorliegen einer beruflich erworbenen COVID-19-Infektion ist dem zuständigen Unfallversicherungsträger zu melden. In Österreich ist das in den meisten Fällen die AUVA. Die Meldeformulare stehen zum Download zur Verfügung – etwa unter www.auva.at. Bis Ende Februar 2021 wurden circa 6.000 Verdachtsfälle an die AUVA gemeldet.

Wann liegt ein begründeter Verdacht vor?

Ein begründeter Verdacht liegt jedenfalls dann vor, wenn ein Versicherter in einem der im Gesetz genannten Bereiche tätig und dabei im Zeitraum vor der Erkrankung in unmittelbarem Kontakt mit Infizierten beziehungsweise Erkrankten war. Auch eine Ansteckung bei erkrankten Mitarbeitern fällt unter den Versicherungsschutz. Weiters muss die Infektion mit dem Corona-Virus nachgewiesen sein. Die Meldung als Berufskrankheits-Verdacht soll auch dann erfolgen, wenn die Erkrankung einen milden Verlauf genommen hat, keine ärztliche Behandlungsbedürftigkeit bestand und der Versicherte folgenlos gesundet ist. Diese Anerkennung dem Grunde nach ist für eventuell später auftretende Krankheitsfolgen wichtig.

Wer meldet?

Die Meldung muss durch behandelnde Ärzte, Arbeitsmediziner und/oder den Dienstgeber erfolgen. Die Versicherten können auch selbst melden.  

Wie erfolgt die Anerkennung?

Voraussetzung dafür, dass die COVID-Erkrankung als Berufskrankheit 38 anerkannt werden kann, ist die überwiegende Wahrscheinlichkeit einer beruflichen Ansteckung. Speziell in Zeiten einer Pandemie mit einer weiten Verbreitung des Erregers ist die Abgrenzung von beruflichen und privaten Risiken oft sehr schwierig. Man kann davon ausgehen, dass in bestimmten Bereichen eine besonders hohe Gefährdung besteht. Dazu zählen unter anderem Abteilungen von Krankenhäusern, in denen Patienten mit COVID-19-Infektionen behandelt werden, intensivmedizinische Einheiten mit COVID-Patienten, Rettungsdienste und Pflege oder eine vergleichbare Tätigkeit in Altenwohn- und Pflegeheimen mit unmittelbarem Patientenkontakt, wenn in diesem Zeitraum Bewohner an COVID-19 erkrankt waren. Bei allen übrigen Fällen muss ein Kontakt zu mindestens einer benennbaren Infektionsquelle vorgelegen sein und die Übertragung nach Art des Kontaktes konkret möglich gewesen sein. Gegen das berufliche Infektionsrisiko abgewogen wird dabei auch die Wahrscheinlichkeit einer privaten Ansteckung.

Leistungen bei Anerkennung

Im Vordergrund steht die gezielte medizinische Rehabilitation. Bei länger anhaltenden Folgeerscheinungen einer COVID-19-Infektion – besonders nach einem schweren Verlauf – besteht das Angebot für stationäre Rehabilitationsprogramme auch in den Einrichtungen der Unfallversicherungsträger. Diese umfassen zum Beispiel Maßnahmen zur pulmonalen Rehabilitation, Herz-Kreislauf-Training, Physiotherapie und psychologische Betreuung.

Rentenleistungen können dann anfallen, wenn trotz aller Rehabilitationsmaßnahmen Krankheitsfolgen bestehen, die zu einer bleibenden Einschränkung im Erwerbsleben führen. Voraussetzung dafür ist eine andauernde Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 20 Prozent. Bei tödlichem Ausgang haben die Hinterbliebenen Anspruch auf Leistungen.

Menschen, die im Gesundheitswesen arbeiten, sind von der Corona-Pandemie in besonderem Maß betroffen. So sind sie nicht nur physisch und psychisch durch die Behandlung, Betreuung und Pflege von COVID-Kranken oft bis an die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit belastet. Sie sind auch trotz aller Schutzmaßnahmen in einem wesentlich höheren Ausmaß gefährdet, selbst an COVID-19 zu erkranken. Umso mehr sollte die Verpflichtung zur Berufskrankheits-Verdachtsmeldung wahrgenommen werden. Sie ist der erste Schritt dazu, dass diejenigen, die in Gesundheitsberufen arbeiten und dabei an COVID-19 erkranken, die Leistungen aus der Unfallversicherung erhalten können, die ihnen zustehen.

 

Literatur bei der Verfasserin

*) Prim. Dr. Barbara Machan,
AUVA Rehabilitationsklinik Tobelbad, Abteilung für Berufskrankheiten und Arbeitsmedizin, Dr. Georg Neubauerstr. 6, 8144 Tobelbad, Tel.: 0 59393 53700; E-Mail: barbara.machan@auva.at

 

 

 

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 6 / 25.03.2021