Kurz und informativ: Medizinische Kurzmeldungen

25.02.2021 | Medizin

Infektionen als Auslöser von Depressionen

Durch Entzündungsprozesse angeregt senden Mikroglia Prostaglandin E2 aus, das die Aktivität der umliegenden Nervenzellen dämpft und mitunter Depressionen auslösen kann. Unter Verdacht dafür stehen beispielsweise Infektionen mit Herpes-simplex, Epstein-Barr oder Varizella-Zoster. „Es gibt eine Gruppe von depressiven Menschen, die ein klinisch auffälliges Entzündungsprofil zeigt, ohne dass es dafür eine Erklärung gibt wie etwa eine akute Infektion“, so Michael Fritz von der Universitätsklinik Ulm, der zusammen mit Anna Klawonn und David Engblom von der Linköping Universität (Schweden) eine Studie an Mäusen durchführte. Sie aktivierten Mikrogliazellen in den Gehirnen der Tiere. Neben Interleukin-6, das besonders bei Suizid-Absicht vermehrt produziert wird, schütteten Mikroglia Prostaglandin E2 aus. Die Mäuse entwickelten daraufhin u.a. Unlust, Zuckersaft zu schlecken. Die Hemmung von Mikroglia erzeugte einen Umkehreffekt. „Vor allem Infektionen, die eher mild oder kaum bemerkt verlaufen sind mit einer Manifestation von Depression im späteren Leben assoziiert“, sagt Fritz. APA/Immunity

Synchrone Gamma-Wellen gleichen Gehörtes ab

Ein Echo im Kopf bei der Sprachverarbeitung verhindern synchrone Gamma-Wellen, wie Forscher aus der Schweiz, den Niederlanden und Frankreich um den Neurolinguisten Basil Preisig von der Universität Zürich herausfanden. Hintergrund: Töne erreichen das linke und rechte Ohr in der Regel zeitversetzt; die linke Gehirnhälfte ist für die Silben-Unterscheidung zuständig, die rechte für die Sprachmelodie. Die Zusammenführung der Informationen und die Synchronisation von Gamma-Wellen in den beiden Hirnhälften hängen dabei direkt zusammen, so die Erkenntnis. Für das Experiment spielten die Wissenschafter 28 Probanden über das rechte und linke Ohr eine zweideutige Silbe – einen Sprachlaut zwischen „ga“ und „da“ – sowie ein Klicken mit Fragmenten von „ga“ oder „da“ vor. Sie sollten das Gehörte anschließend wiedergeben, während man ihre Gamma-Wellen via elektrischer Stimulation störte: Synchrone Gamma-Wellen glichen die verschiedenen Informationen ab und vereinheitlichten das Gehörte. Den Experten zufolge eröffnet die Studie neue Möglichkeiten für die Behandlung von Krankheiten wie Tinnitus. APA/PNAS

300 Millionen

Menschen könnten bis zum Jahr 2040 von altersbedingter Makula-Degeneration (AMD) betroffen sein. Luftverschmutzung – vor allem Feinstaub und verbrennungsbedingte Artikel – ist laut einer britischen Langzeitstudie eine der Ursachen. Wer an einem besonders belasteten Wohnort lebt, hat eine um acht Prozent höhere Wahrscheinlichkeit, an AMD zu erkranken. APA/British Journal of Ophthalmology

Tumor Profiling unterstützt individualisierte Krebstherapie

Tumor Profiling mit besonderer Präzision ermöglicht die Entwicklung individualisierter Therapien bei Krebserkrankungen. Die Universitätsspitäler Zürich und Basel sowie die ETH Zürich initiierten vor drei Jahren eine groß angelegte klinische Studie mit 240 Patienten mit einem metastasierenden Melanom, metastasierenden Ovarialkarzinom oder myeloischer Leukämie. Im Zuge dessen wurden die Tumorzellen, DNA, RNA und Immunzellen unter Anwendung aller verfügbaren Technologien mit einer Vielzahl sich ergänzender Methoden in einem „Multiomik-Absatz“ untersucht. Teil der Analyse waren außerdem funktionelle Medikamententestungen an Biopsie-Proben sowie Informationen aus der medizinischen Bildgebung und aus weiteren Patientendaten. So „kommen pro Patient riesige Datenmengen zusammen, welche wir mit datenwissenschaftlichen Methoden aufbereiten und analysieren“, erklärt Gunnar Rätsch, Professor an der ETH Zürich und Studienautor. Die Befunde werden anschließend in interdisziplinären Tumorboard-Sitzungen diskutiert. Nach dem Ende der Datenerhebung in zwei Monaten folgt die Auswertung. APA/Cancer Cell

Vorhofflimmern: höhere Mortalität in reichen Ländern

Österreich, Dänemark oder Schweden verzeichnen eine höhere Mortalität bei Vorhofflimmern als Länder mit einem niedrigen Bruttoinlandsprodukt (BIP) wie Kroatien oder Portugal. Außderdem steigt die Sterblichkeit schneller als die Inzidenz. Das ergab eine Datenanalyse in 20 Ländern zwischen 1990 und 2017, geleitet von Markus Sikkel, der unter anderem an der University of Victoria tätig ist, und Becker Al-Khayatt vom Croydon University Hospital in London. „Das Verhältnis der Todesfälle zu den neu diagnostizierten Fällen von Vorhofflimmern in Europa hat sich im Laufe der Zeit nicht verbessert und nimmt in vielen europäischen Ländern trotz offensichtlicher Fortschritte bei Behandlung und Pflege zu“, so Sikkel. Und weiter: „Wir glauben, dass dies auf unterschiedliche Lebensstile in wohlhabenderen westeuropäischen Ländern zurückzuführen sein könnte, in denen Risikofaktoren wie Fettleibigkeit, Alkoholkonsum und Bewegungsmangel häufiger auftreten als in weniger wohlhabenden osteuropäischen Ländern.“ Bessere Therapieoptionen wie bei Krebs würden außerdem dazu führen, dass mehr ältere Menschen an kardiovaskulären Erkrankungen sterben. APA/European Heart Journal

Künstliche Aorta bei Herzinsuffizienz

Mit einer künstlichen Aorta könnte eine Herztransplantation, die wegen einer Herzinsuffizienz notwendig ist, hinausgezögert oder fallweise sogar obsolet werden. Die von Forschern der ETH Lausanne (EPFL) und der Universität Bern entwickelte künstliche Aorta besteht aus Silikon, ist mit Elektroden versehen und wird direkt hinter der natürlichen Aortenklappe implantiert. Wird eine elektrische Spannung angelegt, dehnt sich das künstliche Röhrchen aus, sodass das Blut leichter durchfließen kann. Experimente in einem Simulator ergaben, dass die sonst aufgewendete Energie des Herzens mithilfe des Implantats um 5,5 Prozent reduziert werden kann. Die Entwicklung ist bereits zum Patent angemeldet. APA/Advanced Science

Secretagogin steuert Bewegung bei Bedrohung

Bestimmte durch Kalzium-Ionen regulierte Gehirnzellen steuern Bewegungskommandos, die bei Bedrohung ein Ausweichmanöver auslösen. Alan Alpar von der Universität Budapest, Zsofia Hevesi und Tibor Harkany vom Zentrum für Hirnforschung der Medizinischen Universität Wien haben herausgefunden, dass die Zellen das Kalzium-Ionen-Sensor-Protein Secretagogin nutzen, das die Konzentrationen von Kalzium am Ende der Verbindung von zwei Synapsen misst. Das ist deswegen ungewöhnlich, da sich Kalzium-Sensoren in der Regel am Anfang befinden. Das Fazit der Wissenschafter: Secretagogin, das die Gehirnzellen „besitzen“, kennzeichnet Kalzium-Ionen einerseits für die Gefahrenabwehr und reguliert andererseits am Ende der Synapsen die Weiterleitung von stimulierenden Signalen – es fungiert als selektiver Marker und regulierendes Protein zugleich. APA/PNAS

Lunge auf Labor-Chip ersetzt Tierversuche

Anstelle von Tierversuchen soll künftig eine künstliche Miniatur-Lunge auf einem Labor-Chip bei Medikamenten-Test sowie zur Erforschung von Lungenkrankheiten zum Einsatz kommen. Forschungsteams der Universität Bern und des Helmholz-Zentrums München verwendeten dafür eine dehnbare Membran aus Kollagen und Elastin. Dieses bildet eine Ansammlung kleinster Lungenbläschen nach, die aus gesunden oder kranken Zellen kultiviert werden können. Die Elastizität der Membran ermögliche, Atembewegung durch mechanisches Dehnen der Zellen zu simulieren, erklärt Pauline Zamprogno von der Universität Bern. In einem weiteren Schritt ist die Nachbildung einer Lunge mit idiopathischer Lungenfibrose geplant. Die Labor-Chip-Lunge soll künftig u.a. auch zur Bestimmung personalisierter Therapien beitragen. APA/Communications Biology

 

 

 

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 4 / 25.02.2021