Kurz und informativ: Medizinische Kurzmeldungen

10.04.2021 | Medizin

Wachstumsfaktor stoppt Neuroblastom

Der Epidermal Growth Factor Like 8 (EGFL8) regt die Ausdifferenzierung von Neuroblastomzellen an und bringt damit ihr ungebremstes Wachstum zum Stillstand. Das entschlüsselte ein Forscherteam des St. Anna Kinderspitals und der Medizinischen Universität Wien um Sabine Taschner-Mandl und Tamara Weiss mit Hilfe der Phosphoproteomics-Methode. Benigne Neuroblastome werden durch EGFL8, das von den Schwann’schen Zellen gebildet wird, in ihrem Wachstum gehemmt. „In Zellkulturen haben wir nachgewiesen, dass Schwann-Zellen und die von ihnen freigesetzten Signalmoleküle ihre Anti-Tumor-Wirkung auch bei aggressiven Neuroblastomen entfalten“, erklärt Studienleiterin Taschner-Mandl. Bisher kannte man das Protein zwar; dessen Funktion aber nicht. Diese wurde nun erstmals beschrieben. Weiters geht eine hohe EGFL8-Expression mit einem längeren Überleben der Patienten einher. Uni Wien/MedUni Wien/Nature Communications

Saccharose verdoppelt Fettsynthese in der Leber

Bereits 80 Gramm Zucker oder acht Deziliter eines Softgetränks täglich verdoppeln die körpereigene Fettproduktion in der Leber. Dabei kurbelt entgegen der bisherigen Meinung die Saccharose die Fettsynthese stärker an als Fruktose. Zu dieser Erkenntnis kommt ein Schweizer Forschungsteam um Philipp Gerber von der Klinik für Endokrinologie, Diabetologie und Klinische Ernährung der Universität Zürich und vom Universitätsspital Zürich. Sieben Wochen lang nahmen 94 gesunde junge Männer täglich ein mit Fruktose, Glukose oder Saccharose gesüßtes Getränk zu sich. Mit Tracern verfolgten die Forscher dann den Weg der markierten Substanzen im Körper und analysierten den Effekt der Süßgetränke auf den Fettstoffwechsel. Ergebnis: Bei der Gruppe, die Fruchtzucker konsumiert hatte, war die Fettproduktion in der Leber auch noch zwölf Stunden nach der Konsumation des Getränks doppelt so hoch wie in der Gruppe mit dem Traubenzucker-Getränk oder in der Kontrollgruppe. Was die Wissenschafter überraschte: Die am häufigsten konsumierte Saccharose kurbelt die Fettsynthese sogar noch etwas mehr an als Fruchtzucker. APA/Universität Zürich/Universitätsspital Zürich

H. pylori unterdrückt Immunsystem

H. pylori unterdrückt über den Oberflächenrezeptor TLR10 auf den dendritischen Zellen das unspezifische Immunsystem und entkommt so der Immunabwehr. Das fand ein Immunologinnen-Team um Jutta Horejs-Höck von der Universität Salzburg heraus. Die Forscherinnen infizierten primäre Immunzellen aus humanem Blut mit H. pylori und analysierten die Entzündungswege. Ergebnis: Die TLR10-Blockade erhöht die Immunantwort auf H. pylori im Labor. Nun analysiert das Forscherteam, ob das auch im Menschen funktioniert. Für eine Immuntherapie seien noch viele Vorarbeiten nötig. APA Science

Strenge Erziehung bewirkt kleineres Gehirn

Streng erzogene Kinder haben einen kleineren präfrontalen Kortex und eine kleinere Amygdala als Gleichaltrige – Regionen, die eine wichtige Rolle bei der Regulation von Gefühlen sowie beim Auftreten von Angst und Depressionen spielen. Neuropsychologin Sabrina Suffen von der Université de Montréal hat in Zusammenarbeit mit dem CHU Sainte Research Center und Forschenden der Stanford University die Entwicklung von knapp 100 Kindern von der Geburt bis ins Teenageralter beobachtet. Zwischen dem zweiten und neunten Lebensjahr wurden mittels Fragebogen der Erziehungsstil der Eltern eingeschätzt und auch die Gefühls- und Angstzustände der Kinder erhoben. Die Gehirne der zwischen Zwölf- und 16-Jährigen wurden mittels MRT untersucht. Ähnliche Phänomene hatten sich bereits in früheren Studien nach schwerem körperlichen Missbrauch von Kindern gezeigt. Development and Psychology

Österreicher entwickelt nasales COVID-Vakzin

Wissenschafter um den Linzer Univ. Prof. Peter Palese von der Icahn School of Medicine at Mount Sinai in New York City haben einen nasal zu verabreichenden Impfstoff entwickelt. Bei diesem Vektor-Impfstoff verwendeten die Forscher das Newcastle Disease Virus, das vor allem bei Hühnern die atypische Geflügelpest auslöst und für den Menschen nicht gefährlich wird. Der Vektor-Impfstoff beinhaltet jenen Teil des Erbguts von SARS-CoV-2, der für das Spike-Protein an der Oberfläche codiert. Die nasale Verabreichung erhöht die Chance, die Weitergabe des Virus zu unterbinden, da bereits in den oberen Nasenwegen eine Immunität aufgebaut wird. Dies macht den Wirkstoff auch für den Einsatz bei Kindern interessant. In ersten Studien bei Erwachsenen konnte gezeigt werden, dass mit dem Impfstoff eine gute Immunantwort aufgebaut werden kann. Kleinere Phase I-Studien in Thailand, Vietnam, Brasilien, Mexico und New York haben bereits begonnen. Darüber hinaus ist der Impfstoff mit weniger als einem Dollar überaus günstig. APA/EBioMedicine

Tablette gegen COVID-19 noch heuer?

Der RNA-Polymerase-Hemmer AT-527 stoppt die Vermehrung des Corona-Virus. Das vom Schweizer Konzern Roche und dem US-amerikanischen Unternehmen Atea Pharmaceuticals entwickelte Medikament wird derzeit ambulant bei Patienten mit einer leichten oder mittelschweren COVID-19-Erkrankung getestet. Geplant ist, noch in diesem Quartal mit einer zulassungsrelevanten Studie sowohl im stationären als auch im ambulanten Bereich zu beginnen. Dabei soll auch evaluiert werden, ob AT-527 als Prophylaxe für Kontaktpersonen geeignet ist, die mit Corona-Patienten Kontakt hatten, aber noch keine Symptome haben. Ein weiterer Vorteil gegenüber biologischen Substanzen: Als chemische Substanz kann sie problemlos nahezu unbegrenzt hergestellt werden. Ob die Tablette tatsächlich Ende dieses Jahres verfügbar ist, ist noch nicht absehbar. APA

29,5 Prozent

der 18.577 Infektionen mit dem Corona-Virus in der Kalenderwoche zehn sind asymptomatisch verlaufen. Mit 71,4 Prozent der Infektionen sind private Haushalte nach wie vor Infektionsherd Nr. 1.

Cervicalarterien-Dissektion: Antikoagulation statt Aspirin

Bei einer Cervicalarterien-Dissektion ist Aspirin in den ersten 90 Tagen nicht gleich wirksam wie Antikoagulation. Ein internationales Forscherteam unter der Leitung des Universitätsspitals Basels und der Universitären Altersmedizin „Felix Platter“ Basel untersuchte dies an 200 Patienten in zehn medizinischen Zentren. Fazit: Von den mit Aspirin behandelten Personen wiesen 23 Prozent Folgeprobleme auf; in der Gruppe mit Antikoagulantien waren es 15 Prozent. Allerdings sei mit den Ergebnissen dieser Studie eine generelle Überlegenheit der Antikoagulation bei einer Cervicalarterien-Dissektion nicht bewiesen, so die Forscher. APA/The Lancet Neurology

COVID-19: chirurgische Patienten präoperativ impfen

Die präoperative Impfung von betagten Patienten gegen COVID-19 senkt die Todesfallrate etwa sechs Mal mehr als die Impfung von Gleichaltrigen in der Allgemeinbevölkerung. Das haben Wissenschafter im Zuge einer internationalen Studie, an der weltweit mehr als 15.000 Chirurgen mitgewirkt haben, errechnet.Über 70-Jährige weisen nach einer Karzinomoperation eine Mortalitätsrate von 2,8 Prozent auf. Erkranken sie an Corona, steigt diese Rate auf 18,6 Prozent. Zwischen 0,6 und 1,6 Prozent aller Patienten entwickeln nach einer elektiven Operation eine COVID-19-Infektion. APA/British Journal of Surgery

 

 

 

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 7 / 10.04.2021