Kurz und informativ: Medizinische Kurzmeldungen

17.08.2021 | Medizin

Kontrastsehen wirkt sich auf Reaktionsfähigkeit aus

Sowohl die Sehschärfe als auch das Kontrastsehen wird durch einen beidseitigen Linsen-Ersatz wesentlich verbessert. Das konnte ein Forscherteam um Claus Zehetner von der Universitätsklinik für Augenheilkunde und Optometrie Innsbruck anhand einer Studie an einem experimentellen Fahrsimulator nachweisen. Dafür absolvierten 107 Führerscheinbesitzer eine Sehprüfung und eine Fahrsimulation mit einem eigens von der Klinik entwickelten Autositz samt Pedalen. Analysiert wurden Sehkraft und Kontrastsehen, die neurologische sowie die Gesamtreaktionszeit. Nach einer beidseitigen Kataraktoperation wurden diese 53 Personen erneut getestet. Dabei verkürzte sich postoperativ der Bremsweg um 2,3 Meter bei einer Geschwindigkeit von 50 Kilometern; ebenso war das Kontrastsehen verbessert. „Aus wissenschaftlicher Sicht ist es für uns neu, dass das Kontrastsehen einen derart großen Einfluss auf die Reaktionszeit hat“, so Zehetner. Acta Ophthalmologica

Lichtflimmern stimuliert Mikroglia

Dass Mikrogliazellen in Mäusen aktiv werden und perineurale Netze abbauen, wenn sie mit Ketamin betäubt werden, konnte Alessandro Venturino vom Institute of Science and Technology (IST) Austria in Klosterneuburg bereits vor vier Jahren nachweisen.  Diese perineuralen Netze fixieren im erwachsenen Gehirn bestehende Verbindungen zwischen bestimmten Neuronen und ermöglichen es, Erinnerungen lange zu speichern. Die durch Ketamin bewirkte Veränderung der Gehirnaktivität im Gamma-Bereich konnten Forscher um Venturini nun extern auslösen, indem sie Mäuse in einer Schachtel einmal mit 40 und einmal mit 60 Hertz bestrahlten. Fazit: Mit 60 Hertz konnte ein ähnlicher Effekt erzielt werden wie bei Ketamin. Schon zuvor konnte gezeigt werden, dass Licht, das mit 40 Hertz flackert, Mikroglia anregen kann, die bei M. Alzheimer entstehenden Plaques zu entfernen. Sobald die Blockade durch perineurale Netze abgebaut ist, werden Neuronen wieder empfänglich für neue Eindrücke und neue Synapsen können gebildet werden. Die Wiederherstellung der juvenilen Plastizität des Gehirns könnte etwa bei der Amblyopie genutzt werden oder bei der Behandlung der posttraumatischen Belastungsstörung. APA/Cell Reports

Pille beeinflusst Sozialverhalten

Frauen, die nicht-hormonell verhüten, sind eher bereit, zu teilen und verhalten sich pro-sozialer. Das fand ein Forscher team um Bernadette von Dawans von der Abteilung Biologische und Klinische Psychologie der Universität Trier in Kooperation mit der Universität Konstanz heraus. Von den untersuchten 83 Frauen verhütete ein Teil mit der Pille; die übrigen setzten andere hormonelle Methoden ein. Frauen, die ohne Pille verhüteten, gaben außerdem an, Emotionen stärker mitzufühlen. Die Ursache für dieses Verhalten könnte in dem durch die Pille erzeugten veränderten Hormonspiegel liegen, so die Vermutung der Wissenschafter. Psychoneuroendocrinology

Omega-3 verringert Migräne-Attacken

Eine Ernährung, die reich an Omega-3-Fettsäuren ist, kann Häufigkeit und Stärke von Migräne-Attacken um bis zu vier Tage pro Monat reduzieren. Dies bewirken etwa in Nüssen oder Lachs vorkommende Eicosapentaensäure (EPA) oder Docosahexaensäure (DHA), wie ein Forscherteam um Christopher Ramsden vom US-amerikanischen Laboratory of Clinical Investigation des National Institute of Health im Rahmen einer Studie nachweisen konnten. Dafür untersuchten die Forscher 182 überwiegend weibliche Migräne-Patienten über 16 Wochen hindurch. Die erste Gruppe erhielt täglich 1,5  Gramm  Omega-3 über Lachs und Öle; die zweite viel Omega-3 und wenig Omega-6 etwa über Macadamiaöl und die dritte nahm als Kontrollgruppe primär Omega-6-hältige Speisen zu sich. Nicht nur die Zahl der monatlichen Migräne-Attacken reduzierte sich; auch die Dauer der Attacken nahm um eine Stunde ab. Wie sich die Ernährung bei Kindern und Männern auswirkt beziehungsweise ob andere Omega-3-Fette – außer Fisch – einen Effekt auf die Schmerzlinderung haben, ist noch offen. BMJ

COVID-19: WHO empfiehlt Interleukin 6-Inhibitoren

Hospitalisierte COVID-19 Patienten sollen laut einer neuen Behandlungsempfehlung der WHO mit Interleukin 6-Inhibitoren wie Tocilizumab und Sarilumab therapiert werden. Die WHO koordinierte eine Meta-Analyse mit 27 klinischen Studien in 28 Staaten mit knapp 11.000 Patienten des King’s College in London, der Universität Bristol und anderen britischen Forschungseinrichtungen. Etwas mehr als die Hälfte der Betroffenen erhielt IL 6-Hemmer; die übrigen 4.481 ein Placebo. Das Ergebnis: IL 6-Hemmer reduzieren im Gegensatz zur ausschließlichen Cortison-Gabe die Mortalität um 17 Prozent; bei Patienten ohne künstliche Beatmung sank die Häufigkeit für eine spätere künstliche Beatmung oder den Tod um 21 Prozent. Tocilizumab und Sarilumab blockieren mit IL 6 einen der stärksten entzündungsfördernden Botenstoffe. APA/JAMA

Herzstillstand: Hypothermie bringt keinen Vorteil

Die gezielte Kühlung von bewusstlosen Patienten nach einem Herzstillstand auf 33 Grad bringt keinen Vorteil in Bezug auf das Überleben. Zu diesem Schluss kommt ein Forscherteam um Anja Levis von der Universitätsklinik für Anästhesiologie und Schmerztherapie des Universitätsspitals Bern im Rahmen der TTM2-Studie (Target Hypothermia Versus Targeted Normothermia). Ziel der Studie war es, Evidenz-basierte Grundlagen für die Behandlung nach plötzlichem Herzstillstand zu erlangen.Die Wissenschafter werteten 1.850 Patientendaten aus 14 Ländern in 61 Spitälern aus: 935 Patienten davon waren in der „Hypothermie-Gruppe“, 925 in der „Normothermie-Gruppe“. Das Ergebnis: In den ersten sechs Monaten nach dem Ereignis starb die Hälfte der Patienten aus beiden Gruppen. Allerdings schnitt die Gruppe, in der die Patienten gekühlt wurden, deutlich schlechter ab als diejenigen in der Gruppe mit Normaltemperatur. TTM2 habe nun gezeigt, dass für Patienten mit Herzstillstand ein gutes Setting benötigt werde: frühzeitiges Erkennen und Reanimationsmaßnahmen, schnelle Defibrillation, gute Erstversorgung und professionelle Intensivpflege; und diese könne nicht allein auf die Temperatur beschränkt betrachtet werden, so die Experten. NEJM

200 Zoonosen

sind weltweit bekannt: Sie reichen von Tollwut, Tuberkulose über Schweinepest und Borreliose bis hin zu SARS. Nun hat der WWF zusammen mit zwei Universitäten in Hongkong ein Risiko-Raster für Zoonose-Gefahren entwickelt, der speziell bei Wildtiermärkten eingesetzt werden soll.

Vagus-Stimulation steigert Reha-Effekt

Die elektrische Stimulation des N. vagus mit einem Schritt macher steigert die Funktion der Hand und des Arms nach einem Insult. Das fanden Forscher um Prof. Jesse Dawson von der University of Glasgow (Grossbritannien) in einer randomisierten Phase III-Studie heraus. Dabei wurde 108 Patienten mit moderaten bis schweren Beeinträchtigungen durchschnittlich drei Jahre nach einem Schlaganfall ein Stimulationsgenerator implantiert, der mit Hilfe einer Fernbedienung gestartet wird. 53 Probanden erhielten diese N. vagus-Stimulation sowie sechs Wochen stationäre Rehabilitation; bei 55 Personen der Kontrollgruppe wurde der Vagus nicht stimuliert. Die Kriterien wurden anhand des Fugl-Meyer Assessment Upper Extremity Score (FMA-UE) gemessen: 0= keine Funktion bis 66 = voll Funktion. Bei den Patienten, die zusätzlich eine Rehabilitation erhielten, erhöhte sich der FMA-UE-Score innerhalb von sechs Wochen und 18 Anwendungen – statistisch hoch signifikant – durchschnittlich um fünf Punkte; in der Kontrollgruppe im Mittel um 2,4 Punkte. 90 Tage nach Ende der stationären Reha zeigte sich eine klinisch relevante bessere Funktion der unteren Extremität bei 47 Prozent der VNS-Patienten und 24 Prozent der Kontrollgruppe. APA/Lancet

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 15-16 / 15.08.2021