Kindliche Hauterkrankungen: Vielfältig und häufig

25.04.2021 | Medizin


Das Spektrum der möglichen Ursachen der zahlreichen Hauterkrankungen, die schon ab dem Säuglingsalter auftreten können, ist breit. Einige dieser Erkrankungen sind typisch und treten häufig auf; einige erfordern rasches Handeln.

Vom Säuglingsalter an ist die Windeldermatitis ein häufiges Hautleiden, berichtet Priv. Doz. Barbara Binder von der Universitätsklinik für Dermatologie und Venerologie der Medizinischen Universität Graz. „Meist führt einfach das feuchte Milieu zu einer Irritation der Haut. Nicht jede Windeldermatitis wird durch einen Pilz verursacht. Daher sollte zunächst versucht werden, die Haut trocken zu halten und zu pflegen.“ Bei Verdacht auf eine Pilzinfektion sollte ein Pilzbefund durchgeführt werden. „Randständiges Schuppenkrausen und Pusteln sind dringend verdächtig auf eine Pilzinfektion, eine Soor-Dermatitis.“

Auch Kopfgneis (seborrhoische Dermatitis der Kopfhaut) zählt bei Säuglingen zu den häufigen Hautbeschwerden. Die Schuppen können durch Einreiben mit Öl aufgeweicht und dann entfernt werden. Wenn damit kein Erfolg erzielt wird oder der Kopfgneis öfters wiederkehrt, sollte ein Facharzt hinzugezogen werden. Viele Hautbeschwerden im Säuglingsalter vergehen ohne Behandlung. Dazu zählt das Erythema toxicum neonatorum – kleine Papeln und Pusteln, die sich in den Tagen nach der Geburt bilden können. Auch die Akne neonatorum, die in den ersten Wochen nach der Geburt aufgrund mütterlicher Hormone entstehen kann, ist selbstlimitierend. Milien – verstopfte Hautporen – vergehen ebenfalls ohne Behandlung.

Manche Hautbeschwerden im Säuglingsalter bedürfen allerdings rascher Behandlung, betont Univ. Prof. Tamar Kinaciyan von der Allergie-Ambulanz und pädiatrischen Dermatologie der Medizinischen Universität Wien. „Herpes simplex Virus-Infektionen, die häufig an den Fingern auftreten, obwohl selbstlimitiert, gehören rasch systemisch behandelt, da sie durch Lutschen der Kinder länger anhalten.“ Einzelne Mastozytome in Kleinkindalter seien laut Kinaciyan sehr häufig und bedürften keiner Therapie. „Wenn Kinder an den Läsionen reiben, degranulieren die Mastzellen und es kommt zu einer Quaddelbildung mit lokalisierter Schwellung, Rötung und Juckreiz, die sich jedoch innerhalb weniger Minuten wieder zurückbildet. Gelegentlich entstehen dabei auch oberflächliche Blasen, die noch immer keinen Grund zur Beunruhigung darstellen.“ Wenn die Läsionen an Zahl zunehmen, sollte das jedoch unbedingt von einem Hautarzt beobachtet und die Tryptase regelmäßig kontrolliert werden.

Auch angeborene und infantile Hämangiome sollten erkannt und auf Basis ihrer Lokalisation beobachtet werden. Die meisten Hämangiome bereiten keine Probleme und bilden sich im Laufe der Zeit zurück. „Hämangiome beim Naseneingang, an der Oberlippe, im Augenbereich sowie im Genitalbereich können durch das Wachstum zu Entwicklungsstörungen führen, etwa weil das Kind schlechter sieht oder nicht richtig essen kann“, warnt Binder. Und weiter: „Aufgrund der Lokalisation sollte das Kind einem Spezialisten vorgestellt werden, damit bei Bedarf eine Therapie eingeleitet werden kann, um das Wachstum zu stoppen und eine Beeinträchtigung zu vermeiden.“ Angeborene Nävi sollten ebenfalls initial von einem Facharzt beurteilt werden, um eine eventuelle Behandlung und eine Verlaufskontrolle zu ermöglichen.

Bei Kleinkindern: atopische Dermatitis

„Im Kleinkindalter steht die atopische Dermatitis im Vordergrund“, berichtet Kinaciyan aus der Praxis. „Bei Kindern mit atopischer Dermatitis treten häufig Sekundärinfektionen als Komplikationen auf, wie Staphylokokkus aureus-bedingte bakterielle Superinfektionen oder Virusinfektionen wie Dellwarzen und, seltener, das Ekzema herpeticatum.“ Typische Kennzeichen für die atopische Dermatitis sind Mundwinkelrhagaden, trockene Lippen, Ekzeme an den Wangen und in den großen Beugen sowie trockene Hautstellen. Regelmäßige Hautpflege und Basistherapie sind der Goldstandard in der Behandlung der atopischen Dermatitis, diese rückfettende Behandlung muss – besonders in der kalten, trockenen Jahreszeit – regelmäßig durchgeführt werden. Auch eine milde, unverdünnte Cortison-Creme kann zur Lokaltherapie angewendet werden. „Wenn die atopische Dermatitis trotz dieser Behandlung bestehen bleibt oder sich verschlechtert, sollte die Behandlung von Hautärzten übernommen werden.“

Aufgrund der Hauttrockenheit können sich Viren bei Kindern mit atopischer Dermatitis schnell implantieren und verbreiten. Eine häufige Komplikation sind daher Dellwarzen (Molluscum contagiosum), mit „Molluskumkörperchen gefüllte hautfarbene Knötchen unterschiedlicher Größe, die im Zentrum wie abgenabelt eingezogen sind“, erklärt Kinaciyan. Anders als die Verruca vulgaris treten Dellwarzen generalisiert am Stamm, Gesicht und an den Extremitäten auf. Beim Kratzen entleeren sich die Viren und verschmieren sich an andere Hautstellen, wo neue Dellwarzen entstehen. Daher müssten Dellwarzen rasch behandelt werden durch tägliches Auftragen einer Kaliumhydroxid-haltigen Lösung. „Wenn das nicht hilft, sollten die Dellwarzen durch den Hautarzt mechanisch abgetragen werden“, erklärt Kinaciyan.

Auch eine bakterielle Superinfektion kann als Komplikation der atopischen Dermatitis auftreten – entweder als diffuse Staphylokokken-Superinfektion oder als Impetigo contagiosa. Diese Impetigo contagiosa zeigt typischerweise rötliche, scheibenförmige Herde mit gelblicher Schuppenkrause, die nach dem Platzen eines oberflächlichen Bläschens entstehen und mittels Schmierinfektion an andere Stellen übertragen werden können. Einzelne Läsionen sollten mit einer antibiotischen Salbe und einem Pflaster abgedeckt werden, damit die Verbreitung durch Kratzen verhindert wird. Für die Lokaltherapie kann Kortison zum Einsatz kommen. Bei einer ausgedehnten Impetigo contagiosa muss systemisch mit Antibiotika behandelt werden.

„Gefährlich“ – so Kinaciyan – ist das Ekzema herpeticatum, ausgelöst durch das Herpes-Virus, das sich auf der trockenen atopischen Haut als einzelnstehende Bläschen verteilt. „Gefürchtet dabei ist, wenn das Gesicht und Augen-nahe Bereiche betroffen sind, da auch das Auge selbst befallen werden und das Virus zu einer Trübung der Linse führen kann. Es muss sofort mit systemischen antiviralen Medikamenten behandelt werden.“ Bei einem Befall des Gesichts sei ein Spitalsaufenthalt für die intravenöse Behandlung erforderlich.

Auch abseits von atopischer Dermatitis können Kinder von verschiedenen Hauterkrankungen betroffen sein. Bei der Untersuchung der Haut sollte der Hautstatus erhoben werden, erklärt Binder. „Ist die Haut nur trocken oder zeigt sie spezifische Veränderungen, bestehen Auffälligkeiten wie Erhabenheiten oder Knötchen?“

Die Anamnese ist beispielsweise wichtig bei der Diagnose von Pilzinfektionen, denn die meisten Pilzinfektionen im Kindesalter werden durch Tiere übertragen, etwa Katzen, Meerschweinchen oder Hasen. Typisch für die Pilzinfektion ist die Asymmetrie, sie betrifft meist nur Hand oder Fuß einseitig, oder eine Körperseite. Auch einzelne Herde am Kopf, an dem auch die Haare ausgehen, können auf eine Pilzinfektion hinweisen.

Skabies tritt mittlerweile fast epidemisch sowohl im Säuglings- als auch im Kleinkindalter auf. „Hier muss eine Familienanamnese durchgeführt werden, darüber, wer im selben Haushalt wohnt und engen Kontakt zum Kind hat, damit alle Betroffenen zeitgleich behandelt werden können“, erklärt Kinaciyan.

Das Erythema chronicum migrans (ECM) tritt in Österreich häufig in Folge von Zeckenstichen auf. Während Erwachsene meist nur eine einzelne Läsion aufweisen, entwickeln sich bei Kindern gelegentlich auch mehrere Läsionen, über den Körper verteilt, die „als roter Fleck beginnen und sich im Laufe der Zeit mit rotem Rand nach außen vergrößern, während das Zentrum wieder abheilt“, erläutert Kinaciyan. Wichtigste Differential diagnose bei Kindern ist die Urtikaria, die allerdings flüchtig ist. Die Behandlung erfolgt mit Penicillin per os für zwei Wochen.

Infekt-assoziierte Urtikaria häufig

„Im Kindesalter können Nesselausschläge, Urtikaria, immer wieder Infekt-assoziiert auftreten“, berichtet Binder. Die meisten Nesselausschläge können symptomatisch behandelt werden und sind selbstlimitierend. Typisch sind Hautveränderungen, die nicht länger als 24 Stunden bestehen und immer wieder an anderen Lokalisationen auftreten. Urtikaria kommt vor allem nach Infekten vor, da es bei der Abheilung durch Keimzerfall zu einem Nesselausschlag kommen kann. Häufig wird bei Kindern, die bei einer Infektionskrankheit Antibiotika erhalten haben und eine Urtikaria entwickeln, an eine Antibiotika-Allergie gedacht. „Aber wenn ein Kind nicht chronisch krank ist und nicht oft Antibiotika erhält, ist der Auslöser von Urtikaria meist nur der Infekt und nicht das Antibiotikum. Nach manchen viralen Infekten kann es auch zu Kälte-assoziierter Urtikaria kommen, mit Quaddeln nach großem Temperaturwechsel“, erklärt Kinaciyan. Wichtig sei neben der Gabe von Antihistaminika das Meiden großer Temperaturunterschiede.

Allerdings muss bei Kindern mit Urtikaria nach zusätzlichen Beschwerden gefragt werden. „Wenn Atembeschwerden bestehen, Lippen anschwellen oder das Kind das Gefühl hat, der Hals geht zu, sollte das Kind rasch weitergeschickt werden. Hier kann die Infekt-assoziierte Urtikaria mit einer Profunda-Symptomatik einhergehen, welche aufgrund der eingeschränkten Atmung möglicherweise eine intensivmedizinische Betreuung benötigt“, warnt Binder.

Eine weitere gefährliche Erkrankung, „wenn auch selten“ (Kinaciyan), ist das „Staphylococcal scalded skin syndrome“. Durch Staphylokokken-Toxine wird die dermo-epidermale Verbindung zerstört und die oberflächliche Schicht der Haut schwimmt ab. „Die Kinder haben Fieber, sind weinerlich, da ihre Haut schmerzt“, beschreibt Kinaciyan die Symptomatik. „Das Kind muss sofort hospitalisiert und es müssen Antibiotika infundiert werden, ansonsten kann es zu einer lebensbedrohlichen Exfoliation kommen.“

Manche Hauterkrankungen können Zeichen innerer Erkrankungen sein. Wenn mehr als sechs Café-au-lait-Flecken – sehr hellbraune, scharf begrenzte runde oder ovale Flecken unterschiedlicher Größe – bei einem Kind auftreten, muss es hautärztlich und neurologisch vorstellig werden. Die Hautveränderung kann durch eine Neurofibromatose oder tuberöse Sklerose hervorgerufen werden, die auch mit neurologischen Symptomen einhergehen.

Bei blasigen Reaktionen, die nicht durch Insektenstiche oder Impetigo contagiosa hervorgerufen werden, und die sich vermehrt bilden, muss an eine Autoimmunerkrankung gedacht werden. „Wir sehen diese Erkrankungen vermehrt. Hier darf kein bullöses Pemphigoid oder eine lineare IgA-Dermatose übersehen werden“, betont Kinaciyan. (SF)

 

 

 

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 8 / 25.04.2021