Hash­i­moto-Thy­reo­idi­tis: Sym­ptom­ori­en­tiert behandeln

15.12.2021 | Medizin

Immun­mo­du­la­to­ri­sche Medi­ka­mente wie etwa mono­klon­ale Anti­kör­per tra­gen zur höhe­ren Prä­va­lenz der Hash­i­moto-Thy­reo­idi­tis bei. Ver­mut­lich besteht ein enger Zusam­men­hang mit M. Base­dow, da die bei­den Erkran­kun­gen inein­an­der über­ge­hen kön­nen, obwohl sie funk­tio­nell ver­schie­den sind. Die Behand­lung ori­en­tiert sich an der kon­kre­ten Sym­pto­ma­tik und am Sta­dium der Erkrankung.
Irene Mle­kusch

Die Prä­va­lenz der Hash­i­moto-Thy­reo­idi­tis – auch bekannt als chro­ni­sche-lym­pho­zy­täre Thy­reo­idi­tis – schwankt je nach geo­gra­fi­scher Region, tritt über­wie­gend bei Frauen auf und nimmt mit stei­gen­dem Alter zu. Bei Frauen fin­det sich die Erkran­kung in etwa zehn bis 15 Mal öfter, außer­dem sind Pati­en­ten mit ande­ren auto­ag­gres­si­ven Krank­hei­ten wie Mor­bus Addi­son, Dia­be­tes mel­li­tus Typ 1, rheu­ma­ti­schen Erkran­kun­gen oder sys­te­mi­schem Lupus ery­th­re­ma­to­des signi­fi­kant häu­fi­ger betrof­fen. “Die Hash­i­moto-Thy­reo­idi­tis ist mit einer Prä­va­lenz von zehn bis zwölf Pro­zent die häu­figste Auto­im­mun­erkran­kung in der All­ge­mein­be­völ­ke­rung und die häu­figste Ursa­che der Hypo­thy­reose im Erwach­se­nen­al­ter,“ erklärt Univ. Prof. Amir Kur­ta­ran vom Insti­tuts für Nukle­ar­me­di­zin mit PET/​CT und Schild­drü­sen­kom­pe­tenz­zen­trum an der Kli­nik Land­straße in Wien.

Als Ursa­che nimmt man einer­seits gene­ti­sche Fak­to­ren an, ande­rer­seits Umwelt­ein­flüsse; die eigent­li­che Patho­ge­nese ist aber wei­ter­hin nicht voll­stän­dig geklärt. Man geht davon aus, dass zwi­schen der Hash­i­moto-Thy­reo­idi­tis und Mor­bus Base­dow ein enger patho­phy­sio­lo­gi­scher Zusam­men­hang besteht, da diese Krank­heits­bil­der inein­an­der über­ge­hen kön­nen, obwohl sie funk­tio­nell ver­schie­den sind. In Stu­dien in Japan und den USA konn­ten bei zirka 30 Pro­zent der Pati­en­ten mit early-onset-Hypo­thy­reose und Atro­phie der Schild­drü­sen­zel­len eine IgG4-asso­zi­ierte Erkran­kung nach­ge­wie­sen wer­den; in Europa liegt die Prä­va­lenz bis­her bei etwa zwölf Pro­zent. Diese Erkennt­nisse favo­ri­sie­ren die Schild­drü­sen­atro­phie im Ver­lauf der Hash­i­moto-Thy­reo­idi­tis als Pro­gres­sion der Erkrankung.

Die Hash­i­moto-Thy­reo­idi­tis tritt gehäuft in Fami­lien auf, auch manch­mal in Kom­bi­na­tion mit Mor­bus Base­dow. Das Risiko für Geschwis­ter, eben­falls zu erkran­ken liegt bei mehr als 20 Pro­zent; bei mono­zy­go­ten Zwil­lin­gen sogar bei 30 bis 60 Pro­zent, je nach zufäl­li­ger Kom­bi­na­tion der T‑Zell-Rezep­tor­gene. Eine erhöhte Häu­fig­keit der Hash­i­moto-Thy­reo­idi­tis fin­det sich außer­dem bei Men­schen mit Down-Syn­drom und Tur­ner-Syn­drom. Poly­mor­phis­men am Thy­reo­glo­bu­lin-Gen oder am Tumor Necro­sis Fac­tor Super­fa­mily Mem­ber Gen 4 sind ebenso mit einer Häu­fung der Erkran­kung asso­zi­iert wie poten­ti­ell die Haplo­in­suf­fi­zi­enz von A20. Ver­än­de­run­gen am FOXP3-Gen, wel­ches am X‑Chromosom loka­li­siert ist, könn­ten wie­derum das ver­mehrte Auf­tre­ten bei Frauen erklä­ren. Da die Inzi­denz der Erkran­kung nach einer Schwan­ger­schaft ansteigt, wird das Ein­wan­dern von feta­len Zel­len in die müt­ter­li­che Schild­drüse als Risi­ko­fak­tor ange­nom­men, ebenso wie die schwan­ger­schafts­as­so­zi­ierte Immun­sup­pres­sion und der damit ver­bun­dene Shift zu Th2 T‑Zellen sowie die Ver­än­de­run­gen im Zytokinprofil.

COVID als Trigger?

Als prä­dis­po­nie­rende Umwelt­fak­to­ren wer­den Infek­tio­nen und Stress dis­ku­tiert. „Inwie­weit COVID-19 mit der Ent­ste­hung bezie­hungs­weise Trig­ge­rung einer Hash­i­moto-Thy­reo­di­tis in Zusam­men­hang steht, bleibt abzu­klä­ren,“ fügt Kur­ta­ran hinzu. Eine hohe Ver­sor­gung mit Jod – unter ande­rem auch durch die Ein­nahme von jod­hal­ti­gen Medi­ka­men­ten wie zum Bei­spiel Amio­da­ron – führt zu einer höhe­ren Prä­va­lenz der Erkran­kung. „In den letz­ten Jah­ren beob­ach­ten wir mehr Immun­thy­reo­pa­thie-Fälle durch immun­mo­du­la­to­ri­sche Medi­ka­mente wie Inter­fe­ron alpha, Tyro­sin­ki­nase-Inhi­bi­to­ren und mono­klon­ale Anti­kör­per,“ berich­tete Kur­ta­ran. Ebenso seien „ver­mut­lich“ auch ein Selen- und ein Vit­amin-D-Man­gel mit einer höhe­ren Prä­va­lenz einer Hash­i­moto-Thy­reo­di­tis ver­bun­den.“ Es gibt auch zuneh­mend Evi­denz für die Rolle eines ver­än­der­ten Darm­mi­kro­bi­oms bei einer Reihe von Erkran­kun­gen – so auch bei Autoimmunerkrankungen.

Die Hash­i­moto-Thy­reo­idi­tis ver­ur­sacht anfangs meist keine merk­ba­ren Beschwer­den oder die Sym­pto­ma­tik ist oft uncha­rak­te­ris­tisch und unter­schied­lich, wes­halb die Erkran­kung lange uner­kannt blei­ben kann. In den aku­ten Ent­zün­dungs­pha­sen zu Beginn der Erkran­kung kann es zu einer schub­wei­sen und kurz­zei­tig auf­tre­ten­den Zer­falls­hy­per­thy­reose, der Hash­i­to­xi­kose, kom­men. Typi­sche Sym­ptome der Hyper­thy­reose wie­Ge­wichts­ver­lust, Ner­vo­si­tät, Diar­rhoe, Schwit­zen, Tachy­kar­die und Haar­aus­fall wer­den als belas­tend emp­fun­den, aber unter Umstän­den bei Frauen als Beschwer­den des Kli­mak­te­ri­ums abge­tan. Im wei­te­ren Ver­lauf führt die Destruk­tion der Schild­drüse zur Atro­phie und Hypo­thy­reose mit mehr oder weni­ger aus­ge­präg­ten Sym­pto­men wie Müdig­keit, tro­cke­ner Haut, Obs­ti­pa­tion, Gewichts­zu­nahme, depres­si­ver Ver­stim­mung oder Kon­zen­tra­ti­ons­stö­run­gen. Bei eini­gen Betrof­fe­nen sind es weni­ger die Sym­ptome, die in Zusam­men­hang mit der Schild­drüse ste­hen: Sie wei­sen eher Sym­ptome von asso­zi­ier­ten Erkran­kun­gen auf wie bei­spiels­weise Gelenk­schmer­zen bei rheu­ma­ti­schen Erkran­kun­gen oder Anämie, Schwä­che und Zun­gen­bren­nen bei per­ni­ziö­ser Anämie. Eine endo­krine Orbi­tho­pa­thie mit oft ein­sei­ti­gem Exo­ph­thal­mus tritt bei etwa sie­ben Pro­zent der Hash­i­moto-Pati­en­ten auf.

Dia­gnose: zufäl­lig oder sonographisch

Die Dia­gnose wird häu­fig zufäl­lig gestellt: ent­we­der auf­grund eines erhöh­ten TSH-Werts und/​oder beim Ultra­schall der Schild­drüse zeigt sich eine typi­sche Paren­chym­ver­än­de­rung. Sono­gra­phisch erkennt der ver­sierte Unter­su­cher ein echo­ar­mes inho­mo­ge­nes Paren­chym mit ver­stärk­ter Vas­ku­la­ri­sa­tion und Mikro­no­duli in der Größe von ein bis sie­ben Mil­li­me­ter. Bei einer Hash­i­moto-Thy­reo­idi­tis ist den Aus­sa­gen von Kur­ta­ran zufolge eine Szin­ti­gra­phie a priori nicht not­wen­dig, da der Ultra­schall und die Blut­pa­ra­me­ter inklu­sive Schild­drü­sen-Anti­kör­per die Basis­un­ter­su­chung dar­stel­len. „Wenn im Ultra­schall Kno­ten grö­ßer als ein Zen­ti­me­ter gefun­den wer­den, ist eine Szin­ti­gra­phie zur Abklä­rung der Kno­ten indi­ziert, nicht aber wegen der Hash­i­moto-Thy­reo­idi­tis“, fasst Kur­ta­ran zusammen.

Eine zen­trale Rolle bei der Dia­gnos­tik der Hash­i­moto-Thy­reo­idi­tis spielt die Bil­dung mikro­so­ma­ler Anti­kör­per gegen die Schild­drü­sen­per­oxi­dase (TPO-AK), gegen Thy­reo­glo­bu­lin (Tg-AK) und gegen den TSH-Rezep­tor (TSH-R-AK). Die mikro­so­ma­len Anti­kör­per gegen die Schild­drü­sen­per­oxi­dase sind bei unge­fähr 90 bis 95 Pro­zent der Hash­i­moto-Pati­en­ten posi­tiv. Erhöhte Titer fin­den sich aber auch bei Mor­bus Base­dow, bei nicht-immu­no­ge­nen Schild­drü­sen­er­kran­kun­gen und gele­gent­lich auch bei gesun­den, vor allem älte­ren Men­schen. Bei nega­ti­ven TPO-AK trotz typi­scher Kli­nik und sono­gra­phi­schem Ver­dacht kön­nen Thy­reo­glo­bu­lin-Anti­kör­per bestimmt wer­den. Diese sind bei etwa 60 bis 70 Pro­zent der Hash­i­moto-Pati­en­ten nach­weis­bar. Grund­sätz­lich gibt es aber auch sero­ne­ga­tive For­men der Hash­i­moto-Thy­reo­idi­tis. Bei sechs bis 15 Pro­zent der Pati­en­ten mit Auto­im­mun­thy­reo­idi­tis fin­den sich gar keine Schild­drü­sen­an­ti­kör­per. Die Höhe der Anti­kör­per­ti­ter lässt keine Rück­schlüsse auf den Schwe­re­grad der Erkran­kung zu. Ledig­lich TSH-R-AK sind bei Pati­en­ten mit schwe­rer Opthal­mopa­thie deut­lich vermehrt.

Die Hash­i­moto-Thy­reo­idi­tis ver­läuft in der Regel chro­nisch; die Behand­lung ori­en­tiert sich daher an der kon­kre­ten Sym­pto­ma­tik und dem Sta­dium der Erkran­kung. „Eine indi­vi­du­ell ange­passte The­ra­pie und regel­mä­ßige Kon­trol­len sind für den The­ra­pie­er­folg ent­schei­dend,“ sagt Kur­ta­ran. Trum­mer wie­derum unter­schei­det zwi­schen der mani­fes­ten Hypo­thy­reose, die gene­rell und unab­hän­gig von Sym­pto­men the­ra­piert wer­den sollte und der laten­ten Hypo­thy­reose, deren Labor­kon­stel­la­tion nach zwei bis drei Mona­ten über­prüft wer­den sollte, um je nach Aus­prä­gung, Alter, Sym­pto­men und Begleit­erkran­kun­gen eine The­ra­pie ein­zu­lei­ten. Der Thy­ro­xin­be­darf kann dabei durch einige phy­sio­lo­gi­sche und patho­lo­gi­sche Zustands­bil­der wie Schwan­ger­schaft, post­me­no­pau­sale Hor­mon­er­satz­the­ra­pie, Mal­ab­sorp­tion im Rah­men von gas­tro­in­testi­na­len Erkran­kun­gen, nephro­ti­sches Syn­drom, atro­phi­sche Gas­tri­tis, Heli­co­bac­ter pylori-Infek­tion oder eine The­ra­pie mit PPIs erhöht sein. Trum­mer dazu: „Die Leit­li­nien der Euro­päi­schen Schild­drü­sen­ge­sell­schaft emp­feh­len zum Bei­spiel bei einem TSH von mehr als zehn mU/​l und einem Alter unter 65 bis 70 Jah­ren auch bei Beschwer­de­frei­heit eine The­ra­pie mit Levo­thy­ro­xin. Dabei sollte die Ent­schei­dung bei älte­ren Pati­en­ten mit einem TSH über zehn mU/​l oder bei jün­ge­ren Pati­en­ten mit einem TSH klei­ner oder gleich zehn mU/​l unter ande­rem von den Sym­pto­men abhän­gig gemacht wer­den. Ebenso ver­weist er dar­auf, dass hin­sicht­lich der The­ra­pie sowohl bei sym­pto­ma­ti­schen als auch bei asym­pto­ma­ti­schen Pati­en­ten aktu­ell in den meis­ten Fäl­len eine Mono­the­ra­pie mit Levo­thy­ro­xin emp­foh­len wird. Bei Per­so­nen mit einer laten­ten Hypo­thy­reose ließ sich aber die Lebens­qua­li­tät hin­sicht­lich der kli­ni­schen Sym­ptome durch diese The­ra­pie in Pla­cebo-kon­trol­lier­ten Stu­dien nicht signi­fi­kant verbessern.

Hor­mon­sub­sti­tu­tion nüchtern

Bei der Hor­mon­sub­sti­tu­tion gilt es eini­ges zu beach­ten. „Die Tablet­ten soll­ten nüch­tern, mög­lichst allein 30 Minu­ten vor dem Früh­stück ein­ge­nom­men wer­den,“ weiß Kur­ta­ran und ver­weist auf die Medi­ka­men­ten­in­ter­ak­tio­nen, die bei der Resorp­tion der Tablet­ten eine Rolle spie­len. Eine beschleu­nigte Ver­stoff­wechs­lung von Thy­ro­xin wird durch die Ein­nahme von Phenytoin,



Die Morphologie

Mor­pho­lo­gisch ist die Hash­i­moto-Thy­reo­idi­tis durch die gra­du­elle Atro­phie des Schild­drü­sen­ge­we­bes gekenn­zeich­net, gefolgt von lym­pho­zy­tä­ren Infil­tra­ten, fol­li­ku­lä­rer Atro­phie und Hyper­ämie, die zu einer Hypo­thy­reose füh­ren. Die exzes­siv sti­mu­lier­ten T‑Zellen spie­len in der Zer­stö­rung des Schild­drü­sen­ge­we­bes durch Apo­ptose, Anti­kör­per­pro­duk­tion und Immun­re­gu­la­tion eine zen­trale Rolle. Mole­ku­la­res Mimi­kry und bystande-Akti­vie­rung, die mit einer Expres­sion der HLA-Anti­gene an den Schild­drü­sen­zel­len ein­her­ge­hen sind ebenso am Zell­un­ter­gang betei­ligt wie das Auf­tre­ten von CD68+ Makro­pha­gen. Meh­rere pro­in­flamm­a­to­ri­sche Kas­ka­den mit erhöh­tem Zyto­kin­le­vel konn­ten bei Pati­en­ten mit Hash­i­moto-Thy­reo­idi­tis fest­ge­stellt wer­den und wei­sen auf eine hoch­kom­plexe Patho­phy­sio­lo­gie hin.

MALT-Lym­phom

Im Rah­men einer Auto­im­mun­thy­reo­idi­tis kann sich als sel­tene, aber schwer­wie­gende Kom­pli­ka­tion ein pri­mä­res Lym­phom der Schild­drüse ent­wi­ckeln. Diese auch als MALT-Lym­phome bezeich­ne­ten Ver­än­de­run­gen ent­wi­ckeln sich aus dem Mukosa-asso­zi­ier­ten lympha­ti­schen Gewebe. Typi­scher­weise fin­den sich diese Lym­phome vor allem bei älte­ren Frauen mit loka­len Beschwer­den und bekann­ter Hash­i­moto-Thy­reo­idi­tis. „Obwohl die genaue patho­ge­ne­ti­sche Ver­bin­dung bis­lang nicht bekannt ist, ist die bei einer Hash­i­moto-Thy­reo­idi­tis typi­sche Lym­pho­zy­ten­in­fil­tra­tion mit einem papil­lä­ren Schild­drü­sen­kar­zi­nom asso­zi­iert und könnte somit even­tu­ell einen Risi­ko­fak­tor für eine sol­che Neo­pla­sie dar­stel­len,“ gibt Priv. Doz. Chris­tian Trum­mer von der Kli­ni­schen Abtei­lung für Endo­kri­no­lo­gie und Dia­be­to­lo­gie der Uni­ver­si­täts­kli­nik für Innere Medi­zin in Graz zu beden­ken. Daher laute die Emp­feh­lung eini­ger Exper­ten: bei Hash­i­moto-Thy­reo­idi­tis eine sono­gra­phi­sche Kon­trolle in grö­ße­ren Abstän­den, sofern keine kon­troll­be­dürf­ti­gen kno­ti­gen Ver­än­de­run­gen vorliegen.

Hash­i­moto-Enze­pha­lo­pa­thie

Eine wei­te­res sehr sel­te­nes, aber mit der Hash­i­moto-Thy­reo­idi­tis asso­zi­ier­tes Krank­heits­bild ist die Hash­i­moto-Enze­pha­lo­pa­thie. Es han­delt sich um eine Ste­roid-sen­si­tive, schub­weise ver­lau­fende und pro­gre­di­ente Enze­pha­lo­pa­thie mit Ver­wirrt­heit, epi­lep­ti­schen Anfäl­len, Vigi­lanz­min­de­rung, schlag­an­fall­ähn­li­chen Epi­so­den, Myo­klo­nien und Tre­mor. Der zugrun­de­lie­gende Pathome­cha­nis­mus ist bis­her unklar, da die meis­ten Pati­en­ten zum Zeit­punkt der Vor­stel­lung euthy­reot sind. Aller­dings fin­den sich erhöhte Titer von TPO-AK und TG-AK, obwohl kein direk­ter Zusam­men­hang zwi­schen der Titer­höhe und der Schwere der neu­ro­lo­gi­schen Sym­pto­ma­tik vor­liegt. Im Liquor zei­gen unge­fähr 80 Pro­zent der Betrof­fe­nen eine erhöhte Pro­te­in­kon­zen­tra­tion; bis zu 98 Pro­zent der Pati­en­ten zei­gen im EEG unspe­zi­fi­sche Abnor­mi­tä­ten. Ver­mu­tet wird der­zeit eine Auto­im­m­un­vas­ku­li­tis oder ähn­li­che inflamm­a­to­ri­sche Pro­zesse, da die Hash­i­moto-Enze­pha­lo­pa­thie auch gemein­sam mit ande­ren Auto­im­mun­erkran­kun­gen wie Myasthe­nia gra­vis, sys­te­mi­schem Lupus ery­the­ma­to­des und Typ 1‑Diabetes auf­tritt. Der über­wie­gende Teil der Pati­en­ten mit Hash­i­moto-Enze­pha­lo­pa­thie spricht sehr gut auf eine Glu­ko­kor­ti­ko­id­the­ra­pie an; ver­ein­zelt kommt es zu einer inkom­plet­ten Gene­sung. Nahezu 25 Pro­zent der Pati­en­ten, die nicht sofort behan­delt wur­den, wei­sen blei­bende kogni­tive Beein­träch­ti­gun­gen auf.


Carb­am­aze­pin oder Rif­am­pizin erreicht. Ein zeit­li­cher Abstand von min­des­tens vier Stun­den nach der Thy­ro­xin­me­di­ka­tion ist bei Cho­le­s­ty­ra­min, Ace­tyl­sa­li­cyl­säure, Eisen­sul­fat, Sucral­fat, Cal­ci­um­car­bo­nat, Ant­a­cida, eisen­hal­ti­gen Vit­amin­prä­pa­ra­ten und Nah­rung auf Soja­ba­sis not­wen­dig. Bei älte­ren Pati­en­ten und Pati­en­ten mit kar­dio­vas­ku­lä­ren Begleit­erkran­kun­gen sollte die Thy­ro­xin­auf­sät­ti­gung all­mäh­lich und schritt­weise erfol­gen. „Ganz gene­rell auf die Hypo­thy­reose bezo­gen gab es in letz­ter Zeit einige Stu­dien, die eine Anpas­sung des TSH-Wer­tes an das Alter befür­wor­ten“, merkt Priv. Doz. Chris­tian Trum­mer von der Kli­ni­schen Abtei­lung für Endo­kri­no­lo­gie und Dia­be­to­lo­gie der Medi­zi­ni­schen Uni­ver­si­tät Graz an. So könne beson­ders bei älte­ren Pati­en­ten ein ver­gleichs­weise höhe­rer TSH-Wert bei nor­ma­len freien Schild­drü­sen­hor­mo­nen akzep­tiert wer­den, ohne dass eine The­ra­pie zwin­gend not­wen­dig sei. Kur­ta­ran warnt davor, die T4-Tablet­ten kei­nes­falls zu pau­sie­ren oder abzu­set­zen, sobald eine Euthy­reose erreicht ist, denn meist sei die Sub­sti­tu­ti­ons­the­ra­pie lebens­lang notwendig.

Nach einer Erst­ein­stel­lung oder Dosis­än­de­rung emp­fiehlt sich eine Kon­trolle des TSH-Spie­gels nach sechs bis acht Wochen. „Zur Kon­trolle der Schild­drü­sen­funk­tion reicht prin­zi­pi­ell eine Bestim­mung von TSH und dem freien Thy­ro­xin aus. Bei Pati­en­ten mit laten­ter Hypo­thy­reose ohne Indi­ka­tion für eine Levo­thy­ro­xin-The­ra­pie soll­ten inner­halb der ers­ten zwei Jahre sechs-monat­li­che Kon­trol­len statt­fin­den, dann jähr­lich“, so Trum­mer. Unter lau­fen­der The­ra­pie mit Levo­thy­ro­xin und sta­bi­len labor­che­mi­schen Ver­hält­nis­sen emp­fiehlt Trum­mer zumin­dest jähr­li­che Kon­trol­len der Schild­drü­sen­funk­ti­ons­pa­ra­me­ter, bei Beschwer­den auch häu­fi­ger. Die TPO-AK und Tg-AK die­nen ledig­lich der Dia­gno­se­stel­lung; wie­der­holte Anti­kör­per­mes­sun­gen zur Über­wa­chung der Erkran­kung brin­gen kei­nen Bene­fit für die Patienten.

Men­schen, die an Hash­i­moto-Thy­reo­idi­tis lei­den, wei­sen oft eine inad­äquate Ein­nahme oder einen Man­gel an Mine­ral­stof­fen und Vit­ami­nen wie Eisen, Zink, Magne­sium, Selen, Jod, Vit­amin A, Vit­amin D und Vit­ami­nen der B‑Gruppe auf. Da sich häu­fig eine Dys­biose im Zusam­men­hang mit Schild­drü­sen­er­kran­kun­gen fin­det, wird eine funk­tio­nelle Ver­bin­dung zwi­schen Darm und Schild­drüse als ‚thy­roid-gut-axis‘ dis­ku­tiert, wel­che im Falle eines gestör­ten Mikro­bi­oms im Darm eine gestörte Auf­nahme von Mikro­nähr­stof­fen zur Folge hat. Ein ähn­li­cher Effekt zeigt sich auch bei Pati­en­ten nach baria­tri­schen Ope­ra­tio­nen. „Wenn die Sym­ptome der Hash­i­moto-Thy­reo­idi­tis mit Thy­ro­xin-Gabe nicht aus­rei­chend bekämpft wer­den kön­nen, ist die Gabe von alter­na­ti­ven Sub­stan­zen wie Selen als Ergän­zung zur Hor­mon­the­ra­pie ver­tret­bar,“ meint Kur­ta­ran. Dadurch könne bei einem Teil der Betrof­fe­nen eine Bes­se­rung der Beschwer­den erreicht und das Wohl­be­fin­den gestei­gert wer­den. Kur­ta­ran wei­ter: „Auch die zusätz­li­che Gabe von Zink, Vit­amin D uns so wei­ter kann in sol­chen Fäl­len Sinn machen.“

© Öster­rei­chi­sche Ärz­te­zei­tung Nr. 23–24 /​15.12.2021