Interview Johannes Steinhart: „Wir Ärzte sind bereit“

25.01.2021 | Medizin

Die Ärztinnen und Ärzte sind bereit und wollen impfen – die Politik muss es wollen, sagt der Kurienobmann der niedergelassenen Ärzte in der ÖÄK, Johannes Steinhart. Impfstoff, Impfbeginn und Impfstrategie, Priorisierung, E-Impfpass und Impf-Tablets – zu all diesen Fragen nimmt er Stellung im Gespräch mit Agnes M. Mühlgassner.

Wie ist der aktuelle Stand in puncto Impfstrategie? Die Länder haben die Impfstrategie vom Bund übernommen. Wir haben jetzt neun regionale Impfpläne mit unterschiedlichen Priorisierungen und auch neun unterschiedliche Impfphasen. Das ist der aktuelle Stand*. Leider ändert sich die Strategie sehr häufig.

Was bedeutet das für niedergelassene Ärzte? Ursprünglich war es so geplant, dass jede Ärztin und jeder Arzt die Impfstoffe direkt bei der Bundesbeschaffungsgesellschaft bestellen kann. Jetzt ist es aber so, dass die Ärzte ihren Impfstoffbedarf bei den Impfstoff-Koordinatoren in ihrem jeweiligen Bundesland bestellen. Wenn das Bundesland die niedergelassenen Ärzte in die Impfstrategie einbezieht, kauft das Bundesland zentral bei der Bundesbeschaffungsbehörde ein nach den Mengenmeldungen bei den Impfstoff-Koordinatoren der Bundesländer. Der pharmazeutische Großhandel verteilt dann den Impfstoff.

Wie genau geht das vor sich? Hier muss man unterscheiden: Die Ärzte, die keine Hausapotheke haben, müssen eine Apotheke angeben, an die der Impfstoff geliefert werden soll und wo sie dann ihren Impfstoff abholen können. Die hausapothekenführenden Ärzte können die Impfstoffe direkt beim Pharmagroßhandel bestellen. Das ist jedenfalls der aktuelle Stand.

Wieso geht die Impfstoffverteilung in Österreich nur so zögerlich voran? Weil wir noch nicht genügend Impfstoff haben! Man hat bei der Beschaffung hauptsächlich auf den AstraZeneca-Impfstoff gesetzt und beim derzeit als einzig zugelassenen von BioNTech/Pfizer gespart. Außerdem hat es ja die Kompetenzstreitigkeiten gegeben. Zuerst war die Planung beim Bund und ist jetzt in der Kompetenz der Länder. Die Zuteilung der Impfstoffkontingente selbst erfolgt nach der Einwohnerzahl.

Kritik gibt es auch daran, dass zunächst Hochrisikopersonen in Alters- und Pflegeheimen geimpft werden sollen, dann erst die Ärzte. Diese Kritik ist richtig und absolut nachvollziehbar. Wir sprechen hier von der Gruppe 1 bei der Priorisierung, die diese Hochrisikopersonen umfasst. In Gruppe 1 sind aber genauso Ärzte und alle Angehörigen des Gesundheitspersonals. Hier hat es ja auch im Nationalen Impfplan erst kürzlich eine Änderung der Priorisierung gegeben. Aber auch hier gilt: Dadurch, dass die Kompetenzen vom Bund an die Länder übergegangen sind, erfolgt die Priorisierung durch das jeweilige Bundesland. Dort wird entschieden, wer geimpft wird.

Warum sollen Ärzte bei Impfungen priorisiert werden? Die niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte sind ein ganz entscheidender Faktor, wenn wir das ganze System weiter am Laufen halten wollen. Es ist wichtig, dass das Gesundheitspersonal, das in direktem Kontakt mit den Patienten steht, zuerst geimpft wird. Wenn man es riskiert, dass Ärzte weiterhin ungeschützt in den Ordinationen tätig sind, kann es sehr schnell eng werden, wenn es zu Ausfällen kommt durch Krankheitsfälle oder Quarantänemaßnahmen und die Versorgung im niedergelassenen Bereich nicht mehr gesichert ist oder was ganz katastrophal wäre, wenn sie zu Superspreadern werden. Und wenn man es sinnvoll machen will, dann muss man zeitgleich das Personal in den Ordinationen impfen, um einsatzfähige Teams zu haben. Man muss darauf schauen, dass man die Ärzte hat, die man braucht, um die Bevölkerung medizinisch zu versorgen. Denn nur weil wir eine Pandemie haben, heißt das ja nicht, dass Menschen nicht auch an anderen Erkrankungen leiden und medizinisch versorgt werden müssen. Die Ärztinnen und Ärzte sind bereit und wollen auch impfen. Wir können das tun. Die Politik muss es wollen.

Wieso spielen die niedergelassenen Ärzte hier eine besondere Rolle? Eines darf man ja nicht vergessen: Die Impfung von niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten bringt auch noch ganz andere Effekte mit sich. Nur wenn wir im niedergelassenen Bereich geschützt sind, können wir die wohnortnahe Versorgung aufrechterhalten. Dadurch werden die Spitalsambulanzen entlastet und in letzter Konsequenz, wenn wir in den Ordinationen dann die Breitenimpfung durchführen, natürlich den stationären Bereich plus Intensivstationen entlasten.

Wie geht es mit den Impfungen der Ärztinnen und Ärzte voran? Vorarlberg hat es geschafft, gleich Anfang Jänner allen niedergelassenen Ärzten die Impfung anzubieten. Wir haben beispielsweise in Wien 8.500 Impfdosen für niedergelassene Ärzte ausverhandelt. Und die Impf-Slots dafür waren in nicht einmal 24 Stunden ausgebucht. Also das Interesse der Ärztinnen und Ärzte ist enorm. Wir werden in Wien rasch weitere Termine bekanntgeben. Ich bin mir sicher, dass das in ganz Österreich bald auf Schiene ist. Das hängt auch immer davon ab, wann es die nächsten Impfstofflieferungen gibt. Das ist der Flaschenhals.

Was sollte man bei der Verabreichung des Impfstoffs selbst beachten? Die Handhabung des aktuellen Impfstoffs ist extrem kompliziert. Er muss bei -70 Grad gelagert werden, der Moderna-Impfstoff bei -20 Grad. Sobald der Pfizer/BioNTech-Impfstoff aufgetaut ist, muss er rasch verimpft werden. Dieser Impfstoff eignet sich also nicht besonders gut für die Impfung in den Ordinationen, das geht eigentlich nur in Impfstraßen. Außerdem ist der Impfstoff extrem erschütterungsgefährdet. Er muss an dem Ort, an dem er für die Impfung vorbereitet wird und verdünnt wird, unmittelbar verimpft werden und sollte dann nicht mehr weiter transportiert werden. Sobald der Impfstoff von AstraZeneca verfügbar ist, wird man auch mit den Breitenimpfungen in den Ordinationen beginnen können.

Mit der Impfung gegen COVID-19 hält auch der E-Impfpass Einzug in die Ordinationen. Wird die Dokumentation damit tatsächlich einfacher? Die Dokumentation mit dem E-Impfpass sollte wesentlich einfacher werden. Wir gehen davon aus, dass bis Ende März, also dann, wenn die Impfungen flächendeckend in der Bevölkerung erfolgen, rund 80 Prozent der Ärzte mit dem E-Impfpass-Tool ausgestattet sind. Hier ist es uns gelungen, für alle niedergelassenen Ärzte, die das E-Card-Impf-Tool anschaffen und an die Ordinations-Software anbinden, eine einmalige Förderung von 1.300 Euro zu erzielen und zwar nicht nur für die §2-Kassenärzte, sondern auch für die Wahlärzte. Für Impfstraßen und größere Einrichtungen ist eine Tablet-Lösung vorgesehen. Damit können alle Impfdaten in den E-Impfpass eingespielt werden. Wenn ein Arzt die E-Card steckt, sieht er gleich, welche Impfungen schon gemacht wurden und der Patient kann über das ELGA-Portal seine Impfungen abrufen. Einige Softwarefirmen haben diese Tools schon fertig programmiert. Ich kann nur allen Ärzten, die impfen werden, empfehlen, dieses Tool zu bestellen.

Wie sieht es mit dem Impfhonorar aus? Auch hier ist uns ein großer Erfolg in den Verhandlungen gelungen. 25 Euro wird es für die erste Teilimpfung und 20 Euro für die zweite Teilimpfung geben. Wir haben das Ganze also auch honorartechnisch gut abgefedert.

*) Das Interview fand am 13. Jänner statt.
© Österreichische Ärztezeitung Nr. 1-2 / 25.01.2021