Behandlung von COVID-19: Strategien aus Österreich

25.02.2021 | Coronavirus, Medizin


Zwei vielversprechende Arzneimittelkandidaten gegen SARS-CoV-2, die von österreichischen Wissenschaftern entwickelt wurden, werden derzeit getestet. Während APN01 am ACE2-Rezeptor ansetzt und die Infektion mit SARS-CoV-2 verhindern soll, soll die andere Substanz, deren Angriffspunkt Glykane sind, prophylaktisch zum Einsatz kommen.

Zu Beginn der Pandemie setzten Experten im Kampf gegen SARS-CoV-2 große Hoffnungen in bereits zugelassene und erprobte Arzneimittel wie Chloroquin oder Lopinavir/Ritonavir. Allerdings konnten diese Arzneimittel im klinischen Alltag nicht überzeugen. Zwei neue Ansätze kommen nun aus Österreich: eine Therapie mit einem rekombinanten löslichen Angio tensin Converting Enzyme 2 (rhACE2) namens APN01, an dessen Entwicklung Univ. Prof. Josef Penninger – derzeit an der University of British Columbia (Vancouver, Kanada) tätig – maßgeblich beteiligt ist und eine Prophylaxe, die sich auf Glykane als Angriffspunkt konzentriert und ein Grazer Forschungsteam um Univ. Prof. Andreas Kungl entwickelt hat.

Kurz vor Abschluss der klinischen Phase II steht APN01, das einerseits die Infektion von Zellen mit SARS-CoV-2 verhindern, andererseits die Schädigung verschiedener Organe reduzieren und schließlich die durch COVID-19 verursachten Entzündungsreaktionen in der Lunge behandeln soll. „APN01 ist eine vielversprechende Therapie, die aufgrund ihrer multiplen Wirkweise für alle Infektionserkrankungen nützlich sein kann“, erklärt Priv. Doz. Bernd Lamprecht von der Klinik für Lungenheilkunde am Kepler Universitätsklinikum, wo die Substanz in den letzten Monaten erprobt wurde. „Das Mittel hat das Potential, die Krankheitsdauer zu verkürzen, die Progression der Krankheit zu stoppen und eine Beatmung von Patienten zu verhindern.“

Phase-II-Studie mit 200 Patienten

In die internationale, multizentrische, doppelt-verblindete, randomisierte und Placebo-kontrollierte Studie zur Behandlung schwerkranker COVID-19-Patienten wurden pro Studien-Arm jeweils etwa 100 Patienten in Deutschland, Österreich, Dänemark, Großbritannien und Russland aufgenommen. Hauptkriterium bei der Patientenauswahl war ein schwerer COVID-Verlauf mit einer niedrigen Sauerstoffsättigung und weiteren Begleiterkrankungen vor einer intensivmedizinischen Betreuung. Die Patienten waren zwischen 35 und 80 Jahre alt.

„In Linz wurden elf Patienten mit schweren COVID-19-Verläufen in die Studie aufgenommen. Alle konnten genesen entlassen werden“, sagt Lamprecht. „Wir wissen allerdings noch nicht, wie viele davon mit dem Placebo therapiert wurden.“ Weder bei Patienten aus dem Linzer Kollektiv noch bei jenen aus der Klinik Favoriten wurden klinisch relevante Nebenwirkungen beobachtet. „Auch Blutdruckregulierungsstörungen, zu denen es durch das Unterbinden der Angiotensin-II-Wirkung kommen könnte, wurden nicht verzeichnet.“ Ausgenommen von der bisherigen Studie waren Patienten mit schweren Lungenvorerkrankungen wie COPD oder Lungenkarzinom. Lamprecht dazu: „Diese Entscheidung wurde bewusst getroffen, um die Wirkung möglichst unbeeinflusst von Begleittherapien beurteilen zu können.“

Limitierend: Darreichung

Allerdings ist die Schwelle für die Anwendung dieses Arzneimittels derzeit noch sehr hoch. Die intravenöse Gabe der 30-minütigen Infusion in Abstand von zwölf Stunden über einen Zeitraum von sieben Tagen macht einen Einsatz im niedergelassenen Bereich noch schwer möglich. „Das ist einer der limitierenden Aspekte des Mittels“, so Lamprecht. „Es könnte aber sein, dass sich die finale Darreichungsform noch ändert und möglicherweise eine subkutane Anwendung angestrebt wird.“ Ziel müsse es sein, dass das Präparat ähnlich wie andere Antikörper-Therapien sehr frühzeitig und daher schon beim Allgemeinmediziner verabreicht werden kann. Einen wesentlichen Vorteil hat APN01 bereits jetzt: „Es braucht keinerlei komplizierte Lagerbedingungen.“

Prophylaktisch niedrig dosierte Heparinoide

Nicht therapeutisch, sondern prophylaktisch-oral sollen niedrig-dosierte Heparinoide (NDHs) eingesetzt werden. Während APN01 am ACE2-Rezeptor ansetzt, konzentriert sich NDH auf den Proteoglykan-Co-Rezeptor. „In-vitro Experimente haben gezeigt, dass Glykane wie Heparin die Infektion von Ziel-Zellen dosisabhängig fast komplett verhindern“, unterstreicht Univ. Prof. Andreas Kungl vom Institut für Pharmazeutische Wissenschaften der Universität Graz. Gemessen wird die Inhibition mittels der Virus-Replikation. „Wir überprüften die Viruslast nach Behandlung mit unseren Substanzen und stellten eine signifikante Reduktion im Vergleich zu unbehandelten Zellen fest.“ Auch das absehbar günstige Nebenwirkungsprofil gibt „Grund zur Hoffnung“ für die ersten Studien mit Patienten.

Das Präparat soll prophylaktisch für alle Altersgruppen als Tablette und zur Inhalation in Pulverform zur Verfügung stehen. „Durch die orale Form als Lutschpastille soll dem Virus suggeriert werden, es sei bereits am Zielort angekommen, wodurch es an seiner Infektiosität verliert“, sagt Kungl. Damit wird auch die interpersonelle Transmission weitgehend gestoppt. „Ist derjenige bereits infiziert, dann kann die zweite Anwendungsmöglichkeit des Präparats helfen. Eine Inhalation soll die virale Aktivität in der Lunge neutralisieren.“ Die Erfolge der Präklinik sollen jetzt durch den Einsatz bei Menschen verifiziert werden. Kungl dazu: „Dosis-Wirkungs-Studien und die zugehörige Pharmakologie sind die nächsten notwendigen Schritte, damit das Präparat verfügbar gemacht werden kann.“ (MCW)

 

 

 

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 4 / 25.02.2021