Standpunkt Thomas Szekeres: Keine Kosten scheuen

27.09.2021 | Aktuelles aus der ÖÄK

a.o. Univ.-Prof. Thomas SzekeresErkrankungen verschwinden nicht wie von Geisterhand und es wird Zeit, dass sie wieder in den Vordergrund rücken. Kollateral­schäden, weil Patienten pandemiebedingt nicht zur Vorsorge gegangen sind, dürfen nicht ignoriert werden. Früh­-Diagnosen sind zurückgegangen, Bluthochdruck, Diabetes und Herz­-Kreis­lauf-­Erkrankungen werden zunehmen, ebenso Übergewicht und Adipositas. Kinder und Jugendliche weisen nach Zeiten der Lock­downs und Schulschließungen Impflücken auf, die rasch zu schlie­ßen sind. Hochinfektiöse Erkrankungen wie Masern lassen sich mit einer hohen Durchimpfungsrate ausrotten. Hier gehört wieder dringend angesetzt, denn es muss vieles aufgeholt werden, was verabsäumt wurde.

Eine weitere Baustelle sind die Versorgungstrukturen der Zukunft. Angesichts der immer älter werdenden Bevölkerung und der stei­genden Anzahl an chronischen Erkrankungen – die früher noch tödlich verliefen – werden diese mehr denn je gefragt sein und uns alle betreffen. Hier muss es nicht nur eine Verzahnung zwischen den einzelnen Gesundheitsberufen geben, sondern auch die finan­ziellen Mittel für entsprechende Projekte zur Verfügung stehen. Die Notlösung von 24­Stunden­Pflegern aus dem Ausland ist keine dauerhafte Lösung.

Auch in der Finanzierung muss umgedacht werden – Gesundheits­- und Sozialberufe müssen entsprechend honoriert werden. Patientenversorgung bedeutet auch viel Kommunikation, Aufklärung, Information und ausführliche Gespräche. Das wird derzeit nicht entsprechend honoriert. Ebenso müssen jene Honorare angeho­ben werden, die seit bald 30 Jahren nicht erhöht wurden, Stichwort Mutter-Kind­-Pass. Es schrillen die Alarmglocken, wenn der ÖGK­ Obmann in einem Nebensatz im Radio erwähnt, dass die Gelder umgeschichtet werden sollen, dass in seinen Augen hochverdie­nende Ärztinnen und Ärzte in ihren Honoraren reduziert werden, die beispielsweise Allgemeinmedizinern und Kinderärzten zugute­ kommen. So wird das nicht gehen. Die Leistungen gehören adäquat angeglichen, aber nicht zulasten von anderen Ärztinnen und Ärzten. Damit provoziert man nur einen Kassenärztemangel in weiteren medizinischen Fächern und Unverständnis bei den Betroffenen.

Es bleibt viel zu tun und der Politik muss klar sein: diese offenen Baustellen im Gesundheitssystem müssen fertiggestellt werden. Gesundheit ist der falsche Ort, um Kosten und Mühen zu scheuen.

a.o. Univ.-Prof. Thomas Szekeres
Präsident der Österreichischen Ärztekammer

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 18 /25.09.2021