Stand­punkt Johan­nes Stein­hart: Ein Win­ter wie damals

15.12.2021 | Aktuelles aus der ÖÄK

Schon wie­der. Erneut erle­ben wir einen Win­ter, der von Lock­downs und einem gefähr­de­ten Gesund­heits­sys­tem geprägt ist. Trotz aller Impf­ap­pelle hat uns die mitt­ler­weile nun vierte Welle wie­der voll erwischt und das Sys­tem bis an seine Gren­zen gebracht. Wobei „Sys­tem“ natür­lich ein viel zu abs­trak­ter Begriff ist – dahin­ter ste­hen mensch­li­che Schick­sale und zahl­lose per­sön­li­che Grenz­erfah­run­gen. Sowohl in den Spi­tä­lern leis­ten Ärz­tin­nen und Ärzte und das gesamte Spi­tals­per­so­nal Über­mensch­li­ches im Kampf gegen die Pan­de­mie, ebenso die Kol­le­gin­nen und Kol­le­gen im nie­der­ge­las­se­nen Bereich, die alles geben, um die Pati­en­ten­ver­sor­gung auf­recht zu erhal­ten und die intra­mu­ra­len Struk­tu­ren zu ent­las­ten. Sie leis­ten dabei erneut groß­ar­tige Arbeit und haben sich erst­klas­sig und auch mit viel Eigen­in­itia­tive auf die ver­än­der­ten Rah­men­be­din­gun­gen ein­ge­stellt. Daher sollte man sie als erwie­sene und erprobte Pro­fis auch ihren Job machen lassen.

Denn auf kei­nen Fall aber brau­chen wir, dass uns Poli­ti­ker erklä­ren, wie wir unsere Pati­en­ten behan­deln sol­len und auch keine Apo­the­ker, die nach einem Schnell­sie­de­kurs glau­ben, dass sie alles über das Imp­fen wis­sen. Bei­des gefähr­det unnö­ti­ger­weise die Gesund­heit und Sicher­heit unse­rer Pati­en­ten und stört nur die Pro­fis bei ihrer Arbeit – näm­lich die bes­tens aus­ge­bil­de­ten Ärz­tin­nen und Ärzte. Unter­stüt­zen könnte man sie dage­gen in ihrer wich­ti­gen Arbeit, wenn end­lich das Dis­pen­sier­recht für alle Ärz­tin­nen und Ärzte ein­ge­führt würde. Gerade in der aktu­el­len Pan­de­mie­lage und bei der Betreu­ung von COVID-Pati­en­ten kann es doch wohl nicht ernst­haft der Weis­heit letz­ter Schluss sein, dem Pati­en­ten ein Rezept in die Hand zu geben und ihm viel Glück für seine Suche nach der nächs­ten Apo­theke zu wün­schen. Im länd­li­chen Raum bedeu­tet dies einen zusätz­li­chen Weg in einem Umfang, der auch einen drei­stel­li­gen Kilo­me­ter­be­reich aus­ma­chen kann, in jedem Fall aber wer­den der Pati­ent und seine mög­li­chen Kon­takt­per­so­nen bei­spiels­weise in öffent­li­chen Ver­kehrs­mit­teln einem unnö­ti­gen Infek­ti­ons­ri­siko aus­ge­setzt. Hier sollte man aus der Pan­de­mie eine Lehre für die Zukunft ziehen.

Ein­mal mehr gilt Ihnen allen mein beson­de­rer Dank für die her­aus­ra­gen­den Leis­tun­gen in die­sem Jahr, alles Gute für 2022, das uns hof­fent­lich wie­der einen Win­ter und ein Leben wie damals, näm­lich vor der Pan­de­mie, beschert.

Dr. Johan­nes Steinhart
Vize-Prä­si­dent der Öster­rei­chi­schen Ärztekammer

© Öster­rei­chi­sche Ärz­te­zei­tung Nr. 23–24 /​15.12.2021