Offene Kassenstellen: Steuer herumreißen

10.05.2021 | Aktuelles aus der ÖÄK


Neue Zahlen unterstreichen, dass sich das Problem der offenen Kassenstellen weiter verschärft hat. Gerade im Bereich der Kassen-Kinderärzte ist die Lage prekär. Statt Problemlösung würden die Bundesländer aber großteils sinnlosen Aktionismus betreiben, konstatiert der Vizepräsident der Österreichischen Ärztekammer. Dabei gäbe es viele mögliche Ansatzpunkte.
Sascha Bunda

Im halbjährlichen Rhythmus gibt es sie mittlerweile: Parlamentarische Anfragen zur Lage der kassenärztlichen Versorgungslage im Bereich der Allgemeinmedizin und der Kinder­ und Jugendheilkunde. Die enge Taktung legt schon nahe, dass es in diesem Bereich nicht zum Besten steht und auch dieses Mal wird das von den übermittelten Zahlen leider bewiesen. Die Zahl der Kassenärzte stagniert weiter, im Bereich der Kinderärzte sinkt die Zahl sogar. Das mediale Interesse an diesen Zahlen war bedeutend, in den sozialen Medien häuften sich die Erfahrungsberichte von Menschen, die die Versorgungslage in ihrer Wohnortumgebung bemängelten. „Die österreichischen Kassenärzte leisten ausgezeichnete Arbeit. Mit ihrem großen persönlichen Einsatz halten sie die wohnortnahe Versorgung aufrecht, obwohl die Lücken im Kassensystem immer größer und deutlicher spürbar werden“, kommentiert Johannes Steinhart, Vizepräsident der Österreichischen Ärztekammer und Bundeskurienobmann der niedergelassenen Ärzte, die aktuellen Kassenarztzahlen. Gerade im Bereich der Kassen­Kinderärzte sei die Lage durch offene Stellen mittlerweile prekär und werde sich durch die bevorstehende Pensionierungswelle noch verschärfen, wenn nicht endlich gegengesteuert werde. „Es bedarf hier dringender Handlungen der Politik, um den ausgehungerten Kassenarztbereich nicht noch weiter zu demontieren“, so Steinhart. Eine aktuell noch laufende Erhebung der Österreichischen Ärztekammer zeigt, dass sich das schon bisher gravierende Problem während der Pandemie weiter verschärft hat. In der Allgemeinmedizin sind die unbesetzten Kassenstellen österreichweit erneut gestiegen. Im Bereich der Kinder­ und Jugendheilkunde werden die Sorgenfalten noch tiefer. Aktuell gibt es etwa in Niederösterreich 13 unbesetzte Kassenstellen für Kinderärzte, aus Wien wurden zwölf unbesetzte Stellen im Kassenbereich gemeldet. Im Sommer 2020 waren es noch jeweils elf unbesetzte Stellen, schon damals gab es große Lücken in der Versorgung. Im fachärztlichen Bereich bleibt zudem die Frauenheilkunde ein Sorgenkind.

Die Folge: Immer häufiger gibt es Bezirke, in denen sich kein Kassen­-Kinderarzt oder kein Kassen­-Gynäkologe mehr finden lässt. „Bei der Problemlösung packen die Länder aber nicht an der Wurzel an, sondern betreiben Aktionismus, der zu kurz greift“, sagt Steinhart. Geld werde lieber beispielsweise in Projekte gesteckt, bei denen Kassenpraxen in Spitälern eingerichtet werden und man mit viel finanziellem Aufwand versucht, Ärzte dorthin zu locken. Besser wäre es natürlich, das Geld in den niedergelassenen Bereich und dort in die allgemeine Verbesserung der Arbeitsbedingungen zu stecken.

Ansatzpunkte gebe es viele, unterstreicht Steinhart: Es brauche mehr Ausbildungsstellen sowie die Honorierung der fachärztlichen Lehrpraxis, um mehr Nachwuchs für den niedergelassenen Kassenbereich zu gewinnen. „Zudem sollte man die administrativen Hürden beseitigen, mit denen die Kassenärzte konfrontiert werden. Jede Minute, die etwa sinnlos in Warteschleifen bei der Medikamentenbewilligung verbracht wird, ist eine Minute, die in der qualitativen Arbeit mit den Patienten fehlt.“ Gerade im kinderärztlichen Bereich sei Zuwendungsmedizin aber entscheidend. Besonders Beratungen zu Ernährung oder Verhalten bräuchten Zeit, die das derzeitige Kassensystem aber nicht honoriere und damit in diesem Bereich spare, sagt Steinhart, der sich für eine Aufhebung der Limitierungen ausspricht. „Hier zu investieren, wäre sinnvoll angelegtes Geld – denn je früher interveniert werden kann, desto mehr Geld für Folgeschäden spart sich das Gesundheitssystem“, so Steinhart, der den Ärztemangel als eine weitere massive Baustelle im Gesundheitswesen titulierte, auf der der neue Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein nun anpacken müsse. „Als Kassen­Allgemeinmediziner kennt er die Probleme dieses Bereichs ganz genau. Wir hoffen, dass er hier das Steuer herumreißen kann.“

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 9 / 10.05.2021