ÖÄK-Protestmarsch: Angriff auf ärztliche Selbstverwaltung

25.06.2021 | Aktuelles aus der ÖÄK

Als Reaktion auf die Ärztegesetznovelle Mitte Juni 2021, die eine Beschneidung der Kompetenzen in der Ausbildung und bei der Qualitätskontrolle zur Folge hat, ging die ÖÄK auf die Straße. Als deutlicher und sichtbarer Protest wurde unmittelbar vor dem Ärztekammertag ein Trauermarsch quer durch Wien organisiert.

 

 

 

„Hauptsache war, der Ärztekammer Kompetenzen wegzunehmen.“

Thomas Szekeres

 

 

 

 

 

„Die Zeche für diese Attacke der Bundesländer wird nun die Bevölkerung zahlen müssen.“

Harald Mayer

 

 

 

 

„Was dieser Schildbürgerstreich bedeuten soll, ist völlig unklar.“

Johannes Steinhart

 

 

 

 

 

Dunkle Kleidung, schwarze Masken, Transparente, beschriftet mit: „Hände weg von unserer Ausbildung“, „Qualität darf nicht geopfert werden“ und „Patientinnen und Patienten verdienen die beste Medizin.“ Derart ausgestattet ging die Österreichische Ärztekammer nach der Mitte Juni dieses Jahres beschlossenen Ärztegesetznovelle auf die Straße, um ihren Unmut gegen diesen „unfreundlichen Akt“ nochmals lautstark zu artikulieren. Neben den Ärztevertretern schlossen sich weitere Ärzte dem Protestmarsch an. Ein entsprechend geschmückter Sarg symbolisierte, wie ein bewährtes, kompetentes und objektives System mutwillig zu Grabe getragen wird. Denn durch diesen Beschluss wurden der Österreichischen Ärztekammer Kompetenzen bei der ärztlichen Ausbildung und gleichzeitig auch bei der Qualitätssicherung in den Ordinationen entzogen. Die ÖÄK ist darüber entsetzt.

Ausgangspunkt war ein juristischer Formalfehler, der einfach behoben hätte werden können. Stattdessen wurde dieser Formalfehler dafür genutzt, ein bewährtes System mutwillig zu zerstören. Für Thomas Szekeres, Präsident der Österreichischen Ärztekammer, ist das Motiv dahinter „glasklar“, man wolle die Ärzteschaft bewusst vor den Kopf stoßen: „Es ging dabei nie um die Patientensicherheit oder mehr Objektivität – das sind nur vorgeschobene Scheinargumente. Hauptsache war, der Ärztekammer Kompetenzen wegzunehmen, egal, wo diese dann schlussendlich landen“, sagt Szekeres.

Ausbildung in Gefahr

Jahrelang hat sich die Österreichische Ärztekammer in Zusammenarbeit mit zahlreichen Experten um die Rahmenbedingungen gekümmert, unter denen die ärztliche Ausbildung stattfinden soll, mit dem Ziel, die Qualität der Patientenversorgung auf dem hohen Niveau zu halten. Die Novelle des Ärztegesetzes gefährdet dieses Ziel. Und das gehe nicht nur auf Kosten der Ärzte, sondern auf die gesamte Bevölkerung: „Die Zeche für diese vorgenommene Attacke der Bundesländer wird nun die Bevölkerung bezahlen müssen“, warnt Harald Mayer, Vizepräsident der Österreichischen Ärztekammer und Bundeskurienobmann der angestellten Ärzte. Und weiter: „Anstatt österreichweit einheitlich die Ausbildungsagenden der Ärzte zu vollziehen, müssen die Bundesländer jetzt mit Steuermitteln neun Parallelsysteme aufbauen – das Geld wäre besser in der Versorgung der Bevölkerung investiert.“ Die Novelle sei ein ungerechtfertigter Angriff auf die Kammer und deren Selbstverwaltung. Und sie koste auch mehr, denn: „Die Bevölkerung muss nun für zusätzliche Kosten für ein schlechteres, zersplittertes und unausgegorenes System aufkommen.“ Die Novelle schaffe nur finanzielle Zusatzbelastungen bei einem drohenden Qualitätsverlust und einer Verschärfung der ohnehin schon grassierenden Probleme: „Schon jetzt steht die Qualität der ärztlichen Ausbildung durch Sparpolitik der vergangenen Jahre massiv unter Druck – die Entwicklungen, die nun durch diese Novelle zu befürchten sind, könnten den Todesstoß bedeuten“, warnt Szekeres.

 

 

 

 

Petra Preiss, Thomas Szekeres, Herwig Lindner, Peter Niedermoser und Brigitte Steininger …

 

 

 

 

 

 

… beim ÖÄK-Protestmarsch …

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

… vor dem Gesundheitsministerium …

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

… auf dem Weg durch die Wiener Innenstadt …

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

… bei der Pressekonferenz: Michael Jonas, Petra Preiss, Harald Mayer, Johannes Steinhart, Thomas Szekeres, Herwig Lindner, Peter Niedermoser

 

 

 

 

 

 

Unabhängige Qualitätskontrolle

Bei der Qualitätssicherung habe man überhaupt eine Situation geschaffen, in der man Kompetenzen von der ÖÄK an den Bundesminister überträgt. Dieser wiederum muss jetzt ein System aufbauen, obwohl es längst ein funktionierendes und bewährtes System gibt. Bislang hat die Österreichische Gesellschaft für Qualitätssicherung und Qualitätsmanagement (ÖQMed) die Qualitätssicherung im niedergelassenen Bereich evaluiert, gemessen und sich um die Verbesserung der Qualität in den Arztpraxen gekümmert: „Die Qualitätssicherungsarbeit der ÖQMed ist weltweit einzigartig und erfolgreich, was dieser Schildbürgerstreich bedeuten soll, ist vollkommen unklar“, kritisiert Johannes Steinhart, Vizepräsident der Österreichischen Ärztekammer und Bundeskurienobmann der niedergelassenen Ärzte. Die neue Regelung zeige eindeutig, dass es ausschließlich um die Beschneidung der Kompetenzen der Österreichischen Ärztekammer geht. Steinhart: „Spätestens jetzt sind alle Masken gefallen.“ Wenn Beamte im Ministerium nun aus heiterem Himmel Zuständigkeiten erhalten, die Neuland für sie sind, sei das mehr als ungünstig, betont Szekeres: „Die Beamten im Ministerium sind eigentlich zu bemitleiden, weil sie plötzlich aus heiterem Himmel ein System übergestülpt bekommen, für das sie keine Erfahrungen mitbringen.“

Qualitätskontrolle in den Spitälern

Immer wieder wird damit argumentiert, dass derzeit ein Interessenskonflikt bestehe, weil die ÖQMed als Tochterunternehmen der ÖÄK in ärztlicher Hand sei. Eine Qualitätskontrolle von Ärzten über andere Ärzte sei zu hinterfragen, wird argumentiert. Dieses Argument weist die ÖÄK aber entschieden von sich. Die Vorgaben der ÖQMed werden nämlich von einem Gremium, dem wissenschaftlichen Beirat, erstellt. In diesem vertreten sind neben der ÖÄK die Gesundheit Österreich GmbH sowie Experten des Bundesministeriums für Gesundheit, Vertreter der Bundesländer, der Sozialversicherungen, der Patientenvertretung, der Medizinischen Universitäten, der Bundesarbeiterkammer und der privaten Krankenanstalten. Damit ist klar, dass die Ärztekammer nur mit Minderheitsrechten vertreten ist.

Umgekehrt werde aber bislang die Qualitätskontrolle der Spitäler, die in den Händen der Bundesländer liegt, von diesen auch durchgeführt, verweist Szekeres auf ein tatsächliches Problem. Es sei sehr bedenklich, dass aktuell die Bundesländer als Spitalserhalter für die Qualitätskontrolle in den Spitälern zuständig sind. „Wenn man schon A sagt, dann muss man hier auch B sagen“, fordert der ÖÄK-Präsident eine unabhängige Qualitätskontrolle der Krankenanstalten: „Betreiber und Kontrolle gehören getrennt.“ (sb, sni)

 


 

Ärztekammertag beschließt Resolution

Aufgrund dieser Entwicklungen bei der Ärztegesetznovelle wurde auf dem 143. Ärztekammertag in Wien eine entsprechende Resolution beschlossen. Diese im Wortlaut:

Die Österreichische Ärztekammer ist entsetzt über die Ärztegesetznovelle, die ein funktionierendes und bewährtes System mutwillig und grundlos zerstört.

Die Qualität der ärztlichen Ausbildung kann nur sichergestellt werden, wenn sie von Ärztinnen und Ärzten, mit ihrem eigenen Wissen und der eigenen Erfahrung, geplant und strukturiert wird. Denn sie wissen selbst am besten, welche Rahmenbedingungen und Inhalte der Ärztenachwuchs benötigt, um die Patientenversorgung in Österreich weiterhin auf hohem Niveau zu halten. Während bislang Ärztinnen und Ärzte die Rahmenbedingungen für die Ärzteausbildung selbst festgelegt haben, werden das in Zukunft medizinfremde Landesbehörden übernehmen. Statt Ärztinnen und Ärzten werden nun Beamtinnen und Beamte darüber entscheiden, an welchem Standort wie viele Ärztinnen und Ärzte gleichzeitig in einer Abteilung ausgebildet werden. Für die ÖÄK steht außer Zweifel, dass die Ausbildung weiterhin in die kompetenten Hände der Ärztinnen und Ärzte gehört, denn nur so kann die Versorgungsqualität gesichert werden.

Die Österreichische Ärztekammer fordert daher den Gesetzgeber auf, die zu Lasten der Ärztekammer vorgenommenen Verschlechterungen im Ausbildungsbereich entweder zurückzunehmen oder mit sofortiger Wirkung die diesbezügliche Zuständigkeit den Bundesländern zu übertragen.

Ebenso muss die Qualitätskontrolle in den Ordinationen durch unabhängige Ärztinnen und Ärzte erfolgen. Stattdessen wurde nun eine Situation geschaffen, in der man die Kompetenzen der ÖÄK – und damit eines freien Berufes – an den Gesundheitsminister überträgt, der jetzt ein System aufbauen muss, obwohl es längst ein funktionierendes und bewährtes System gibt.

Diese Entwicklungen lehnt die ÖÄK vehement ab. Sie sieht die Patientenversorgung für die Zukunft akut gefährdet. Zudem fordert die Österreichische Ärztekammer eine unabhängige Qualitätskontrolle der Krankenanstalten sowie von der Politik unabhängige Patientenanwaltschaften.

 


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© Österreichische Ärztezeitung Nr. 12 / 25.06.2021