Konsultativtagung: Grenzenloses Lernen

17.08.2021 | Aktuelles aus der ÖÄK

Die 66. Konsultativtagung der deutschsprachigen Ärzteorganisationen in Wien stand wenig überraschend ganz im Zeichen der COVID-Pandemie. Aber auch Private Equity in der Medizin und die Rolle des Arztes bei Suizidbeihilfe thematisierten die ärztlichen Spitzenvertreter aus Deutschland, Österreich, der Schweiz, Südtirol und Luxemburg.
Sascha Bunda

Eine Vielzahl von Parallelen traten im Laufe der Konsultativtagung im Umgang mit COVID-19 zutage. Als Resultat wurde dazu ein Positionspapier (Seite 11) beschlossen.

Behandelt wurde daneben auch das Thema Private Equity. Klaus Reinhardt, Präsident der deutschen Bundesärztekammer, berichtete von steigendem Einfluss dieses Sektors. Bei Krankenhausübernahmen habe es im Frühjahr dieses Jahres 21 % mit Private Equity Beteiligung gegeben, 2020 waren es neun Prozent gewesen. Bei Transaktionen im Bereich Pflege seien 50 % mit Private Equity Beteiligung gewesen – ebenfalls im Frühjahr 2021, nach 33 Prozent im Jahr 2020.

Wolfgang Miller, Präsident der Landesärztekammer Baden-Württemberg, referierte im Themenblock Sterbehilfe die Auswirkungen des Urteils des Bundesverfassungsgerichtes vom Februar 2020, in dem festgestellt wurde, dass das Verbot der geschäftsmäßigen Sterbehilfe gegen das Grundgesetz verstoße. Nach intensiven Diskussionen in verschiedenen Gremien der Bundesärztekammer sei auf dem 124. Deutschen Ärztetag 2021 beschlossen worden, „dass die Herbeiführung des Todes nie Ziel einer ärztlichen Heilbehandlung war und ist, wie es sich aus dem Hippokratischen Eid und dem Genfer Gelöbnis entnehmen lässt.“ Es könne „niemals Aufgabe der Ärzteschaft sein, für Nichterkrankte (!) jenseits des Arzt-Patienten-Verhältnisses eine Indikation, Beratung oder gar Durchführung eines Sterbewunsches zu vollziehen.“ Gefordert wurden daher unter anderem eine breite Diskussion über die Rolle der Ärzteschaft in der Sterbehilfe, der Ausbau der Suizidprävention und der Palliativmedizin.

ÖÄK-Vizepräsident Herwig Lindner ging in seinem Bericht unter anderem auf eine niederländische Studie ein. 56 % der Menschen mit Sterbehilfe-Wunsch hätten dabei Einsamkeit als einen Grund genannt, 42 % das Gefühl, eine Last zu sein und 36 % Geldmangel. Auch er sprach sich für einen Ausbau der Hospiz- und Palliativbetreuung aus. Bei palliativmedizinisch betreuten Patienten schwinde auch der Wunsch nach Sterbehilfe.

„Wenn Sterben vom Schicksal zur Entscheidung wird, braucht es gute Leitlinien“, berichtete Yvonne Gilli, Präsidentin der FMH. Beihilfe zum Suizid ist in der Schweiz lediglich durch das Strafgesetz geregelt und nicht durch gesonderte Gesetzgebung. Daher komme der Standesordnung der FMH eine hohe Bedeutung zu, die Ärztekammer könne Richtlinien der Schweizerischen Akademie der Medizinischen Wissenschaften (SAMW) in die Standesordnung aufnehmen. Die Richtlinien von 2018 seien etwa abgelehnt worden. In diesen wäre Suizidhilfe bereits erlaubt gewesen, wenn die Krankheit des Patienten Ursache „unerträglichen Leidens“ sei. Das Dilemma dabei: Wie soll das objektiv geprüft werden?

Richtige Schlüsse

Die Lehren, die aus diesem internationalen Austausch bezüglich der Pandemie gezogen werden konnten, referierten ÖÄK-Präsident Thomas Szekeres und ÖÄK-Vizepräsident Lindner in der Folge auch in einer eigenen Pressekonferenz. Dass in Deutschland wie in Österreich zum Glück vermieden werden konnte, dass in den Intensivstationen aus Mittelknappheit eine Triage zur Anwendung kommen musste, hat für Szekeres zwei Hauptgründe: „Da wie dort lag das neben dem unfassbaren Einsatz des medizinischen Personals auch daran, dass man die vor der Pandemie oft geäußerten Ratschläge aus Wirtschaft und Wissenschaft zu einem systematischen Bettenabbau ignoriert hat. Solche vorgeblichen Expertenmeinungen kennen wir in Österreich natürlich auch.“ Die Lehre daraus sei eindeutig, so der ÖÄK-Präsident. Überall in Europa und auch in Österreich müsse sich spätestens jetzt in den Köpfen der politischen Entscheidungsträger festsetzen, dass das Gesundheitssystem nicht wie ein Budgetposten wie jeder andere behandelt werden könne.

Lindner sprach sich vehement für mehr Autarkie in Europa aus: „Was wäre gewesen, wenn China gesagt hätte, es gibt keine Masken und keine Mäntel mehr, weil wir sie selbst brauchen?“ Die EU müsste festlegen, welche Produkte und Medikamente zu diesem Basissatz zählen. Die Produktion könne auf die EU-Länder aufgeteilt werden.

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 15-16 / 15.08.2021