Interview Martin Clodi: „Zentraler Bestandteil“

25.02.2021 | Aktuelles aus der ÖÄK


Die elektronische Patientendokumentation erleichtert die Arbeit, ist sicherer und soll möglichst vor dem Patienten direkt erfolgen, sagt Univ. Prof. Martin Clodi, Abteilungsvorstand an der Inneren Medizin am Krankenhaus der Barmherzigen Brüder in Linz, im Interview.
Sophie Niedenzu

Welche Vorteile ergeben sich durch die digitale Fieberkurve? Die Befunde und der Behandlungsablauf sind alle in einem File zusammengeführt. Mit wenigen Klicks kann man die gesamte Krankengeschichte des Patienten erheben. Es ist möglich, über die digitale Fieberkurve vom Arztzimmer aus die gesamte Station im Blick zu behalten, Zuweisungen zu schreiben, Befunde zu kontrollieren, Befunde abzuzeichnen und notwendige Therapieänderungsschritte vorzunehmen. Die digitale Fieberkurve ermöglicht es einem einzelnen Arzt, eine Station mit 30, zumindest mit 15 Patienten, selbständig zu überblicken, zu visitieren und zu führen. Es sind alle notwendigen Schritte möglich, von der Erstellung der Fieberkurve bis zur ganz einfachen Erstellung und Adaptierung des Arztbriefes. In den Arztbriefen werden automatisch über sogenannte Module die Zusammenfassung, das EKG, der Aufnahmegrund, die Befunde, die Epikrise, die Empfehlungen, Termine und Kontrollen aufgenommen. Diese Module können kontinuierlich während des stationären Aufenthalts befüllt werden. Insofern ist es schwer möglich, dass wesentliche Punkte schlussendlich im Arztbrief verloren gehen. Grundsätzlich ermöglicht die digitale Fieberkurve auch mittels Sprachsoftware, die Dokumentation direkt über Diktieren und Transkription in ein Wordfile umzuwandeln. Das wird beispielsweise in der Radiologie gemacht.

Wie erfolgt das Medikamentenmanagement? Mit der digitalen Fieberkurve kann die Medikation online eingegeben werden. Dadurch kommt es zu weniger Verwechslungen und zu keinen Medikationsüberschneidungen. Ein pharmazeutisches Tool, das aktuell noch über die Apotheke der Barmherzigen Brüder betrieben wird, überprüft auch die Interaktion zwischen den Medikamenten und gibt vor, welche Interaktionen bestehen und welche Therapieadaptierungen stattfinden sollten. In einem letzten Schritt wird nun auch die elektronische Medikation über eine Verblisterungsmaschine direkt dazu verwendet, dass die Patienten, selbst auf Akutstationen, die Medikamente nicht mehr durch die Pflege eingeschachtelt bekommen, sondern über die Verblisterungsmaschine den Patienten die richtige Medikation zum richtigen Zeitpunkt zugeteilt wird. Die Medikation kann aus dem Krankenakt direkt in den Arztbrief umgeschlüsselt werden.

Wie beurteilen Sie hier die Arbeitsentlastung für die Ärzte? Aus meiner Sicht hat die digitale Fieberkurve zu einer Entlastung der ärztlichen Dienstmannschaft geführt. Manches dauert zwar länger, dafür ist es sicherer. Die Arztbriefe beispielsweise entstehen mittlerweile fast automatisiert. Es benötigt nur mehr ein Diktat für die Epikrise. Das kann man auch selbst schreiben. Sonst ist der Brief mit ein paar Klicks und Textbausteinen fertig. Bei uns, an der Internen, gehen alle Patienten mit einem fertigen Arztbrief nach Hause, der auch unmittelbar nach elektronischer Vidierung in die ELGA eingemeldet wird.

Wie kann man den Bedürfnissen aller medizinischen Fachrichtungen entsprechen? Man muss dafür sorgen, dass für die verschiedenen Bereiche die Kurven adaptiert werden. In unserem System hat das bereits stattgefunden. Die Dokumentation ist ein zentraler Bestandteil unserer Arbeit, egal ob es sich um eine interne Station oder eine chirurgische Station handelt. Ich denke, dass wir hier nicht darum herumkommen und dass uns die digitale Dokumentation hier unheimlich viel hilft. Wir hatten bereits mehrere Beschwerden, die wir durch die digitale Fieberkurve, die sekundengenau nachweist, wann welche Aktion gesetzt wurde, entkräften konnten.

Wo sehen Sie mögliche Grenzen bei der digitalen Patientendokumentation? Grenzen bestehen sicher darin, dass je mehr digital ist, desto mehr wendet man sich vom Gespräch mit dem Patienten ab. Das muss man beachten. Daher bin ich dafür, dass möglichst viel vor dem Patienten eingegeben wird, damit hier durch direkte Fragen die Dokumentation vervollständigt wird. Außerdem hat der Patient das Gefühl, dass man sich mehr um ihn annimmt. Sonst verschwindet ja viel hinter verschlossenen Türen hinter dem Computer.

Welches Feedback gibt es vom Personal? Die Akzeptanz beim Personal ist ziemlich hoch. Viele kommen deswegen zu uns ins Spital. Wir haben viele Kollegen – seien es Turnusärzte oder Facharztkollegen – die sagen, dass sie von diesem System ziemlich beeindruckt sind und dass sie das Gefühl haben, in anderen Spitälern sei man noch sehr weit zurück.

 

 

 

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 4 / 25.02.2021