BKAÄ: Interview Viktoria Nader: Spitals- und Wahlärztin – „Beide Welten vereinen“

25.10.2021 | Aktuelles aus der ÖÄK

Die Gynäkologin Viktoria Nader arbeitet am Klinikum Rohrbach und als Wahlärztin. Im Interview spricht sie über Arbeitsverdichtung, Errungenschaften im Spitalsalltag und die positiven Nebeneffekte der Pandemie.
Sophie Niedenzu

Wie viele Stunden arbeiten Sie im Spital? Ich habe meine Arztausbildung in Vollzeit absolviert, da kann man am meisten mitnehmen, im Fluss und an der Patientenbetreuung dranbleiben. Es geht hier auch um den operativen Teil, der viel Praxis erfordert. Als fertige Fachärztin für Gynäkologie bin ich nun 50 Prozent angestellt. Ich habe ein Kind, da ist die Kinderbetreuung einfacher zu organisieren. Es hat sich schon sehr viel verbessert, aber einfach ist es immer noch nicht. Ein absoluter Meilenstein ist die Kinderbetreuung im Spital, die sehr flexibel ist und keine Ferienzeiten hat. Die öffentliche Kinderbetreuung wäre unzureichend gewesen, ohne familiäres Back-up.

Welche Arbeitszeitmodelle werden zukünftig eine noch größere Rolle spielen? Ich arbeite auch in einer Ordination, das bietet sich in der Gynäkologie sehr gut an. Es ermöglicht, die Vorteile aus beiden Welten zu vereinen. Sowohl im Spital angestellt zu sein, als auch als selbstständiger Arzt zu ordinieren, ist meiner Meinung nach das Modell der Zukunft und sollte auch ermöglicht werden. Die Spitalsarbeit alleine verliert aufgrund der zunehmenden Belastung mit den Nacht- und Feiertagsdiensten einfach an Attraktivität. Es ermöglicht auch eine kontinuierliche Betreuung, weil unsere Patienten aus der Ordination dann auch ins Krankenhaus kommen. Wir sind vier Wahlärzte und vertreten uns gegenseitig, außerdem sind wir alle im Spital tätig. Es ergänzt sich gut, denn während wir in der Ordination Vorsorgeuntersuchungen und Schwangerenbetreuung machen, können wir die Patientinnen im Spital gegebenenfalls operieren und bei der Geburt unterstützen.

Wie sehr ist das Bild von in Vollzeit tätigen Spitalsärzten überholt? Die Arbeitsverdichtung ist besonders in größeren Spitälern ein Thema und der Wunsch ist da, mehr Ausgleich zu haben. Unabhängig von der familiären Situation und von Nebentätigkeiten geht der Trend grundsätzlich in die Richtung, nach einer Arztausbildung in Vollzeit die Stunden zu reduzieren. Auch während der Ausbildung unterschreiben nur einige das Opt-out und arbeiten freiwillig mehr Stunden. Eine Arztausbildung sollte auch grundsätzlich mit einer 48-Stunden-Woche möglich sein.

Welche Maßnahmen haben die Arbeitssituation verbessert? Dass Arbeitszeitgesetz war eine Errungenschaft. In meiner Turnuszeit war es noch normal, dass ich nach meinem Dienst in der Abteilung noch bis Mittag in der Ambulanz gearbeitet habe. Mittlerweile sind die Arbeitszeiten strenger reglementiert und das führt zu einem Gewinn in der Lebensqualität. Was jetzt speziell die Pandemie angeht, hat sich die Situation in der Ambulanz deutlich verbessert, weil hauptsächlich Notfälle versorgt wurden und viele zuerst zu ihrem Hausarzt gegangen sind. Die Lenkung der Patientenströme ist ein großes Thema. Es gibt Länder, in denen vieles primär über den Hausarzt läuft, in Österreich ist der Zugang zum Spital sehr niederschwellig. Das ist eine Aufgabe für die Zukunft, wie die Patientenversorgung optimiert werden kann.

Welche weiteren Nebeneffekte gab es durch die Pandemie? Die strikte Besuchsregelung und die damit einhergehende größere Ruhe hat sich sehr positiv ausgewirkt. Auf unserer Geburtshilfestation hatten die Frauen weniger Stillprobleme, sind schneller wieder fit gewesen und konnten früher entlassen werden. Besuch nach der Geburt ist schön, ist aber abseits vom Partner und den Kindern zusätzlicher Stress. Auch andere Stationen haben berichtet, dass sich die strikte Besuchsregelung positiv ausgewirkt hat.

Wie zufrieden sind Sie mit der Arztausbildung? Die Qualität hat sich sehr verbessert, es wurden beispielsweise einfache medizinische Tätigkeiten an die Pflege übertragen und die Rasterzeugnisse überarbeitet. Sie decken nun besser ab, was tatsächlich gemacht wird. In Oberösterreich werden, wie es in der Steiermark und Kärnten auch der Fall ist, die Ausbildungsoberärzte für ihre zusätzliche Arbeit honoriert, das ist eine weitere Verbesserung. Der Schlüssel, um die jungen Ärzte in Österreich zu behalten, ist eine strukturierte Ausbildung. Vor allem die allgemeinmedizinische Ausbildung muss noch verbessert werden, die Turnusärzte gehören mehr eingebunden.

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 20 / 25.10.2021