Gesundheitszustand und Armut: Corona: Bewegung fehlt

25.10.2021 | Aktuelles aus der ÖÄK

Eine aktuelle Befragung unter Ärzten zeigt, dass sich der Gesundheitszustand durch die Pandemie bei armutsbetroffenen Kindern und Jugendlichen verschlechtert hat. Notwendig seien mehr Kassenärzte für Psychotherapie, sowie ein Ausbau der Gesundheitsbetreuung an Schulen und die Reformierung der Kassenverträge in der Kinder- und Jugendheilkunde.

Armutsbetroffene Kinder und Jugendliche sind über ihr gesamtes Leben öfter krank und haben eine um fünf bis acht Jahre verkürzte Lebenserwartung. Dieser schlechtere Gesundheitszustand zeigt sich schon im Säuglings- und Kleinkindalter und hat sich durch die Pandemie weiter verschlechtert, sagten sechs von zehn Ärzten in Österreich im Rahmen einer Umfrage der Ärztekammern Wien, Niederöstereich, Burgenland, Salzburg, Kärnten und Vorarlberg in Zusammenarbeit mit der Volkshilfe. Teilgenomen haben 448 Ärzte, davon waren ein Viertel aus den Fachbereichen Kinder- und Jugendheilkunde bzw. Kinder- und Jugendpsychiatrie und mehr als ein Drittel aus der Allgemeinmedizin.

Psyche hat gelitten

Der schlechtere Gesundheitszustand im Säuglings- und Kleinkindalter zeige sich vor allem im sprachlichen und motorischen Bereich, ebenso bei der Zahngesundheit. Die Ärzte gaben an, dass die betroffenen Kinder häufiger unter Bewegungsmangel leiden und Psyche und Bewegung durch die Pandemie bei ärmeren Kindern noch stärker gelitten haben. Zwei Drittel sagen, dass armutsbetroffene Kinder durch die Corona-Krise noch weniger Bewegung hatten (siehe Grafik), wobei die Zahlen für Wien mit 82 Prozent besonders hoch sind. Bei den Kinderärzten geben das österreichweit 82 Prozent an, bei den Wiener Kinderärzten sind es sogar 90 Prozent. Die Zahlen seien alarmierend, kritisiert ÖÄK-Präsident Thomas Szekeres. Man dürfe nicht vergessen, dass die Jungen die chronisch Kranken von morgen seien: „Wer bei Kindern spart, spart an der Zukunft, denn Kinder, die in Armut leben, erkranken öfter, zeigen vermehrt Entwicklungsstörungen, erkranken häufiger psychisch, sind stärker suizidgefährdet.“

Als häufigste Ursache für die gesundheitliche Ungleichheit wird von den befragten Ärzten der strukturelle Mangel von gesundheitsfördernden Lebensumständen benannt. 82 Prozent sagten, Kinder sind aufgrund der psychosomatischen Folgen der Armutslage – etwa schlechte Wohnverhältnisse, wie Schimmel oder Kälte, aber auch Mobbing und Stress – häufiger krank. Bei den Kinderärzten nennen gar 89 Prozent diese Ursache. 76 Prozent der Befragten sagten auch, dass es eine starke finanzielle Absicherung von Kindern und Jugendlichen braucht, um gesundheitliche Ungleichheit auszugleichen.

Gesundheitsbetreuung an Schulen

Für eine bessere Absicherung des Gesundheitszustands von armutsbetroffenen Kindern forderten die Mediziner vor allem kostenlose Therapien für Kinder bei medizinischer Notwendigkeit. Außerdem sollten Maßnahmen zur Mund- und Zahngesundheit für Unter-18-Jährige gratis sein und die Krankenkassenplätze für Psychotherapie erweitert werden. Zudem sei es notwendig, die Kassenverträge im Bereich der Kinder- und Jugendheilkunde zu reformieren und auszubauen. Aber auch den Ausbau der Gesundheitsbetreuung an Schulen nannte eine Mehrheit als besonders wichtige Maßnahme. (sni)

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 20 / 25.10.2021