Neben Bewegung und Vorsorgeuntersuchung gilt auch die Ernährung als effektive präventive Maßnahme, das Risiko für Erkrankungen zu reduzieren. Hausärzte zählen zu den ersten Anlaufstellen für Patienten und stehen auch in Lebensstilfragen beratend zur Seite.
Sophie Niedenzu
Vernachlässigte Vorsorgeuntersuchungen, der Gang zum Arzt erst bei langanhaltenden Beschwerden, Lebensstilveränderungen aufgrund der Pandemiemaßnahmen: Die Österreichische Ärztekammer warnt seit längerer Zeit vor Kollateralschäden als Folge der Pandemie. Laut Statistik Austria lässt sich mehr als ein Drittel aller Todesfälle in Österreich im Jahr 2020 auf HerzKreislaufErkrankungen zurückführen. Als besonders gefährlich gilt eine Verengung von Gefäßen, die auch zu Herzinfarkt und Herzmuskelschwäche führen kann. Wer seine Risikofaktoren reduziert, kann präventiv viel erreichen. Zur Risikoreduzierung zählt auch die bewusste Ernährung. Zahlreiche nationale und internationale Studien belegen eine deutliche Gewichtszunahme während der Pandemie. Das kann auch Artur Wechselberger, Allgemeinmediziner und Leiter des ÖÄKReferats für Ernährungsmedizin, aus seinen Erfahrungen bestätigen: „Viele meiner Patienten haben in der Zeit der Pandemie, und hier insbesondere während der Lockdowns, deutlich an Gewicht zugenommen“, erzählt er. Zahlreiche medizinische Fachgesellschaften schlagen Alarm, denn die Gefahren von Folgeerkrankungen aufgrund von Übergewicht sind nicht zu unterschätzen. So warnt etwa die Österreichische Diabetes Gesellschaft vor gesundheitlichen Folgen der gesamtgesellschaftlichen Gewichtszunahme, bedingt durch Telearbeit, Lockdowns, geändertem Sozial und Freizeitverhalten.
Wesentlicher Grundpfeiler
Viele Hausärzte bieten als erste Anlaufstelle für Patienten auch eine Ernährungsberatung an, so auch Wechselberger. In der ärztlichen Praxis sei man ständig mit Lebensstilfragen konfrontiert, ebenso mit Trends in der Ernährung. Wichtig sei, aktuelle Ernährungstrends genau zu analysieren. Bemerkbar sei, dass sich neben einer generell häufigeren Nahrungsaufnahme zwei Typen von Menschen herauskristallisieren würden, erzählt Wechselberger: „Die einen nutzen die Zeit, um vermehrt selbst und großzügiger zu kochen und zu backen, die anderen greifen, insbesondere in der Zeit der Beschränkungen zu Fast Food und Lieferservices.“ Die Kombination aus einem geänderten Essverhalten, Bewegungsmangel, aber auch vermehrtem Alkoholkonsum seien klar, gute Vorsätze, dem entgegenzuwirken, seien nicht das Problem. Wie so oft mangelt es an einer entsprechend konsequenten und erfolgreichen Änderung des Lebensstils, die mit Hilfe des Hausarztes möglicherweise leichter von der Hand geht: „Lebensstilberatung ist eine wichtige Leistung, die der Hausarzt erbringt, denn sie ist ein wesentlicher Grundpfeiler der Prävention“, sagt Wechselberger. Zudem es eine Fülle an Tipps im Internet gebe, die korrekt einzuordnen wären. Es gebe viele Fehlinformationen, medizinisch nicht haltbare Tipps und esoterische oder mystische Elemente in Ernährungsfragen: „Esoterische Trends lassen sich am ehesten in den Versuchen, Nahrungsmittel zur Stärkung des Immunsystems einzusetzen, finden“, sagt Wechselberger. Er warnt vor allen einseitigen Ernährungsformen: „Ich rate dazu, Ernährungstrends nach den altbewährten Vorgaben, wie der Ausgewogenheit in den Inhaltsstoffen, der Menge und des Kaloriengehalts zu beurteilen“, sagt er. Klar ist für Wechselberger auch, dass diese Beratungsgespräche Zeit brauchen. Diese ist in den Praxen der Kassenärzte oft knapp. Daher sei die ÖGK gefordert, ihren Vertragsärzten die nötigen Ressourcen für diese Leistungen zu ermöglichen.
© Österreichische Ärztezeitung Nr. 23–24 /15.12.2021