BKNÄ: Leis­tungs­ka­ta­log: Erfolg­rei­cher Abschluss

10.06.2021 | Aktuelles aus der ÖÄK

Ein veri­ta­bles Mam­mut-Pro­jekt konnte die Bun­des­ku­rie nie­der­ge­las­sene Ärzte abschlie­ßen und nun das Ergeb­nis der Öffent­lich­keit prä­sen­tie­ren. In den ver­gan­ge­nen Jah­ren wurde ein moder­ner und den aktu­el­len medi­zi­ni­schen Anfor­de­run­gen ent­spre­chen­der Leis­tungs­ka­ta­log für alle medi­zi­ni­schen Fächer erarbeitet.
Sascha Bunda

Über 200 Ärzte waren über meh­rere Jahre an einem Pro­jekt mit rie­si­gen Dimen­sio­nen betei­ligt. Ihr Ziel: Die Schaf­fung eines moder­nen, völ­lig über­ar­bei­te­ten und den aktu­el­len medi­zi­ni­schen Anfor­de­run­gen ent­spre­chen­den kas­sen­ärzt­li­chen Leis­tungs­ka­ta­lo­ges für alle Fächer der Medi­zin. Die Her­ku­les­auf­gabe wurde gemeis­tert und so konn­ten Johan­nes Stein­hart, Vize­prä­si­dent der Öster­rei­chi­schen Ärz­te­kam­mer und Bun­des­ku­ri­en­ob­mann der nie­der­ge­las­se­nen Ärzte, und Edgar Wut­scher, Pro­jekt­lei­ter und Obmann der Bun­des­sek­tion All­ge­mein­me­di­zin, im Rah­men einer Pres­se­kon­fe­renz die Ergeb­nisse die­ses Mega-Pro­jek­tes präsentieren.

Was die Auf­gabe so schwie­rig machte, war die öster­rei­chi­sche föde­ra­lis­ti­sche Tra­di­tion und ihre jahr­zehn­te­lan­gen Ent­wick­lun­gen. Die Mit­ar­bei­ter an die­sem Pro­jekt sahen sich zu Beginn kas­sen­ärzt­li­chen Leis­tungs­ka­ta­lo­gen mit regio­nal oft sehr unter­schied­li­chen Aus­prä­gun­gen gegen­über. Bestimmte Leis­tun­gen wur­den in bestimm­ten Bun­des­län­dern ange­bo­ten und in ande­ren nicht. Zudem schwank­ten die ärzt­li­chen Hono­rare oft ohne sach­li­chen Grund beträcht­lich. „Dazu kommt, dass der büro­kra­ti­sche Auf­wand zum Bei­spiel für die Bewil­li­gung von bestimm­ten Medi­ka­men­ten, Dia­gno­sen und The­ra­pien je nach Bun­des­land sehr unter­schied­lich sein kann“, schil­derte Stein­hart. Ein prak­ti­sches Bei­spiel sei die Ver­sor­gung chro­ni­scher Wun­den, die in den Bun­des­län­dern sehr unter­schied­lich gehand­habt wurde und die im neuen Kata­log nun umfas­send abge­bil­det ist. „Das ist kein Hono­rar­ka­ta­log“, stellte Stein­hart klar. „Wir prä­sen­tie­ren auf rund 150 Sei­ten einen rundum aktua­li­sier­ten Kata­log, der alle medi­zi­ni­schen Leis­tun­gen und ärzt­li­chen Tätig­kei­ten abbil­det, die in den Ordi­na­tio­nen auch tat­säch­lich geleis­tet wer­den kön­nen.“ Wel­che die­ser medi­zi­nisch wün­schens­wer­ten Leis­tun­gen sich dann tat­säch­lich in der kas­sen­ärzt­li­chen Rea­li­tät wie­der fin­den wer­den, werde Gegen­stand der Ver­hand­lun­gen mit der Öster­rei­chi­schen Gesund­heits­kasse sein. Stein­hart betonte auch den Gesichts­punkt des aktu­el­len Ärz­te­man­gels: „Ver­al­tete Leis­tungs­ka­ta­loge tra­gen auch dazu bei, dass sich immer weni­ger Medi­zi­ner für den Beruf des Kas­sen­arz­tes ent­schei­den.“ Es gebe also viele gute Argu­mente für einen moder­nen und öster­reich­weit ein­heit­li­chen Leis­tungs­ka­ta­log zur Grund­lage kas­sen­ärzt­li­cher Leistungen.

Stän­dige Weiterentwicklung

Pro­jekt­lei­ter Edgar Wut­scher bedankte sich aus­drück­lich „bei den mehr als 200 Ärz­tin­nen und Ärz­ten, die täg­lich in den Ordi­na­tio­nen ihre Frau bezie­hungs­weise ihren Mann ste­hen, sowie den Mit­ar­bei­tern der Lan­des­ärz­te­kam­mern und der medi­zi­ni­schen Taskforce, die gemein­sam mit der ‚Arbeits­ge­mein­schaft Kas­sen‘ an dem Pro­jekt mit­ge­ar­bei­tet haben“, ehe er die Ergeb­nisse zusam­men­fasste. Zur Moder­ni­sie­rung des Kata­lo­ges seien etwa neue, dem aktu­el­len Medi­zin­stan­dard ent­spre­chende Leis­tun­gen ein­ge­führt wor­den, dar­un­ter etwa tele­me­di­zi­ni­sche Leis­tun­gen. Diese hät­ten sich gerade wäh­rend der Corona-Pan­de­mie beson­ders bewährt, weil sie einen Arzt-Pati­ent-Kon­takt ohne stei­gen­des Infek­ti­ons­ri­siko ermög­lich­ten, so Wut­scher. Im Ein­zel­nen handle es sich hier um die Tele­or­di­na­tion inklu­sive tele­fo­ni­sche Krank­schrei­bung und Online-Rezepte sowie den elek­tro­ni­schen Daten­aus­tausch zwi­schen Kran­ken­haus, Ambu­lan­zen bezie­hungs­weise Pati­en­ten. Wei­ters seien wich­tige gesprächs­me­di­zi­ni­sche Leis­tun­gen berück­sich­tigt wor­den, ebenso wie die beson­dere Betreu­ung von Schmerz­pa­ti­en­ten und die inten­sive Betreu­ung, Bera­tung und Beglei­tung von Pati­en­ten mit Ver­dacht auf Krebs bezie­hungs­weise bei bereits bestehen­dem Krebs und die Rau­cher­be­ra­tung. Wei­ters wur­den dele­gier­bare Leis­tun­gen ein­ge­führt und berück­sich­tigt, wie bei­spiels­weise Visi­ten durch Phy­sio­the­ra­peu­ten oder Ergo­the­ra­peu­ten. Dazu wur­den neue Fach­grup­pen in den Leis­tungs­ka­ta­log auf­ge­nom­men, wie Nukle­ar­me­di­zin (zum Bei­spiel Schild­drü­sen­ab­klä­rung und Behand­lung), Mund-Kie­fer-Gesichts­chir­ur­gie, Plas­ti­sche Chir­ur­gie und Neu­ro­chir­ur­gie. „Natür­lich konn­ten viele ver­al­tete Leis­tungs­po­si­tio­nen von bestehen­den Hono­rar­ka­ta­lo­gen gestri­chen wer­den“, sagte Wut­scher, der als Bei­spiel einige „anti­qua­ri­sche“ Rönt­gen­leis­tun­gen anführte: „Somit kön­nen wir einen moder­nen, dem aktu­el­len medi­zi­ni­schen Wis­sens­stand ent­spre­chen­den Leis­tungs­ka­ta­log vorstellen.“

„Erfreu­li­cher­weise konn­ten die Arbei­ten am ein­heit­li­chen Leis­tungs­ka­ta­log schon im März 2020 abge­schlos­sen wer­den“, betonte Wut­scher. Aller­dings sei dann die Hilfe für die Men­schen in den Vor­der­grund gerückt, so der BSAM-Obmann. Es sei selbst­ver­ständ­lich, dass die­ser Kata­log stän­dig aktua­li­siert und dem neu­es­ten Wis­sen ange­passt werde. „Es ist eine Prä­sen­ta­tion in stän­di­ger Wei­ter­ent­wick­lung“, so Wut­scher, der betonte, dass der Kata­log zudem eine Aktua­li­sie­rungs­au­to­ma­tik mit sich bringe: „Jede Fach­gruppe wird bei ihren Sit­zun­gen, die min­des­tens halb­jähr­lich statt­fin­den, die Kata­log­po­si­tio­nen eva­lu­ie­ren und aktua­li­sie­ren – damit ist gewähr­leis­tet, dass der Kata­log stän­dig den aktu­el­len Stand reprä­sen­tiert.“ Diese könne nur die Ärz­te­kam­mer mit ihren bewähr­ten Struk­tu­ren gewährleisten.

Dass sei­tens der ÖGK schon unge­dul­dig auf die Prä­sen­ta­tion des Leis­tungs­ka­ta­lo­ges gewar­tet wurde, passt für Wut­scher ins Bild: „Statt selbst Initia­tive zu zei­gen und selbst etwas auf die Beine zu stel­len, war­tet man lie­ber ab, ob nicht jemand anders die Pro­bleme für einen löst. Wir haben das gese­hen bei der Frage der Schutz­aus­rüs­tung, bei der Frage der Kol­la­te­ral­schä­den und auch bei der Frage der Aus­gleichs­zah­lun­gen für nie­der­ge­las­sene Ärzte – stets hat sich die ÖGK in nobler Zurück­hal­tung geübt, sich für nicht zustän­dig erklärt und hat die Arbeit den ande­ren über­las­sen.“ Auf der ande­ren Seite habe man sich in der ÖGK-Chef­etage sogar noch gefreut, dass die Men­schen weni­ger zum Arzt gegan­gen sind und man dadurch das Minus in Gren­zen hal­ten konnte. „Im Gegen­satz zu den nie­der­ge­las­se­nen Ärz­ten, die wäh­rend Corona selbst­ver­ständ­lich die lücken­lose Ver­sor­gung der Pati­en­ten in den Vor­der­grund gestellt haben, scheint man in den ÖGK-Glas­pa­läs­ten nur noch erschre­ckende Eigen­in­ter­es­sen zu ver­fol­gen“, so Wutscher.

„Die­ser Leis­tungs­ka­ta­log ist also der Bei­trag der Ärz­te­ver­tre­tung zu einer Kas­sen­re­form, die die­sen Namen auch wirk­lich ver­dient, und bei der die Wei­chen tat­säch­lich neu und kom­pe­tent gestellt wer­den. Die zukunfts­taug­lich ist und die Ver­sor­gung der Pati­en­ten moder­ni­siert und ver­bes­sert“, unter­strich Stein­hart die Bedeu­tung des neuen Kata­lo­ges: „Die von uns auf­ge­lis­te­ten Leis­tun­gen dür­fen aus medi­zi­ni­scher Sicht kei­nem Pati­en­ten ver­wehrt wer­den, der davon pro­fi­tie­ren kann.“ Somit liege eine solide und belast­bare medi­zi­ni­sche Grund­lage für die Ver­hand­lun­gen zwi­schen der Ärz­te­kam­mer und der Öster­rei­chi­schen Gesund­heits­kasse vor. Die Coro­na­krise dürfe nach über einem Jahr nicht dazu füh­ren, dass wich­tige Moder­ni­sie­run­gen und Ver­bes­se­run­gen im öster­rei­chi­schen Gesund­heits­sys­tem auf die lange Bank gescho­ben werden.

Klar sei, dass ein neuer Kata­log mit vie­len moder­nen State of the Art-Leis­tun­gen selbst­ver­ständ­lich auch mehr kos­ten werde als bis­her, dafür könn­ten aber zum Bei­spiel bei den Kran­ken­häu­sern Kos­ten ein­ge­spart wer­den: „Es ist zu hof­fen, dass bei der Kas­sen­füh­rung nicht kurz­fris­ti­ges Spa­ren im Vor­der­grund steht, um die Kos­ten der Kas­sen­re­form zu finan­zie­ren, son­dern das Inter­esse und Wohl der Bür­ger“, sagte Stein­hart. In jedem Fall müsse mehr öffent­li­ches Geld in die Gesund­heits­ver­sor­gung inves­tiert wer­den: „Es muss jedem klar sein, dass Gesund­heit ein hohes Gut ist und dass moderne medi­zi­ni­sche Leis­tun­gen für immer mehr und für immer älter wer­dende Men­schen eben Geld kos­ten und nicht gra­tis zu haben sind.“

Die unmit­tel­ba­ren Reak­tio­nen sei­tens der Kas­sen fie­len posi­tiv aus. Die ÖGK bedankte sich aus­drück­lich für den Ent­wurf und kün­digte an, ihre eige­nen Vor­stel­lun­gen im Sinne einer guten Ver­trags­part­ner­schaft in die Ver­hand­lun­gen ein­zu­brin­gen. „Sehr posi­tiv“ reagierte der Vor­sit­zende der Kon­fe­renz der Sozi­al­ver­si­che­rungs­trä­ger, Peter Leh­ner, auf die Initia­tive der Bun­des­ku­rie. Zwi­schen den Bun­des­län­dern dürfe und solle es keine Unter­schiede geben, sagte Lehner.

© Öster­rei­chi­sche Ärz­te­zei­tung Nr. 11 /​10.06.2021