BKNÄ Impfung von Ärzten: Straße der Hoffnung

25.02.2021 | Aktuelles aus der ÖÄK


Über 12.000 Impfungen in nur vier Tagen – die Impfaktion in der Wiener Messe für niedergelassene Ärzte, Ordinationspersonal und Angehörige anderer Gesundheitsberufe bedeutet einen gehörigen Kraftakt und bedingt perfektes Zusammenspiel aller beteiligten Partner. Obwohl das Projekt zudem in kürzester Zeit aus dem Boden gestampft wurde, funktionierte der Ablauf reibungslos. Ein Lokalaugenschein.
Sascha Bunda

Eines fällt an diesem Freitagnachmittag sofort auf: Selten zuvor hat ein Impftermin wohl für so viele positive Emotionen gesorgt – und das liegt nicht nur am Sonnenschein und blauen Himmel vor der Wiener Messe, die aktuell eine riesige Impfstraße beherbergt. Binnen weniger Tage werden hier in der Halle D über 12.000 Impfungen für niedergelassene Ärzte, Ordinationspersonal und Angehörige von anderen Gesundheitsberufen stattfinden. Im Gespräch mit den Menschen, die sich hier einfinden, sind große Vorfreude, gepaart mit einer Spur Aufregung deutlich spürbar. Schließlich gibt es heute die zweite Dosis, die die Immunisierung gegen SARS-CoV-2 abschließen und den Weg zurück in ein Leben ohne Pandemie ebnen kann. Im Inneren der Halle ist unmittelbar spürbar: Trotz der gewaltigen Dimensionen des Impfvorhabens ist hier eine unerwartete Ruhe und Gelassenheit vorherrschend. Der Eingangsbereich ist großzügig dimensioniert, Menschenansammlungen gibt es nicht. Das Personal und der Ablauf in den 14 Impfstraßen wirken eingespielt. Dabei wurde die gesamte Impfaktion in kürzester Zeit in konstruktiver Zusammenarbeit zwischen Stadt Wien, dem Ärztefunkdienst der Wiener Ärztekammer, dem Arbeiter-Samariter-Bund und der Berufsfeuerwehr auf die Beine gestellt – und es gäbe sogar noch Luft nach oben. Wenn genügend Impfstoffe vorhanden wären, könnten hier im Vollbetrieb sogar zwei- bis dreimal so viele Impfungen in derselben Zeit stattfinden. Wenn man alle Hallen der Messe nutzen würde, könnte man in kürzester Zeit Hunderttausende Menschen impfen.

Am Beginn der Impfstraße steht das Ausfüllen des doppelseitigen Aufklärungsbogens, der dann in der ersten Station mit einem der teilnehmenden Ärzte noch durchbesprochen und auf die Impftauglichkeit hin überprüft wird. Sollte ein expliziteres Aufklärungsgespräch gewünscht sein, stehen dafür spezielle Boxen in der Mitte der Halle bereit. Hier können auch die Türen geschlossen werden, um Diskretion für sensiblere Gesprächsthemen garantieren zu können. Gebraucht werden diese Boxen bei der aktuellen Impfaktion aber kaum, erklärt Georg Braune. Der Facharzt für Gynäkologie und Obmann der Sektion Fachärzte in der Wiener Ärztekammer, fungiert heute als leitender Arzt des Ärztefunkdienstes vor Ort. „Die Kollegen wissen einfach Bescheid“, sagt er und lobt das Fachwissen, das sich die Impflinge bezüglich des neuartigen mRNA-Impfstoffes angeeignet haben. An der Impfaktion mitzumachen, sehe er als „Verpflichtung“, meint er. „Es geht um den Schutz der Kollegen, die täglich durch ihren Kontakt mit Patienten einem großen Ansteckungsrisiko ausgesetzt und gleichzeitig absolut versorgungsrelevant sind“, erklärt er seine Motivation. Der Andrang sei riesig, erzählt Braune: „Wir haben sehr viele Anmeldungen erhalten, die Kollegen sind der Impfung gegenüber auch sehr positiv eingestellt.“ Gleichzeitig sei die Ärzteschaft bei den Anmeldungen, bei der auch das Ordinationspersonal eingetragen werden konnte, sehr verantwortungsbewusst vorgegangen. Dass der Ablauf trotz des großen Interesses reibungslos vonstattengeht, davon ist auch Braune höchst angetan. „Die Zusammenarbeit mit der Stadt und den übrigen Partnern funktioniert vorbildhaft, alles ist perfekt koordiniert“, beschreibt er seine Erfahrungen: „Es gibt auch keine Anstellerei und keine Staus. Wenn man bedenkt, dass die ganze Impfstraße in nur vier Tagen aus dem Boden gestampft wurde, kann man durchaus von einer Modellwirkung sprechen“, sagt Braune. Auch zur Frage der Impfstoffknappheit hat Braune eine klare Meinung: „Keine einzige Dosis wird hier weggeschmissen“, betont er. Sollten wirklich einmal Impfdosen übrigbleiben, sorge er auch gerne persönlich für einen geeigneten Ersatz.

Fünf-Minuten-Takt

Ist die Impfaufklärung erledigt, geht es weiter in die tatsächlichen Impfboxen, in denen die Impfung verabreicht wird. Auch diese sind mit Türen versehen, um die nötige Privatsphäre sicherzustellen. In einer dieser Boxen treffe ich Mo Pachala. Der Facharzt für Dermatologie und Obmann der Sektion Turnusärzte der Wiener Ärztekammer hat sich freiwillig für zwei der Zwölf-Stunden-Schichten bei diesem zweiten Teil der Impfaktion gemeldet. Seit 6.30 Uhr verabreicht er im Fünf-Minuten-Takt die ersehnten Injektionen. Aufgezogen werden diese übrigens in einer eigenen Box. Dort, wo auch der Impfstoff gelagert wird, sitzen Mitarbeiter, die permanent und höchst professionell die Spritzen vorbereiten. Mindestens sechs Dosen bekommen sie aus jeder Ampulle heraus, der Schnitt liegt zwischen sechs und sieben. Welche Dosis der Arzt schlussendlich verabreicht, die erste oder eventuell eine siebente, kann der Impfarzt nicht mehr nachvollziehen. In kleinen Einwegschalen werden die Spritzen in die Boxen gebracht.

„Ich möchte mithelfen, dass meine Kollegen bestmöglich vor Corona geschützt sind“, bringt Pachala den Grund seiner Mitarbeit auf den Punkt. Statt eines geplanten Urlaubs hat er sich gleich zur Teilnahme an der Impfaktion freiwillig gemeldet. Auch für ihn sind die große Freude und Erleichterung der Impflinge eine wunderbare Motivation: „Bei dieser Impfung hat man die Vorfreude und die Begeisterung der Impflinge ganz besonders gespürt.“

Wer Pachalas Box – oder eine der anderen Boxen – verlässt, erreicht sofort einen speziellen Wartebereich. 20 Minuten sollte man hier sitzen bleiben – zur Nachbeobachtung. Für Angehörige einer Risikogruppe gibt es einen speziellen Bereich zur schnellen Versorgung, falls es nötig sein sollte. Zum Einsatz kam es noch nie – überhaupt habe es noch keine besonderen Vorkommnisse gegeben, schildert Georg Braune. So verlassen die Tausenden Impflinge dieses Wochenendes die Messe Wien einzig mit dem positiven Gefühl der Hoffnung, dass die Zukunft jetzt wieder ein großes Stück heller aussieht.

Zusammenarbeit und Wertschätzung

Zufrieden mit der Impfaktion zeigt sich auch Johannes Steinhart, Vizepräsident und Kurienobmann der niedergelassenen Ärzte der Wiener und der Österreichischen Ärztekammer: „Dieses Beispiel zeigt, wie kompetent und unkompliziert jedes noch so große Vorhaben ablaufen kann, wenn alle Beteiligten zusammenarbeiten und einander wertschätzend auf Augenhöhe begegnen. Mein Dank gilt hier allen, die mitgeholfen haben, dass diese Impfaktion ein großer Erfolg geworden ist und ich danke auch den Kollegen für ihre große Bereitschaft mitzumachen und auch für das große Interesse an dieser Impfung.“ Auch wenn man das Beispiel einer Großstadt mit kurzen Wegen und perfekter öffentlicher Anbindung nicht 1:1 auf alle Bundesländer umlegen könne, so könne man doch aus dem Beispiel lernen, sagt Steinhart. „Wer konstruktiv auf die Ärzteschaft zugeht und sie frühzeitig einbindet, der wird in uns immer einen zuverlässigen Partner finden, der gerne mitanpackt.“ Positiv sei auch, die niedergelassenen Ärzte in den Impfplänen zu priorisieren. Schließlich würden diese in den meisten Bundesländern auch zentrale Pfeiler der Impfstrategie darstellen. „Wir dürfen nicht vergessen: Nur geschützte Ärzte können in der Folge verlässlich in die weiteren Impfaktivitäten eingeplant werden. Und je weniger Ausfälle es im niedergelassenen Bereich gibt, desto besser gelingt auch die Entlastung der Spitäler.“ Das einzige, das jetzt noch fehlt, ist mehr Impfstoff, sagt Steinhart. „Die Impfbereitschaft der Kollegen – aktiv als auch passiv – ist gewaltig, an uns scheitert die Durchimpfung der Bevölkerung gewiss nicht.“

 

 

 

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 4 / 25.02.2021