BKAÄ Digi­tale Medi­zin: Vir­tu­el­ler Arzttermin

25.01.2021 | Aktuelles aus der ÖÄK


Bes­ser digi­tal als gar kei­nen Pati­en­ten­kon­takt: Die Pan­de­mie habe die Umset­zung der Online-Ambu­lanz beschleu­nigt, die Nach­frage sei in eini­gen medi­zi­ni­schen Berei­chen groß, erzählt Michael Hei­nisch, Geschäfts­füh­rer der Vin­zenz Gruppe, im Inter­view.
Sophie Nie­denzu

Die erste Online-Ambu­lanz wurde im Spät­som­mer 2020 im Kran­ken­haus Gött­li­cher Hei­land in Betrieb genom­men. Wel­che Erfah­run­gen haben Sie damit gemacht? Wir sind noch in der Aus­rol­lungs­phase, der­zeit haben wir 40 Pati­en­ten, die das Ser­vice nut­zen und sich die Prä­senz vor Ort erspa­ren. Vor­aus­set­zung ist, dass der Pati­ent zumin­dest ein­mal in der Ambu­lanz gewe­sen sein muss und den Arzt ken­nen­ge­lernt hat. Der Arzt ent­schei­det, ob er dem Pati­en­ten Ter­mine über die Online-Ambu­lanz ver­gibt. Wenn ja, dann wird der Pati­ent unter ande­rem mit Hilfe eines Videos und per­sön­lich auf­ge­klärt, wie die Online-Ambu­lanz funk­tio­niert – wie sie daran teil­neh­men kön­nen und wel­che Vor­aus­set­zun­gen nötig sind. Das Ange­bot wird posi­tiv bewer­tet und auch wei­ter­emp­foh­len, es gibt auch ältere Men­schen ab 65 Jahre, die die Online-Ambu­lanz nut­zen. Es ist noch zu früh, um sagen zu kön­nen, inwie­fern die Online-Ambu­lanz lang­fris­tig auch die Ambu­lan­zen ent­las­tet. Das wer­den wir in den nächs­ten Jah­ren evaluieren.

Inwie­weit hat die Pan­de­mie die Digi­ta­li­sie­rung beschleu­nigt? Die Online-Ambu­lanz ist zwar keine Erfin­dung der Pan­de­mie, sie hat aber die Umset­zung beschleu­nigt. Unsere Mit­ar­bei­ter sind dank­bar über Lösun­gen, durch die sie über Distanz ihre Pati­en­ten wei­ter ver­sor­gen kön­nen. Bes­ser digi­tal als gar kein Pati­en­ten­kon­takt, das war die Über­le­gung. Einige chro­ni­sche Erkrankte kön­nen auch über die Distanz gut behan­delt wer­den. Durch die Pan­de­mie war der Lei­dens­druck höher, die Men­schen auf­ge­schlos­se­ner, die Nach­frage grö­ßer und so konn­ten wir unbü­ro­kra­tisch rasch reagie­ren. Auch elek­tro­ni­sche Rezepte oder die Krank­schrei­bung wären ohne Pan­de­mie nicht so rasch gekommen.

Wel­che Her­aus­for­de­run­gen gibt es? Weil aber alles so schnell gehen musste, haben wir eine Insel­lö­sung pro­du­ziert und müs­sen noch eini­ges ver­bes­sern. Bei­spiels­weise die Online-Ambu­lanz in unser Kran­ken­haus­sys­tem inte­grie­ren und sie so pro­gram­mie­ren, dass sie platt­form­un­ab­hän­gig auf meh­re­ren Medien, am Desk­top, Tablet oder Mobil­te­le­fon glei­cher­ma­ßen funk­tio­niert. Ziel muss natür­lich sein, dass Ärzte ent­las­tet wer­den und weni­ger Büro­kra­tie anfällt.

In wel­chen Berei­chen ist eine Erwei­te­rung geplant? Die Nach­frage ist vor allem in der Onko­lo­gie sehr stark. Um zu ver­mei­den, dass die Pati­en­ten mit geschwäch­tem Immun­sys­tem dau­ernd ins Kran­ken­haus kom­men müs­sen, hät­ten die behan­deln­den Ärzte gerne ein Online-Ange­bot. Ver­mehrt fra­gen auch Ärzte aus den päd­ia­tri­schen Spe­zi­al­fä­chern nach einer Erwei­te­rung. Bedarf gibt es auch im Bereich der Wund­hei­lung und all­ge­mein bei chro­nisch erkrank­ten Pati­en­ten, etwa wenn es um den Behand­lungs­plan von Dia­be­ti­kern geht. Hoch spe­zia­li­sierte Ambu­lan­zen pro­fi­tie­ren von einem zusätz­li­chen Online-Ange­bot, weil sie auch Pati­en­ten behan­deln, die einen wei­ten Weg haben. Unsere ambu­lante Lymph­kno­ten­chir­ur­gie hat bei­spiels­weise Pati­en­ten aus Vor­arl­berg, und da kann die Nach­ver­sor­gung auch online erfol­gen. Der Bedarf hängt sehr stark mit der Spe­zia­li­sie­rung zusammen.

Wel­che Risi­ken sehen Sie in der digi­ta­len Medi­zin? Es gibt Erkran­kun­gen, die raum- und zei­tun­ge­bun­den medi­zi­nisch behan­delt wer­den kön­nen. Aber trotz­dem soll der Pati­ent die Wahl­frei­heit haben, ob er per­sön­lich behan­delt wer­den will. Es soll nie­mand gezwun­gen wer­den, auf ein digi­ta­les Gesund­heits­we­sen umzu­stei­gen. Ich sehe auch das Risiko einer Mehr­klas­sen­ge­sell­schaft im Hin­blick auf das digi­tale Wis­sen. Daher sollte digi­tale Kom­pe­tenz im Gesund­heits­we­sen früh ermit­telt wer­den, um bereits in der Bil­dung dem digi­ta­len Analpha­be­tis­mus entgegenzutreten.

Wel­che wei­te­ren Pro­jekte gibt es und was ist die digi­tale Medi­zin der Zukunft? Wir rol­len die digi­tale Fie­ber­kurve aus, außer­dem arbei­ten wir an der digi­ta­len Sprach­er­ken­nung. Was stark die Zukunft prä­gen wird, sind digi­tale Gesund­heits­platt­for­men, wo sich Pati­en­ten und Ange­hö­rige direkt mit dem medi­zi­ni­schen, pfle­ge­ri­schen und the­ra­peu­ti­schen Per­so­nal aus­tau­schen kön­nen, wo zusätz­li­cher Ser­vice ange­bo­ten wird und man gerade in der Prä­ven­tion noch viel frü­her anset­zen kann. Auch in der bild­ge­ben­den Dia­gnos­tik mit Mus­ter­er­ken­nungs­soft­ware wäre eine Platt­form­lö­sung ein inte­gra­ler Bestand­teil. Natür­lich mit sehr hohen Sicher­heits­stan­dards, damit man Doku­mente mit medi­zi­ni­schen Daten auch hoch­la­den kann. 

© Öster­rei­chi­sche Ärz­te­zei­tung Nr. 1–2 /​25.01.2021