BKAÄ: Investition in die Spitäler: Plan für die Zukunft

10.06.2021 | Aktuelles aus der ÖÄK

Die hervorragende Leistung der Spitalsärzte müsse endlich substantiell unterstützt werden – Investitionen seien unumgänglich, um Personalressourcen zu schaffen, die Spitäler digital aufzurüsten und die Patienten am richtigen Ort zu betreuen, sagt ÖÄK­Vizepräsident Harald Mayer.
Sophie Niedenzu

Am Anfang der Pandemie wurde noch als Zeichen der Wertschätzung geklatscht. Zuletzt wurde ein Bonus in der Höhe von durchschnittlich 500 Euro für Bedienstete im Spitals- und Pflegebereich beschlossen. „Diese Prämie ist ohne Frage längst überfällig und höchst verdient“, sagt Harald Mayer, Vizepräsident der Österreichischen Ärztekammer und Bundeskurienobmann der angestellten Ärzte. Das Spitalspersonal arbeite bereits ohne Pandemie am Limit: „Die Unterstützung des Spitalspersonals sollte auch in Zukunft nicht aus dem Fokus geraten“, sagt Mayer. Man dürfe nicht vergessen, dass bereits vor der Pandemie Lücken im Gesundheitssystem vorhanden gewesen seien. Maßnahmen und Investitionen seien notwendig, um die Qualität in der Patientenversorgung zu gewährleisten. Mayer erinnert an die Ankündigung der Bundesregierung, das Spitalspersonal zu unterstützen. Bis heute seien aber keine Initiativen gesetzt worden, dieses zu entlasten. Fehlen würde es beispielsweise an Ausbildungsoffensiven für das Pflegepersonal und an Personalaufstockungen bei den Ärzten.

Ärzte- und Patientenschutz

Anstatt hier produktiv entgegenzuwirken, wird die maximale Arbeitszeit bei den Spitalsärzten – entgegen der damaligen Vereinbarungen – nicht gesenkt. Aufgrund einer EU-Rüge musste Österreich nach jahrelangem Zögern die Arbeitszeit der Spitalsärzte auf 48 Stunden pro Woche im Durchschnitt reduzieren – mit einer Übergangsfrist, innerhalb derer Ärzte freiwillig weiterhin länger arbeiten können. Dieses Opt-out hätte mit 30. Juni 2021 auslaufen sollen. Mit der Begründung, dass nicht genügend Ärzte für die bestehenden Versorgungsstrukturen zur Verfügung stünden, wurde diese Frist verlängert: „Zu glauben, dass längere Arbeitszeiten den Personalmangel in den Spitälern bekämpfen, ist illusorisch“, sagt Mayer. Er verweist darauf, dass die EU-Richtlinie zur Arbeitszeitregelung bereits 2003 beschlossen wurde: „Es gab mehr als genug Zeit, um in das Gesundheitssystem zu investieren, aber die Spitals-träger waren säumig und haben bei den Ländern keine zusätzlichen, dringend benötigten, Dienstposten gefordert.“ Man habe ja nicht „aus Jux und Tollerei“ die Stunden verkürzt, sondern um die Arbeitsbedingungen zu verbessern und die Patientensicherheit zu erhöhen. Die Arbeitszeit zu verlängern und so Abhilfe zu verschaffen, sei „pure Realitätsverweigerung“. Wie Umfragen der Österreichischen Ärztekammer zeigen, ist der Großteil der Spitalsärzte mit der Stundenreduktion zufrieden beziehungsweise will auf eine in anderen Branchen übliche 40-Stunden-Woche kommen. Das Opt-out wird großteils von älteren Ärzten unterschrieben, jüngere Ärzte entscheiden sich oftmals dagegen, sofern sie tatsächlich eine Wahl haben. Die Bedürfnisse der jungen Ärzte zu ignorieren, könnte fatale Folgen haben, warnt der ÖÄK-Vizepräsident. Immerhin sei die Konkurrenz um ärztliche Ressourcen im deutschsprachigen Raum enorm: „Wieso sollte ein Arzt in Österreich länger arbeiten, wenn er ein Ausbildungsangebot aus dem Ausland erhält, mit den gleichen Ausbildungsinhalten bei geringerer Arbeitszeit?“ Anstatt die Personalengpässe konstruktiv anzugehen, laufe man Gefahr, Spitalsärzte noch mehr auszubrennen und die jungen Ärzte abzuschrecken: „Das ist doch keine zukunftssichere und vernünftige Gesundheitspolitik“, kritisiert der ÖÄK-Vizepräsident.

Qualität in der Ausbildung

Die Qualität in der Ausbildung ist wesentlich, um die Versorgung auch in Zukunft sicherzustellen. Umfragen der Bundeskurie der angestellten Ärzte zeigen, dass bis zu 87 Prozent der Medizinabsolventen zugunsten einer besseren Ausbildung ins Ausland gehen würden. Um die Genehmigung der passenden Anzahl von Ausbildungsstellen kümmert sich seit Jahren die Österreichische Ärztekammer anstelle des Gesundheitsministeriums. Die Vergabe ist von definierten Qualitätskriterien abhängig, wie etwa den Ausbildungsinhalten und dem Facharztschlüssel. Die Inhalte der Ausbildung werden in enger Zusammenarbeit mit den medizinischen Fachgesellschaften beschlossen: „Wir können aus unserer Erfahrung und unserem Wissen schöpfen und dafür sorgen, dass der Nachwuchs adäquat ausgebildet wird, dass er das vermittelt bekommt, was relevant ist“, sagt Mayer. Es gehe schließlich um nichts weniger als die Sicherstellung der Gesundheitsversorgung der Zukunft. Die Stärke der Genehmigung von Ausbildungsstellen sei derzeit, dass sie durch medizinische Experten und politisch unabhängig erfolge. Ein Formalfehler könnte nun dazu führen, dass die Bundesländer selbst über die Genehmigung der Ausbildungsstellen entscheiden. „Ein bewährtes, politisch unabhängiges System steht nun auf der Kippe, denn die Bundesländer sind meist auch Spitalseigentümer“, warnt Mayer vor einer deutlichen Verschlechterung der Situation.

Realistische Personalplanung

Arbeitsverdichtung, Zeitnot, Ausbildung: Das alles könne mit einer realistischen Personalplanung verbessert werden, ist Mayer überzeugt und nennt ein Beispiel: Spitäler sollten über eigene Ausbildungs-Oberärzte verfügen, die ständiger Ansprechpartner für den Ärztenachwuchs sein könnten und Zeit für die Ärzte in Ausbildung haben. Zudem dürften Ärzte in Ausbildung nicht als Vollzeitposten gerechnet werden. „Sie benötigen Zeit und Luft, damit sie aktiv lernen können, ihre Arbeit gemeinsam mit ihrem Ausbildungsfacharzt reflektieren und nicht durchgehend mit den Patienten eingespannt sind.“ Es sei traurig, dass die Ausgaben seit Jahren kaum gestiegen seien, obwohl die Spitäler am Limit arbeiten würden: „Die Krankenhäuser gehören vom Staat technisch aufgerüstet und das Personal bei der Ausbildung unterstützt – nur diese Kombination sichert das Gesundheitssystem für die Zukunft ab“, sagt Mayer.

Angesichts der genannten Lücken im Gesundheitswesen und der Herausforderungen, um den Ärztenachwuchs zu sichern, seien Gedankenspiele über Einsparungen im Gesundheitswesen fehl am Platz. Neben dem Personal sei es wichtig, die technische Ausrüstung zu haben, um effizient zu arbeiten: „Spitäler müssen digital aufgerüstet werden, bei gleichzeitiger Investition in das Personal, sonst wird die Qualität des Gesundheitssystems leiden“, warnt Mayer. Es gebe viel Luft nach oben, was digitalisierte Prozesse angehe. Dazu gehören neben einer ausgebauten IT-Infrastruktur die Entwicklung von digitalen Apps zur Unterstützung ebenso wie der Ausbau der digitalen Patientendokumentation: „Alles, was Ärzte nicht mehr analog machen müssen, sondern digital automatisch erledigt wird, wie etwa die Dokumentation oder die Entlassungsbriefe, ist eine Erleichterung für das Spitalspersonal und entbürokratisiert ihre Arbeit“, sagt Mayer. Er kritisiert daher Aussagen, wonach die Digitalisierung in der Medizin zu Einsparungen führe, aufs Schärfste: „Ja zur Digitalisierung, aber ein ganz klares Nein zur Einsparung, denn das würde auf Kosten des Personals gehen“, betont er.

Bestmögliche Patientenversorgung

Vorhandene medizinische Ressourcen müssten auch sinnvoll eingesetzt werden. Schieflagen in der Versorgung müssten auch konstruktiv gelöst werden: „Wenn aufgrund von Lücken bei Kassenärzten Spitalsärzte in Ordinationen einspringen müssen, dann ist Feuer am Dach“, sagt Mayer. Er verweist auf Beispiele im Burgenland und Niederösterreich, wo es bereits Thema ist, dass Spitalsärzte bei Lücken in der wohnort nahen Versorgung einspringen: „Das kann nicht der Weisheit letzter Schluss sein“, kritisiert Mayer. Es fehle bereits länger an Spitalspersonal, da sei es unverantwortlich, diese Ressourcen noch weiter zu verknappen, indem Spitalsärzte im niedergelassenen Bereich arbeiten müssten: „Es fehlt ganz klar am Personal, wir benötigen mehr Dienstposten“, betont Mayer. Wie man es dreht und wendet: Investitionen ins Gesundheitssystem seien unumgänglich. Im Regierungsprogramm sei auch das Ziel verankert, die wohnortnahe Versorgung zu stärken. Die Österreichische Ärztekammer sei bereit, als starke und verlässliche Partnerin an Konzepten mitzuarbeiten, um das Gesundheitssystem auch für kommende Generationen zuverlässig und für junge Ärzte attraktiv zu gestalten. „Es wird endlich Zeit, umzudenken und in die Zukunft zu investieren, um die Gesundheitsversorgung der österreichischen Bevölkerung sicherzustellen“, appelliert Mayer.

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 11 / 10.06.2021