BKAÄ: Interview Marina Hönigschmid – Flexibel für die Familie

15.12.2021 | Aktuelles aus der ÖÄK

Die Wiener Allgemeinmedizinerin und Fachärztin Marina Hönigschmid absolvierte in der Klinik Donaustadt ihre Facharztausbildung im Bereich Gynäkologie und Geburtshilfe. Im Interview mit Thorsten Medwedeff spricht sie über Karrierechancen auch als vierfache Mutter, wie wichtig flexible Arbeitszeiten sind und welche Modelle die Arbeitssituation noch verbessern könnten.

Wie viele Stunden arbeiten Sie im Spital? Seit der Geburt meines vierten Kindes arbeite ich in Teilzeit mit 20 Stunden pro Woche. Meine Facharztausbildung habe ich mit drei kleinen Kindern in Vollzeit noch vor dem neuen Krankenanstalten-Arbeitszeitgesetz (Anm.: KA-AZG) in Österreich begonnen. Das bedeutete manchmal bis zu 80 Stunden pro Woche.

Welche Arbeitszeitmodelle könnten in Zukunft eine noch wichtigere Rolle spielen? Im Wiener Gesundheitsverbund konnten wir durch gutes Verhandeln ein flexibles Dienstzeitmodell etablieren. Das bedeutet, dass sämtliche Dienste im Dienstplan erfasst werden und verlängerte 25-Stunden Dienste zwischen Kollegen geteilt werden können. Das entlastet vor allem Kollegen an hochfrequentierten Abteilungen, aber auch auf Ausfälle kann besser reagiert werden. Jede Kollegin und jeder Kollege kann somit flexibel seine Dienstzeiten innerhalb eines Monats nach Bedarf gestalten. Dies hat meine Familiensituation wirklich deutlich entlastet.

Welche Maßnahmen haben die Arbeitssituation in den vergangenen Jahren verbessert, welche Maßnahmen wären aus Ihrer Sicht noch wünschenswert? Die größte Veränderung in den vergangenen Jahren war das neue KA-AZG, das ich mit einer EU-Beschwerde anstoßen konnte. Die Arbeitssituation für mich mit drei kleinen Kindern war unerträglich: elektronisch aufgezeichnet durchschnittlich 23 Stunden Arbeit pro verlängertem Dienst siebenmal pro Monat und sonst tägliche Anwesenheit am Vormittag. Da leider die Ausbildung auch kaum organisiert war und ich viel Leerlauf bei Blutabnahmen hatte, mit EKG-Schreiben und Bürokratie beschäftigt war, hat mir die lange Anwesenheit wenig für die Ausbildung gebracht. Denn lange Anwesenheit alleine bedeutet ja nicht unbedingt gute Ausbildung. Seit dem neuen KA-AZG konnte endlich der mitverantwortliche Tätigkeitsbereich umgesetzt werden. Man kann seither aktiv an der ärztlichen Visite teilnehmen, anstatt zum Beispiel „Spritzendienst“ zu machen. Die den Spitälern derzeit wegen der Pandemie vorgeschalteten Corona-Triagen entlasten die Erstaufnahmen deutlich. Diese werden zunehmend in Form von vorgeschalteten allgemeinmedizinischen Ambulanzen etabliert.

Ist die Arztausbildung in Österreich up-to-date im internationalen Vergleich? In Österreich liegt der Schwerpunkt der Ausbildung auf Systemerhaltung bei unregulierten Patientenströmen in die Krankenhäuser. Die Ausbildungszeit ist länger als im internationalen Vergleich, was aber mangels Ausbildungseffizienz keinen besonderen Vorteil bedeutet. In Österreich findet oft mehr „Learning by doing alone“ anstatt Mentoring durch erfahrene Kollegen statt. An Schlüsselstellen wie etwa Notaufnahmen müssten erfahrene Kollegen zusammen mit Ausbildungsärzten arbeiten.

Wie könnte es aus Ihrer Sicht gelingen, dass junge Ärzte in Österreich gehalten werden können? Mehr Wertschätzung gegenüber den jungen Kolleginnen und Kollegen und eine effizient gestaltete Ausbildung sind neben guten Gehältern wesentliche Faktoren dafür. Es muss aber auch eine Perspektive in der Krankenhaus-Karriere geben, die mit Familienleben und zunehmendem Alter gut vereinbar ist. Dazu gehört auch der finanzielle Aspekt, der nicht unter dem Durchschnitt eines niedergelassenen Kollegen liegen darf.

Wie lässt sich aus Ihrer Sicht während der Pandemie Familie und Beruf optimal aufeinander abstimmen? Die Pandemie hat gezeigt, wie wichtig flexible Dienstzeiten sind, wenn die Kinderbetreuung durch Schließung der Einrichtungen ausfällt.

Welche Rahmenbedingungen müssten sich für im Arztberuf arbeitende Eltern noch verbessern? Die Ärzteschaft sollte Kolleginnen, die Kinder bekommen und für die Familie in Teilzeit gehen, wertschätzen und respektieren. Gute Ausbildung und Karriere sollte auch mit gut organisierter Teilzeit möglich sein.

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 23-24 / 15.12.2021