BKAÄ: Personalmangel in Spitälern: Augen auf

25.10.2021 | Aktuelles aus der ÖÄK

Spitäler kämpfen gegen Personalmangel. Davor dürfe man nicht die Augen verschließen, sondern müsse Investitionen vorantreiben und die öffentliche Gesundheitsversorgung auf stabilere Beine stellen, fordert die Bundeskurie angestellte Ärzte.
Sophie Niedenzu

Eineinhalb Jahre lang steht der Spitalsalltag nun schon auf dem Kopf: Dienstplanänderungen, Überstunden, Arbeiten in Schutzausrüstung, strikte Besuchsregelungen, Tests: Die Folgen der Situation in den Spitälern werden nach und nach sichtbar: einige Spitäler klagen über hohe Fluktuationen bei der Pflege, jeder fünfte Mitarbeiter im Pflegebereich denkt ans Aufhören, aber auch in der Ärzteschaft rumort es: „Die Zahlen sind alarmierend, zeigen aber nur, was sich schon lange abzeichnet: Wir haben eine extreme Arbeitsverdichtung und Belastung im Spitalsbereich, die pandemiebedingt noch stärker geworden ist und nicht ohne Konsequenzen bleibt“, sagt Harald Mayer, ÖÄK-Vizepräsident und Bundeskurienobmann der angestellten Ärzte. Die Fluktuationen betreffen das gesamte Gesundheitspersonal und seien bedauerlich, aber mehr als verständlich: „Die körperlich herausfordernde Arbeit, die Betreuung von schwer Erkrankten, das Einspringen bei Dienstausfällen, das sind alles Belastungen, die niemand auf Dauer meistern kann“, sagt Mayer.

Leere Worthülsen

Hinzu kommt ein Frust über fehlende Unterstützung und Perspektiven. Jene, die bereits im System arbeiten, erhalten wenig Wertschätzung für ihre Arbeit, die politische Unterstützung fehlt komplett, Stichwort Coronabonus: „Es kann niemand dem Gesundheitspersonal verübeln, frustriert zu sein, denn außer unverbindlichen Dankes- und Unterstützungserklärungen seitens der Regierung wurden keine Maßnahmen gesetzt, um das Spitalspersonal zu unterstützen: keine verbesserten Arbeitsbedingungen, keine Gehaltserhöhung, keine Investitionen in die Ausbildung, um dem Personalmangel endlich entgegenzusteuern“, kritisiert Daniel von Langen, Turnusärztevertreter und stellvertretender Bundeskurienobmann der angestellten Ärzte. Zusagen seien daher nur leere Worthülsen, Taten folgten keine. Von Langen erinnert an die Argumentation der Politik von März 2020, wonach die Pflege- und Arztausbildung ihre Zeit dauere: „Das ist aber kein Grund, gar keine Ausbildungsoffensive zu starten.“ Es sei mehr als genug Zeit gewesen, entsprechend zu

investieren, immerhin dauere der Intensivzusatz für die Pflege drei Semester, die Pflegeschule sechs Semester – und die Arztausbildung zwar mehrere Jahre, aber: „Wir benötigen unabhängig von der Pandemie so oder so mehr Ärzte“, betont von Langen. Einerseits wird die Bevölkerung älter, ist häufiger chronisch krank, benötigt eine entsprechende Versorgung. Andererseits gehen viele Ärzte in den nächsten Jahren in Pension, gleichzeitig sind immer mehr Ärzte in Teilzeit beschäftigt: „Man darf nicht die Augen vor demografischen Entwicklungen und den Bedürfnissen der nächsten Arztgeneration verschließen, denn damit wird das Gesundheitssystem an die Wand gefahren“, warnt von Langen. Und Mayer ergänzt: „Personaloffensiven von heute sind die Absicherung des Gesundheitssystems von morgen.“

Zu wenig Nachwuchs

Die derzeit starke Fluktuation in den Spitälern sei ein Problem – der fehlende Nachwuchs ein weiteres. Die Rahmenbedingungen für die Arztausbildung seien regional sehr unterschiedlich, zudem gebe es eine enorme Konkurrenzsituation: Allein in Deutschland wird seit Jahren die Zahl der Medizinstudienplätze sukzessive reduziert. Im Jahr 2020 gab es 10.500 Plätze – mit einem Numerus Clausus von 1,0. Zum Vergleich: In Österreich, das zehnmal kleiner ist, stehen jährlich 1.740 Medizinstudienplätze zur Verfügung: „Das führt natürlich dazu, dass wir hier einen Absaugeffekt durch das deutschsprachige Ausland haben, weil dort zu wenig Nachwuchs ausgebildet wird“, kritisiert von Langen. „In Kombination mit dem Kassenärztemangel haben wir hier ein echtes Problem.“ So wird in Deutschland erwartet, dass 2030 jede dritte Kassenstelle unbesetzt sein wird, für Österreich zeigen Prognosen, dass allein in der Allgemeinmedizin 16 Prozent der Kassenstellen unbesetzt sein werden. Die populäre Idee aus der Politik, Studienplätze zu erhöhen, gehe am Kern des Problems vorbei: „Die Arbeitsbedingungen müssen stimmen, dann bleiben die ausgebildeten Mediziner auch dem österreichischen Gesundheitssystem treu“, ist von Langen überzeugt.

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 20 / 25.10.2021