Kon­fron­ta­tion – Wahl­kampf in den USA: Der Schat­ten von Corona

25.10.2020 | Politik


Die Posi­tio­nen des amtie­ren­den Prä­si­den­ten Donald Trump und die sei­nes Her­aus­for­de­rers Joe Biden unter­schei­den sich auch in Bezug auf Gesund­heit dras­tisch. Ein Blick auf drei zen­trale Wahl­kampf­the­men: COVID-19, die Kran­ken­ver­si­che­rung und die Medi­ka­men­ten­preise.
Nora Schmitt-Sau­sen

Trump: COVID-19 ist unge­fähr­lich. Ein Impf­stoff steht bereits zum Jah­res­ende flä­chen­de­ckend zur Ver­fü­gung. Schuld daran, dass es keine lan­des­weite Mas­ken­pflicht gibt, ist der demo­kra­ti­sche Prä­si­dent­schafts­an­wär­ter Joe Biden. Mit Behaup­tun­gen wie die­sen tritt Prä­si­dent Donald Trump gerne vor die Mikro­fone, als Kri­sen­ma­na­ger in der vom Corona-Virus so stark gebeu­tel­ten USA dage­gen weni­ger. Über die hohen Infek­ti­ons­zah­len, die zahl­rei­chen Todes­fälle, die Pro­bleme beim Tes­ten, die große Kluft bei der Ver­sor­gung von gut situ­ier­ten und sozial schwa­chen COVID-19-Pati­en­ten – kaum ein Wort. Trump, des­sen Wahl­kampf­auf­tritte nahezu mas­ken­freie Ver­an­stal­tun­gen sind, hatte sich kurz vor der Prä­si­dent­schafts­wahl am 3. Novem­ber selbst mit dem Corona-Virus infiziert. 

Biden: Im Kampf gegen das Corona-Virus setzt Demo­krat Biden auf eines: die Erkennt­nisse der Wis­sen­schaft. Im Fall eines Wahl­sie­ges werde er die Corona-Stra­te­gie für die USA von Public Health-Exper­ten lei­ten las­sen. Diese hät­ten ebenso die Ent­schei­dungs­ho­heit über die Zeit der Zulas­sung eines siche­ren, effek­ti­ven Impf­stoffs. Sollte Biden am 3. Novem­ber das Weiße Haus erobern, will er einen detail­lier­ten Plan aus­ar­bei­ten, um die wei­tere Aus­brei­tung des Virus in den USA zu bekämp­fen. Biden nimmt die Krise ernst: Der Demo­krat ver­zich­tete lange auf Per­so­nen­wahl­kampf, ist ein Ver­fech­ter einer brei­ten Ver­wen­dung von Mund-Nasen-Schutz, den er in der Öffent­lich­keit stets selbst trägt. Biden nutzt die Corona-Krise als Auf­hän­ger, um auf die bestehen­den Män­gel im US-ame­ri­ka­ni­schen Gesund­heits­we­sen hinzuweisen. 

Trump: Trotz des jah­re­lan­gen und stän­dig wie­der­hol­ten Ver­spre­chens, den Afforda­ble Care Act (ACA) sei­nes Amts­vor­gän­gers Barack Obama zu erset­zen, hat Trump kaum Kon­kre­tes zur Aus­ge­stal­tung eines alter­na­ti­ven Ver­si­che­rungs­we­sens vor­ge­legt. In den fina­len Wochen des aktu­el­len Wahl­kampfs rückte er erst­mals vom Vor­ha­ben ab, das lan­des­weit als Oba­mac­are bekannte Gesetz gänz­lich abschaf­fen zu wol­len. Statt­des­sen betonte der Prä­si­dent, dass seine Regie­rung Kor­rek­tu­ren an dem Gesetz voll­zo­gen habe, die die­ses nun zu einem guten Gesetz mach­ten. Ein Manö­ver, um von sei­nem Schei­tern abzu­len­ken, eine Alter­na­tive zu dem inzwi­schen zehn Jahre alten Gesetz vor­zu­le­gen – urtei­len seine Kri­ti­ker. In Kürze wird über Oba­mac­are – ein­mal mehr – vor dem Obers­ten Gericht der USA, dem Supreme Court, dis­ku­tiert. Das Gesetz könnte dort als ver­fas­sungs­wid­rig ein­ge­stuft und gänz­lich zu Fall gebracht wer­den – auf Initia­tive der Repu­bli­ka­ner und mit erheb­li­cher Unter­stüt­zung der Regie­rung Trump. Auch an ande­rer Stelle tor­pe­diert Trump das der­zei­tige Ver­si­che­rungs­sys­tem: Sozi­al­pro­gramme wie Medi­caid, über das in den USA sozial schwa­che Bür­ger ver­si­chert wer­den, sehen sich in sei­ner Regie­rung mit dem ste­ten Vor­stoß nach Bud­get­kür­zun­gen kon­fron­tiert. Die Regie­rung Trump will außer­dem die Hür­den, um staat­li­che Hil­fen beim Erwerb einer Kran­ken­ver­si­che­rung zu erhal­ten, verschärfen.

Biden: Prä­si­dent­schafts­an­wär­ter Joe Biden zählt nicht zu den Demo­kra­ten, die erneut eine Kom­plett­re­form des ame­ri­ka­ni­schen Ver­si­che­rungs­we­sens anstre­ben. Seine Vor­schläge sind ver­gleichs­weise mode­rat: Biden, acht Jahre lang Vize-Prä­si­dent in der Regie­rung von Obama, möchte des­sen Kurs fort­set­zen und den Afforda­ble Care Act wei­ter­ent­wi­ckeln. Er steht damit für ein Ver­si­che­rungs­sys­tem, in dem es einen Mix gibt aus pri­va­ten, staat­lich getra­ge­nen oder sub­ven­tio­nier­ten sowie den Ver­si­che­rungs­op­tio­nen, die viele Ame­ri­ka­ner über ihren Arbeit­ge­ber abschlie­ßen. Aller­dings möchte Biden sozial schwa­chen US-Ame­ri­ka­nern stär­ker unter die Arme grei­fen und dafür die staat­li­chen Unter­stüt­zungs­mög­lich­kei­ten wei­ter aus­wei­ten. Die vie­len Auf­wei­chun­gen, die Trump an Oba­mac­are in sei­ner ers­ten Amts­zeit unter­nom­men hat – etwa dass Ver­si­che­rungs­po­liz­zen keine Min­dest­stan­dards an Leis­tun­gen abde­cken müs­sen – will Biden wie­der zurückdrehen. 

Trump: Trump hat den US-Bür­gern schon lange ver­spro­chen, die hor­rend hohen Medi­ka­men­ten­preise in den USA, die viele US-Ame­ri­ka­ner belas­ten, zu sen­ken. Gelie­fert hat er bis dato nur bedingt. Kürz­lich wies der Repu­bli­ka­ner seine Regie­rung an, in Zukunft Medi­ka­men­ten­im­porte aus dem Aus­land zu for­cie­ren. Den Senio­ren in den USA stellte er einen Zuschuss von 200 Dol­lar für Medi­ka­mente in Aus­sicht. Details dazu – etwa wie ein sol­cher Vor­stoß finan­ziert wer­den soll – sind nicht bekannt. Von sei­nem im Jahr 2016 abge­ge­be­nen Wahl­ver­spre­chen, dass die Regie­rung in direkte Preis­ver­hand­lun­gen mit der Phar­ma­in­dus­trie ein­tre­ten wird, ist Trump inzwi­schen abgewichen. 

Biden: Biden setzt sich für mehr Kon­trolle bei den Medi­ka­men­ten­prei­sen ein, um den teils exor­bi­tan­ten Preis­stei­ge­run­gen bei vie­len Medi­ka­men­ten ent­ge­gen­zu­tre­ten. Eines sei­ner zen­tra­len Vor­ha­ben: Er möchte die Regie­rung ermäch­ti­gen, in direkte Preis­ver­hand­lun­gen mit der Phar­ma­in­dus­trie ein­zu­stei­gen. Dadurch sol­len die Medi­ka­men­ten­preise inner­halb des staat­li­chen Ver­si­che­rungs­pro­gramms Medi­care, in dem die Senio­ren der USA und chro­nisch Kranke ver­si­chert sind, sta­bi­li­siert wer­den. Nach dem Vor­bild ande­rer Staa­ten wie bei­spiels­weise Deutsch­land möchte Biden bei der Preis­be­stim­mung von neu zuge­las­se­nen Medi­ka­men­ten mitreden. 

© Öster­rei­chi­sche Ärz­te­zei­tung Nr. 20 /​25.10.2020