Salz­burg Men­to­ring für Jung­ärzte: Anders den­ken lernen

25.02.2020 | Politik

In der Dia­gnos­tik und Dif­fe­ren­ti­al­dia­gnos­tik anders den­ken zu ler­nen – das ist eines der Ziele, das mit dem Men­to­ring-Pro­gramm ver­folgt wird. Die­ses ist grund­sätz­lich als beglei­tende Aus­bil­dung zu jener im Kran­ken­haus kon­zi­piert. Nach­dem sich in Salz­burg der lan­des­weite Roll-out im Vor­jahr etwas ver­zö­gert hat, soll er dem­nächst voll­zo­gen sein.
Ulrike Hai­der-Schwarz

Das Men­to­ring-Pro­gramm in Salz­burg bie­tet Ärz­ten, die sich in Aus­bil­dung für All­ge­mein­me­di­zin befin­den, die Mög­lich­keit, mit erfah­re­nen nie­der­ge­las­se­nen Haus­ärz­ten in enge­ren Aus­tausch zu tre­ten. Grund­sätz­lich ist das Men­to­ring-Pro­gramm für Tur­nus­ärzte in Aus­bil­dung gedacht, sofern sie ihren künf­ti­gen Lehr­pra­xis­arzt bereits aus­ge­wählt haben. Chris­toph Fürt­hauer, Kuri­en­ob­mann der nie­der­ge­las­se­nen Ärzte in der Ärz­te­kam­mer Salz­burg, dazu: „Men­to­ring ist als beglei­tende Aus­bil­dung zu jener im Kran­ken­haus kon­zi­piert. Prin­zi­pi­ell möch­ten wir Men­to­ring von Beginn an ermög­li­chen, ab dem Zeit­punkt, wenn sich jemand ent­schließt, All­ge­mein­me­di­zi­ner zu wer­den. Im Grunde genom­men kön­nen Jung­ärzte im ers­ten Monat der Basis­aus­bil­dung ins Men­to­ring-Pro­gramm einsteigen.“ 

Für Jung­ärzte ist die Beglei­tung im Rah­men des Men­to­rings kos­ten­los. Bis zu acht Men­to­ren­tref­fen sind jähr­lich mög­lich; dafür erhält der Men­tor pro Ter­min 150 Euro. Ärzte in Aus­bil­dung, die an Men­to­ring inter­es­siert sind, kön­nen direkt Kon­takt mit einem nie­der­ge­las­se­nen All­ge­mein­me­di­zi­ner auf­neh­men und sich bezüg­lich eines Men­to­rings erkun­di­gen. Unter­stüt­zung gibt es vom Lehr­pra­xis­re­fe­rat der Ärz­te­kam­mer Salz­burg, wenn es darum geht, Men­tee und Men­tor zusam­men­zu­brin­gen. Sowohl inter­es­sierte Ärzte in Aus­bil­dung als auch inter­es­sierte Lehr­pra­xis­in­ha­ber. Aber kön­nen sich an das Refe­rat wen­den: Dort wer­den Inter­es­sierte mit­ein­an­der ver­netzt. Den kon­kre­ten Men­to­ring-Pro­zess gestal­ten Jung­arzt und All­ge­mein­me­di­zi­ner indi­vi­du­ell; so kön­nen die Gesprä­che im Vier-Augen-Prin­zip oder in Klein­grup­pen statt­fin­den. Zeit­punkt und Ort der Men­to­ring­tref­fen ver­ein­ba­ren Men­tor und Men­tee eben­falls fle­xi­bel. Dar­über hin­aus sind auch andere Akti­vi­tä­ten mög­lich: wie zum Bei­spiel die Teil­nahme des Jung­me­di­zi­ners an Qualitätszirkeln. 

Prin­zi­pi­ell kann jeder Kas­sen­arzt für All­ge­mein­me­di­zin, der eine Lehr­arzt­pra­xis-Berech­ti­gung besitzt, Men­tor wer­den. Für den Men­tee hat der Men­tor vor allem eine unter­stüt­zende und bera­tende Rolle. Er gibt sein Wis­sen und seine Erfah­rung an den ange­hen­den Arzt wei­ter und hat außer­dem die Mög­lich­keit, künf­tige Lehr­prak­ti­kan­ten schon im Vor­hin­ein ken­nen­zu­ler­nen. Bei Unstim­mig­kei­ten zwi­schen Men­tor und Men­tee kann der Lehr­pra­xis-Arzt vor Antritt der Lehr­pra­xis noch gewech­selt wer­den. Chris­toph Fürt­hauer nennt ein Bei­spiel: „In einem kon­kre­ten Fall hat sich zu Beginn der Pilot­phase her­aus­ge­stellt, dass die Che­mie zwi­schen den bei­den nicht gestimmt hat. Der Men­tor konnte recht früh­zei­tig gewech­selt wer­den, was sich als Glücks­fall erwies, denn über die gesamte Aus­bil­dungs­zeit hat es schließ­lich her­vor­ra­gend funk­tio­niert.“ Für beide Sei­ten kann so ein opti­ma­les Lehr­pra­xis­ver­hält­nis zustande kom­men, denn die Lehr­pra­xis hängt, so Chris­toph Fürt­hauer, „vom posi­ti­ven 1:1‑Verhältnis“ ab. Der Kuri­en­ob­mann führt noch einen wei­te­ren Aspekt ins Tref­fen: „Auch für nie­der­ge­las­sene Ärzte, die in abseh­ba­rer Zeit in den Ruhe­stand gehen wer­den oder etwas kür­zer­tre­ten möch­ten und einen Part­ner in die Pra­xis neh­men möch­ten, kön­nen sich Jung­arzt und erfah­re­ner Arzt ken­nen­ler­nen und aus­lo­ten, ob eine Zusam­men­ar­beit auch in Zukunft funk­tio­nie­ren könnte.“

Vor­teile gibt es auch für den Men­tee: Das Ken­nen­ler­nen von Lehr­pra­xis­lei­ter und Tur­nus­arzt in der frü­hen Phase der Aus­bil­dung ermög­licht es dem ange­hen­den Arzt, sich fach­lich wie orga­ni­sa­to­risch mit dem erfah­re­nen Arzt aus­zu­tau­schen und geplante Kar­rie­re­pfade zu reflek­tie­ren. Der Jung­arzt setzt sich durch den Kon­takt mit dem erfah­re­nen Medi­zi­ner regel­mä­ßig mit der All­ge­mein­me­di­zin aus­ein­an­der. Dazu meint Fürt­hauer: „Jung­ärzte haben, wenn sie sich für die All­ge­mein­me­di­zin ent­schei­den, bis zum Beginn der Lehr­pra­xis rela­tiv wenig Mög­lich­kei­ten, ange­wandte All­ge­mein medi­zin tat­säch­lich zu erle­ben.“ Die fach­li­che Aus­ein­an­der­set­zung mit kli­ni­schen Fäl­len aus all­ge­mein­me­di­zi­ni­scher Sicht hat einen zusätz­li­chen edu­ka­ti­ven Effekt. „Die Sicht­weise auf ein und das­selbe Erkran­kungs­bild in der Kli­nik beim Fach­arzt eines Son­der­fa­ches und in der All­ge­mein­me­di­zin stellt sich unter­schied­lich dar. Der ange­hende All­ge­mein­me­di­zi­ner sieht, aus wel­chem Grund in der All­ge­mein­me­di­zin anders gear­bei­tet wird, und warum in der Kli­nik einge anders betrach­tet wer­den. Die Exis­tenz­be­rech­ti­gung von bei­den Sicht­wei­sen zu dis­ku­tie­ren und zu ver­mit­teln ist sehr wich­tig“, erklärt Fürt­hauer. Die Vor­teile, die Johanna Dol­cic vom Lehr­pra­xis­re­fe­rat der Ärz­te­kam­mer für Salz­burg sieht: „Die ratio­nale Dia­gnos­tik wird geför­dert und auch der Gedanke daran, was mit dem Pati­en­ten pas­siert, wenn er aus dem Kran­ken­haus ent­las­sen wird und wie­der zuhause ist. Man lernt auch, anders zu den­ken, was Dif­fe­ren­ti­al­dia­gnos­tik und Dia­gnos­tik an sich betrifft.“

Eine der per­sön­li­chen Ziel­set­zun­gen, die Chris­toph Fürt­hauer an das Men­to­ring-Pro­gramm hat: „Bei denen, die sich schon für die All­ge­mein­me­di­zin ent­schie­den haben, wol­len wir die Begeis­te­rung erhal­ten“. Neben dem fach­li­chen Aus­tausch könne der Men­tee von der Erfah­rung des Lehr­pra­xis­in­ha­bers pro­fi­tie­ren: etwa bei Fra­gen zur Aus­bil­dung gene­rell, zur Kar­rie­re­pla­nung, mög­li­chen Zusatz­qua­li­fi­ka­tio­nen sowie Tipps für die geplante Nie­der­las­sung und Praxisorganisation.

Infor­ma­ti­ons­kam­pa­gne folgt

Dass vie­len jun­gen Kol­le­gin­nen und Kol­le­gen nicht wirk­lich bewusst sein dürfte, dass es die Mög­lich­keit von Men­to­ring gibt, bestä­tigt Dol­cic. Da das ent­spre­chende Pilot­pro­jekt zum Men­to­ring-Pro­gramm doch schon einige Jahre zurück­liege, musste das Pro­gramm „mehr oder weni­ger“ auf neue Beine gestellt wer­den. „Viele von denen, die damals im Pilot­pro­jekt waren, sind heute Ver­tre­tungs­ärzte oder bereits nie­der­ge­las­sen und nicht mehr in einem Kran­ken­haus ange­stellt. Den direk­ten Draht zu den heute jun­gen Ärz­ten gibt es nicht mehr und die Mund­pro­pa­ganda für das Pro­gramm ist daher schwie­rig“, berich­tet Dol­cic. Das Lehr­pra­xis­re­fe­rat plant daher eine Infor­ma­ti­ons­kam­pa­gne; ebenso sol­len auch die Lehr­pra­xis­lei­ter ver­stärkt für das Men­to­ring-Pro­gramm sen­si­bi­li­siert werden. ◉ 


Die Details

Die Salz­bur­ger Initia­tive All­ge­mein­me­di­zin (SIA) hat bereits im Jahr 2012 ein Pilot­pro­jekt ins Leben geru­fen, das Semi­nare, Lehr­pra­xis und Men­to­ring im Aus­bil­dungs­kon­zept vor­sah. Die­ses Pro­jekt wurde vom Refe­rat All­ge­mein­me­di­zin der Ärz­te­kam­mer Salz­burg, von der Salz­bur­ger Gesell­schaft für All­ge­mein­me­di­zin (SAGAM) und dem Lehr­stuhl für All­ge­mein- und Fami­li­en­me­di­zin der PMU (Para­cel­sus Medi­zi­ni­sche Pri­vat­uni­ver­si­tät Salz­burg) initi­iert und durch das Land Salz­burg und die Gebiets­kran­ken­kasse Salz­burg finanziert. 


© Öster­rei­chi­sche Ärz­te­zei­tung Nr. 4 /​25.02.2020