Porträt Janine Kimpel: Schach den HP-Viren

10.04.2020 | Politik


HPV-Infektionen durch eine therapeutische Impfung eliminieren, bevor Krebs entstehen kann – das ist das Forschungsziel der Virologin Janine Kimpel. Dafür hat sie den Forschungsförderungspreis 2020 der österreichischen Krebshilfe erhalten.

Ursula Scholz

Ein genialer Schachzug im Kampf gegen den Gebärmutterhalskrebs soll es werden: Mithilfe des viralen Vektors VSV-GP will Janine Kimpel bereits im Körper eingenistete Humane Papillomviren mattsetzen. „Ursprünglich hatte ich mich in meiner Forschungsarbeit auf die Nutzung des Vektors als Impfstoff gegen HI-Viren konzentriert, aber mein Münchner Kollege Christof Geldmacher hat vorgeschlagen, das Prinzip auch auf HPV anzuwenden. Als ich dann im Newsletter der Meduni Innsbruck vom Forschungsförderungspreis der Krebshilfe las, war das eine große Motivation, mich darauf zu fokussieren.“ Denn der heurige Preis der Krebshilfe – im Jubiläumsjahr des 110-jährigen Bestehens mit 110.000 Euro höchstdotiert – stand unter dem Motto „Humane Papillomviren und Krebs“. Kimpel erhielt den Zuschlag und kann nun weiter in die Tiefe forschen. Die schon etablierte präventive HPV-Impfung hat sich als erfolgreich erwiesen – im Verhindern von Neu-Infektionen mit HPVHochrisikotypen.

Den zahlreichen bereits infizierten Frauen hilft sie allerdings nicht. Da aber das Zeitfenster zwischen Infektion und der Entstehung von Zervix-Tumoren sehr groß ist, könnte hier eine therapeutische Impfung, wie sie Kimpel anstrebt, noch zum rechtzeitigen Eliminieren der Viren führen. Kimpel testet ein Vektorvirus, mit dessen Hilfe sie für die Induktion von zytotoxischen T-Zellen wichtige HPV-Antigene in den Körper einschleusen möchte. „Wir arbeiten dabei mit dem vesikulären Stomatitis-Virus, das bei Schafen und Kühen zu Bläschen in der Mundregion führt, für Menschen aber ungefährlich ist. Derzeit wird es hauptsächlich als Impfstoff gegen das Ebola-Virus und für onkolytische Zwecke getestet“, erklärt Kimpel, die in Innsbruck am Institut für Virologie des Departments für Hygiene, Mikrobiologie und Public Health eine Forschungsgruppe leitet. „In Kombination mit einem zweiten Virus haben wir ein chimäres Virus geschaffen, in das wir zusätzlich Bestandteile der HP-Viren eingebaut haben.“

Wird ein bereits mit HP-Viren infizierter Mensch damit geimpft, soll das Immunsystem dazu angeregt werden, sich neuerlich mit den Eindringlingen auseinanderzusetzen. Bei Patientinnen mit persistierender HPV-Infektion und daraus resultierendem CIN2- oder CIN3- Befund ist ihr Immunsystem bisher mit dem Erkennen und Abtöten des Virus allein nicht klargekommen. Die therapeutische HPV-Impfung soll daher die genetische Information der Papillomviren nochmals in den Körper bringen und sozusagen neuerlich eine Immunantwort induzieren. „Es sollen T-Zellantworten, insbesondere zytotoxische T-Zellen, gegen die viralen Proteine induziert werden“, erläutert Kimpel. Ziel ist es, mit der dadurch erreichten Immunantwort der Entstehung eines Karzinoms zuvorzukommen. Mit dem Forschungsgeld der Krebshilfe möchte Kimpel nun in den kommenden eineinhalb bis zwei Jahren die nötigen Impfvektoren herstellen und sie anschließend an Zellkulturen und im Tiermodell testen. Verläuft diese Etappe erfolgreich und sind auch die Ergebnisse der toxikologischen Überprüfung zufriedenstellend, hofft Kimpel, weitere Forschungsgelder lukrieren zu können. Damit könnte die therapeutische HPV-Impfung dann in die Phase der klinischen Studien übergehen.

Strategisch bereits mehrere Schritte vorauszudenken ist für die 37-jährige Virologin nicht erst selbstverständlich, seit sie Verantwortung für eine Forschungsgruppe trägt. Von Kindesbeinen an spielt sie – ebenso wie ihre beiden Geschwister – Schach. Turniersiege erringt sie oft beim Schnellschach, einer Variante mit verkürzter Bedenkzeit. Vom Schachspiel in den Beruf mitgenommen hat sie – so ihre Selbsteinschätzung – die Fähigkeit, sich rasch zu entscheiden, aber auch, intuitiv nach Bauchgefühl vorzugehen. Sowohl bei ihrem Hobby als auch im Labor sei ihr außerdem ihr kreatives Potential von Nutzen. Janine Kimpel spielt in regionalen Tiroler Clubs sowie in der Österreichischen Schach-Frauenbundesliga, aber auch noch in jenem Club ihrer deutschen Heimat, wo sie seinerzeit die Mutter als „Schach-Novizin“ angemeldet hat. Kimpel stammt aus Niedergründau, einem 1.700-Einwohner-Dorf in der Nähe von Frankfurt am Main. In Frankfurt hat sie Biologie studiert, ursprünglich mit der Idee, einmal in die Pharma-Forschung zu gehen. „Ich hatte kein besonders konkretes Ziel, wusste aber immer, dass ich praxisnah arbeiten möchte. Über ein Praktikum am Georg-Speyer-Haus bin ich dann bei meiner Doktormutter Dorothee von Laer gelandet und somit im Bereich der Medizin.“ Das Georg-Speyer-Haus ist eine privat gestiftete Forschungseinrichtung in unmittelbarer Nähe des Frankfurter Universitätsklinikums.

Kimpel blieb nicht nur der medizinischen Richtung treu, sondern auch von Laer. Als diese auf eine Professur nach Innsbruck berufen wurde, übersiedelte auch Kimpel. „Eigentlich wollte ich ja nur für zwei, drei Jahre bleiben, aber mittlerweile sind es fast zehn geworden.“ In erster Linie hätten sie die spannenden Forschungsprojekte gehalten, meint Kimpel rückblickend, aber auch die Schönheit der Stadt mit den Bergen vor der Haustür. Auch der virale Vektor, an dem sie aktuell forscht, könnte sie noch über einige Jahre begleiten: zunächst einmal über das HPV-Projekt, aber auch in anderen Anwendungsbereichen. „Der Vektor wird parallel dazu im Einsatz gegen HIV und das Respiratory Syncytial-Virus getestet, könnte aber noch bei ganz anderen Krankheiten angewendet werden.“

Gute Forschungsbedingungen

Bittet man Kimpel, die Vor- und Nachteile der deutschen und der österreichischen Forschungslandschaft miteinander zu vergleichen, äußert sie sich vorsichtig. Deutschland habe sie ja vor allem als Diplomandin und Dissertantin erlebt, in Österreich lerne sie das System als Forschungsgruppenleiterin von einer ganz anderen Seite kennen. Vielmehr sieht sie Parallelen zwischen den beiden Ländern: „Ich denke, die Bedingungen sind in beiden Ländern gut, auch wenn wenig Geld da ist. Immerhin sind die Universitäten gut mit Geräten ausgestattet.“ Allerdings gebe es in beiden Ländern zu wenige unbefristete Forschungsstellen, mit denen man potentiellen Bewerbern kaum längerfristige Perspektiven bieten könne. Ideen für Forschungsprojekte hätte Kimpel viele. Derzeit ist sie jedoch mit ihren HIV- und HPV-Forschungsvorhaben ausgelastet. Selbst wenn sie alle erdenklichen Ressourcen zur Verfügung hätte, meint Kimpel, würde sie genau daran forschen, woran sie derzeit arbeitet. „Aber wir könnten mehr Grundlagenforschung betreiben, um die Mechanismen im Immunsystem besser zu verstehen. Ich würde genau da weiterarbeiten, wo ich derzeit stehe, nur mit viel mehr Händen – und wir würden in kürzerer Zeit viel mehr geschafft kriegen.“ Man könnte sagen: Hat sich Kimpel einmal für eine Zugfolge entschieden – beim Schach oder im Labor –, bleibt sie konsequent dabei.

 

 

 

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 7 / 10.04.2020