Porträt Bernhard Steger: Die Augenoberfläche als Fotografie

25.02.2020 | Politik


Exzellenz entsteht nicht nur im ungebremsten Flow, sondern auch im Überwinden von unerwarteten Widerständen. Der Ophtalmologe Bernhard
Steger ist ein gutes Beispiel dafür mit seiner Idee für ein neuartiges Bildgebungsverfahren, mit dem die Augenoberfläche auf allen Ebenen scharf fotografisch abgebildet werden kann.
Ursula Scholz

Eigentlich wollte Bernhard Steger Tierarzt werden wie sein Vater. Eine Tierhaar-Allergie machte ihm schon mit 16 Jahren einen Strich durch die Rechnung. Also zog er nach der Matura mit seinem Cousin von Saalfelden am Steinernen Meer nach Innsbruck, um Humanmedizin zu studieren. Seine Präferenz für die Augenheilkunde entstand dann im Turnus – aufgrund einer Vorliebe für die Visualität der Befunde, aber auch, weil die Ophthalmologie chirurgische wie nicht-chirurgische Aspekte vereint und die Arbeit mit Patienten jeder Altersgruppe ermöglicht.

Falscher Pass

Der nächste Stein in seinem Weg, aus dem der heute 40-Jährige Großes zu bauen wusste, war die Suche nach einer passenden Ausbildungsstelle. Nach Abschluss der Facharztausbildung in Innsbruck verschickte er im Jahr 2014 Bewerbungen. Er hatte bereits eine Einladung zu einem Vorstellungsgespräch in Cambridge in der Tasche, als er am Salzburger Flughafen einchecken wollte, um dann festzustellen, dass er den Pass seines Zweitgeborenen, Gabriel, mitgenommen hatte. „Es war schicksalhaft, hat aber rückblickend gesehen gut gepasst“, resümiert Steger – heute, wo die Emotionen von damals verraucht sind. Die Chance in Cambridge konnte ein anderer wahrnehmen, dafür tat sich an der Universität Liverpool eine Türe auf, hinter der Steger eine hochspezifische Weiterbildung in kornealer, refraktiver und Kataraktchirurgie sowie eine sehr bereichernde Forscher-Community erwartet haben. Denn dort entstand die Idee zu seinem nun preisgekrönten Projekt. „Wir sind in der Ambulanz gesessen, haben Fotos der Augenoberfläche angeschaut und waren uns einig, wie schrecklich es ist, dass es im digitalen Zeitalter noch keine bessere Möglichkeit gibt, die Augen oberfläche zu dokumentieren.“ Denn die plane Fokalebene der Kameras macht es noch unmöglich, durchgehend scharfe Abbildungen der konvexen Oberfläche zu generieren.

Unruhiger Geist

„Ich gebe mich nicht leicht mit Gegebenem zufrieden“, gibt Steger zu. „Ich bin eher ein unruhiger Geist.“ Kreativ ist er auch – und menschlich gut vernetzt. Zusammen mit seinem Fellow-Kollegen Vito Romano visierte er das Ziel an, scharfe Aufnahmen der Augenoberfläche zu machen. Ein Freund aus Kindheitstagen, Ulrich Hausmann, war mittlerweile Optik-Ingenieur, Firmeninhaber und bald war klar, dass er der Fachmann für die technische Lösung des zu entwickelnden Linsensystems ist. Ein Demonstrator für die Cornea Dome Lens, die Speziallinse für die Hornhautkuppel, der die Umsetzbarkeit der Idee beweist, ist schon fertig; am Prototypen wird eifrig gebaut. „Wir hoffen, dass der fertige Apparat ab Ende 2020 verfügbar sein wird.“

Für die Idee erhielt Steger zwei Innovationsförderungen des Landes Tirol. Außerdem wurde er 2019 mit dem vom Bundesministerium für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort mit 8.000 Euro dotierten Science2Business-Award ausgezeichnet. Das Cornea Dome Lens-Projekt machte das Rennen in der Kategorie bereits bestehender Kooperationen und setzte sich dabei unter 18 Projekten durch.

Telemedizinische Erleichterung

Grundvoraussetzung für den Science2Business-Award ist auch ein deutlicher Grad an Digitalisierung, welche durch dieBildanalyse-Software gegeben ist. Diese ermöglicht nach der Bilderfassung durch das auf die Krümmung der Hornhaut abgestimmte Cornea Dome Lens-System eine umfangreiche und halbautomatische Bilddatenverarbeitung. Hilfreich ist dieses Verfahren bei allen Erkrankungen des vorderen Auges, aber auch bei der Anpassung von Kontaktlinsen. Auch die künftige telemedizinische Anwendbarkeit erfüllt die Voraussetzungen für den Preis. „Zur Erstuntersuchung werden die Patienten weiterhin persönlich zum Arzt kommen müssen. Aber beispielsweise Verlaufskontrollen lassen sich durch die verlässliche und qualitativ hochwertige Dokumentation künftig auch telemedizinisch durchführen.“

Die technischen Patente für die Cornea Dome Lens wird die Occyo GmbH, das Unternehmen des Kooperationspartners und technischen Erfinders Hausmann, halten. Vito Romano und Bernhard Steger sind Consulter und jene wissenschaftlich tätigen Fachärzte für Augenheilkunde, die die Cornea Dome Lens in Studien auf ihre optimale Einsatzbarkeit testen werden. Denn für den 2017 Habilitierten ist klar, dass er im universitären Umfeld weiterarbeiten möchte.

Eine eigene Ordination wollte er nicht unbedingt gründen, nun hat er eine Light-Version davon: Einen Tag in der Woche ordiniert er in einer Brixener Privatklinik, wo er auch die Abteilung für Augenheilkunde leitet und vorwiegend chirurgisch tätig ist. Aber nicht nur für diese Tätigkeit hat er kürzlich seine Arbeitszeit am Universitätsklinikum Innsbruck reduziert. „Zwei Nachmittage in der Woche sind für meine vier Kinder reserviert. Meine Frau trägt ohnehin die Hauptverantwortung in der Familie und ich möchte sie entlasten.“ Als Ausgleich zu seinem dicht getakteten Berufsalltag findet er Entspannung, wenn er Zeit mit seinen Kindern verbringt, aber auch bei seiner täglichen Bibel-Lektüre, beim Bogensport und Langlaufen. Sein privates Lebensziel? „Ich will für meine Kinder beruflich, spirituell und als Mensch inspirierend sein.“ Beruflich ist er angekommen, wo er hinwollte. Aber da er sich mit Gegebenem nicht zufriedengibt, wird er sicherlich noch die eine oder andere berufliche Herausforderung annehmen. ◉

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 4 / 25.02.2020