E-Health in Österreich: Online-Arzt – Ärzte online

10.06.2020 | Politik

Von virtuellem Spital bis zur Konsultation übers Internet – die Zukunft auch der Medizin ist digital. Aber wer steckt hinter den bits and bytes? Wer entwickelt die Software, stellt Datensicherheit sicher, verbindet Insellösungen? Ein Überblick über die großen Player im österreichischen E-Health-Markt.
Sophie Fessl

Der E-Health Markt lässt sich in drei Segmente einteilen: Telemedizin & E-Care, integrierte Gesundheitsinformationsnetzwerke und klinische Informationssysteme. „Derzeit gibt es in Österreich keinen geregelten Markt für E-Health“, erklärt Dietmar Bayer, Leiter des Referats E-Health in Ordinationen der ÖÄK. „Natürlich haben wir die typischen Großen, wie Apple, Google, Microsoft und IBM. Ansonsten ist die ELGA GmbH der big player.“

Die ELGA GmbH ist neben der ITSV GmbH und SVC eine der drei staatlichen IT-Firmen, die in Österreich e-Projekte für das Gesundheitssystem entwickeln. Gegründet im Jahre 2009 ist die ELGA GmbH – im Eigentum von Bund, Ländern und Sozialversicherung – verantwortlich für die Einführung und Implementierung der elektronischen Gesundheitsakte (ELGA). Ein „big player“ also, der von 2010 bis 2016 eine Finanzierung von 60 Millionen Euro erhielt; weitere 41 Millionen von 2017 bis 2020.

Aufgabe der ELGA GmbH ist auch die Weiterentwicklung der IT-Architektur, die für die Dokumenten-Austauschplattform – den Zugriff auf die Daten – notwendig ist. Die Infrastruktur ist ein sicheres Netzwerk oder „paralleles Internet“, nur für Gesundheitsdiensteanbieter (GDA) mit bekannten Endpunkten, über das Gesundheitsinformationsnetz GIN und das eHI-Net. Das schrittweise Ausrollen begann im Dezember 2015 in öffentlichen Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen in Wien und der Steiermark. Mittlerweile arbeiten rund 170 stationäre Einrichtungen mit ELGA. Seit Herbst 2019 steht die ELGA-Funktion „e-Medikation“ in den Apotheken und Kassen-Ordinationen zur Verfügung. Auch ein konkreter Plan zur Einführung des e-Impfpass mit einer lückenlosen elektronischen Dokumentation aller Impfungen wird von der ELGA GmbH erstellt.

Auch die ITSV GmbH mischt bei ELGA mit. 2004 gegründet als 100-prozentige Tochter der Österreichischen Sozialversicherungsträger, steuert das Unternehmen seither die IT-Aktivitäten der österreichischen Sozialversicherung. Rechenzentren, Softwareentwicklung und Betrieb eines zentralen Servicecenters gehören zu ihren Aufgaben. Die Rechenzentren der ITSV in Wien und Linz betreuen die Sozialversicherung, wo etwa die zugrundeliegenden Daten der E-Card gespeichert sind. Die Rechenzentren umfassen auch den Betrieb von Services wie Pensionskonto, Versichertendatenauszug und ELGA.

ITSV-Projekte

Der Zentrale Patientenindex, ein Schlüssel von ELGA, wurde von der ITSV entwickelt und weiterhin von ihr im eigenen Rechenzentrum betrieben. Auch die ELGA-Serviceline läuft über die ITSV, die auch die Widerspruchsstelle ist und somit für An- und Abmeldung von ELGA zuständig ist. Vor allem aber ist das „Umbrella Monitoring System“ bei der ITSV angesiedelt. Die ITSV entwickelte und betreibt diese Applikation für alle ELGA-Betriebsorganisationen, um den Gesamtzustand des ELGA-Systems österreichweit zu erfassen. So soll stets ein Überblick über alle Komponenten des Systems gegeben sein, und eine Lösung für Ausfälle gefunden werden.

Eine Inhouse-Entwicklung der ITSV ist „MeineSV“, das Online-Service-Portal der Sozialversicherung für mehr als 8,7 Millionen Versicherte. Auf dieses kann auch über die „MeineSV App“ zugegriffen werden. Das Leistungsangebot umfasst derzeit die Einreichung von Rechnungen für Wahlärzte, Therapeuten, Heilbehelfe und Krankentransporte (für Versicherte der ÖGK), die Anzeige der e-Card Daten und Mitversicherten, den Download des Versicherungsdatenauszuges sowie die Anzeige vergangener Arztbesuche.

SVC, die zweite IT-Tochter

Die Aufgabe der SVC – ihrer Selbstbeschreibung nach – ist es „Österreichs Gesundheitssystem von der technologischen Seite her fit für die Zukunft zu machen“. SVC steht für Sozialversicherungs-Chipkarten Betriebs- und Errichtungsgesellschaft mbH (SVC). Sie hat 2002 als IT-Tochterunternehmen der Sozialversicherungsträger und des Hauptverbands ihr operatives Geschäft aufgenommen. Auch die SVC ist bei IT-Projekten der Sozialversicherung, ELGA, E-card und E-Medikation mit dabei. Kernaufgabe war und ist Einführung, Weitentwicklung und Betrieb der E-card, die SVC betreibt das E-card-System.

Die SVC hat für ELGA das ELGA-Portal und die E-Medikation entwickelt. Außerdem betreibt sie das Security Token Service, das Kontaktbestätigungsservice, eine Lösung zur Bescheinigung der Identität von Vertragspartnern des E-card-Systems wie Arztpraxen gegenüber Anwendungsanbietern wie zum Beispiel Betreibern von Portalen mit eHealth-Anwendungen. Außerdem wird so der Kontakt zwischen Vertragspartnern und Patienten bestätigt, um zu klären, ob Einsicht genommen und auf welche Daten zugegriffen werden darf.

Die Peering Point Betriebsgesellschaft (PPG) wiederum wurde gegründet, um das GIN-Netzwerk als sicheres Basisnetzwerk zwischen Ärzten, Krankenhäusern, Heimen und Apotheken zu betreiben und zu vermarkten. Die PPG ist eine Tochtergesellschaft des Hauptverbands der Österreichischen Sozialversicherungsträger und der Österreichischen Ärztekammer.

ELGA bietet eine Infrastruktur, die zukünftig auch für andere E-health Anwendungen genutzt werden kann – weit über den Austausch von Dokumenten hinaus. Denn ELGA bietet eine sichere Identifikation von Arzt und Patient sowie eine flexible Möglichkeit zu steuern, wer auf bestimmte Daten Zugriff erhält. Eine Möglichkeit der Anwendung fällt unter das Motto „Don’t move the patient, move the information“, also die Telemedizin, die Diagnostik oder Therapie mithilfe von IT-Lösungen.

Das Austrian Institut for Technology (AIT), Österreichs größte außeruniversitäre Forschungseinrichtung, entwickelt Telemedizin-Projekte auf Basis einer speziellen telemedizinischen Technologieplattform in mehreren Regionen Österreichs – etwa den „Gesundheitsdialog Diabetes mellitus“. Das von der VAEB gemeinsam mit dem Austrian Institute of Technology entwickelte Tool ermöglicht es Diabetes-Patienten, die Messwerte im elektronischen Tagebuch „DiabMemory“ zu registrieren und an den behandelnden Arzt weiterzuleiten. Das DiabMemory ist einfach zu bedienen und gibt einen laufenden Überblick über die aktuellen Zuckerwerte, die Therapie kann sofort angepasst werden.

Unter Telemedizin fallen auch das HerzMobil Tirol und das HerzMobil Steiermark, für die integrierte Betreuung von Patienten mit Herzinsuffizienz sowie CardioMemory, für Hypertonie, die in Kooperation mit dem AIT entstanden sind. 2021 soll in ganz Tirol die Versorgung mit dem HerzMobil erreicht werden, das ein kontinuierliches Monitoring ermöglicht. Das Unternehmen „Telbiomed Medizintechnik und IT Service GmbH“, ein Spin-Off des AIT, ist der Tele-Health-Service-Provider des Projekts HerzMobil.

Auch die ITSV entwickelte einen telemedizinischen Dienst: die telefonische Gesundheitsberatung, die unter der Telefonnummer 1450 erreichbar ist. Anrufer erhalten Beratung bei gesundheitlichen Problemen und Informationen darüber, wo sie die beste Versorgung erhalten; sie ist auch Ansprechpartner bei Verdacht auf eine Infektion mit dem Corona-Virus.

Informationssysteme für Krankenhäuser

Bei Krankenhausinformationssystemen war Agfa Health Care in der DACH-Region (Deutschland, Österreich, Schweiz) jahrelang Marktführer. Insgesamt erzielt Agfa HealthCare in Deutschland, Österreich und der Schweiz mit dem IT-Geschäft einen Umsatz von circa 200 Millionen Euro. Wie im Mai 2020 verlautbart wurde, hat „Dedalus Group“ einen Teil des IT-Geschäfts von Agfa HealthCare übernommen, insbesondere die Aktivitäten von Healthcare Information Solutions und Integrated Care in der DACH-Region.

CompuGroup Medical (CGM) ist einer der führenden Hersteller für Praxis-Software; seit 2008 bietet der internationale Konzern auch KIS an. In Österreich ist CompuGroup Medical einer der Marktführer im Bereich EDV für den ambulanten und stationären Bereich. Tochter-Unternehmen der CGM, die in Österreich tätig sind, sind etwa Innomed und Health Communication Service (HCS).

Das US-Unternehmen Cerner übernahm 2015 für 1,3 Milliarden Dollar die Siemens Health Services, die Gesundheits-IT von Siemens. Nicht betroffen waren Laborinformationssysteme und klinische Software für bildgebende Verfahren. Mit seinem Portfolio an KIS-Lösungen stieg Cerner zum zweitgrößten KIS-Hersteller in Deutschland auf. Im Februar 2020 erwarb CompuGroup Medical Teile des IT Healthcare Portfolios von Cerner in Deutschland, darunter führende Krankenhausinformationssysteme. Medizintechnik, eHealth-Lösungen und relevante IT Services bietet die Siemens-Medizintechnik-Tochter Siemens Healthineers weiterhin an.

Der österreichische Markt für Arzt-Software wird von dutzenden Herstellern bespielt; eine Anbindung an das Gesundheitsinformationsnetz (GIN) der Österreichischen Sozialversicherung bieten die Provider Drei, A1 und T-Mobile.

Zentralisierung und Standardisierung

Viele Hersteller, viele Produkte: Um die Kommunikation zwischen Krankenhaus, Arzt und Apotheke möglichst reibungslos zu gestalten, müssen Brücken zwischen den verschiedenen Software-Lösungen geschlagen werden. Standardisierung und Interoperabilität sind hier die Stichwörter. Um Datenaustausch zu ermöglichen, fordert die Österreichische Gesellschaft für Telemedizin, deren Präsident Dietmar Bayer ist, die Verwendung von internationalen Standards im Gesundheitswesen, wie eigentlich bereits von der Bundesgesundheitskommission 2007 beschlossen wurde.

Zu diesen internationalen Standards gehören HL7 und DICOM, die eine technische Interoperabilität der Systeme ermöglichen. DICOM hat sich bereits als Standard für das Speichern und die Kommunikation von Bilddaten durchgesetzt. Für den Austausch von Dokumenten wie Arztbriefen oder Befundberichten existiert Clinical Document Architecture (CDA), ein auf XML-basierender Standard. Er wurde von Health Level 7 entwickelt, einer 1987 in den USA gegründeten Normengruppe. Partnerorganisationen existieren in mehr als 30 Ländern, auch in Österreich. HL7 Austria ist ein gemeinnütziger Verein und Affiliate von HL7 International, der die HL7-Standards an das österreichische Gesundheitssystem anpasst. Eine weitere Initiative zur Verbesserung der Interoperabilität im Gesundheitswesen ist IHE Austria, die die internationale Organisation „Integrating the Healthcare Enterprise“ IHE in Österreich repräsentiert.

Aber nicht nur eine technische Interoperabilität ist notwendig. Die verschiedenen Systeme müssen auch „verstehen“, was die anderen sagen, um Information präzise auszutauschen. Für diese einheitliche Semantik gibt es SNOMED CT, „Systematized Nomenclature of Medicine Clinical Terms“, ein international eingesetztes Terminologie-System. Seit Dezember 2018 ist auch Österreich Mitglied von SNOMED International, die die Rechte an SNOMED CT hält und Lizenzen zu ihrer Nutzung vergibt. Österreich wird dabei von der ELGA GmbH repräsentiert. Mit der Mitgliedschaft ist eine „Republiklizenz“ verbunden; daher kann SNOMED CT österreichweit kostenfrei genutzt werden. Mit SNOMED CT können nun relevante Informationen semantisch präzise zwischen Gesundheitsdienstanbietern ausgetauscht werden.

 

 

 

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 11 / 10.06.2020