Neues Coro­na­vi­rus: Die Fakten

10.02.2020 | Coronavirus, Politik

Mehr als 17.000 Infi­zierte welt­weit und mehr als 360 Todes­fälle – das ist die aktu­elle Bilanz* des Coro­na­vi­rus, Ten­denz stei­gend. Die Wahr­schein­lich­keit für einen Aus­bruch in Europa wird der­zeit als gering ein­ge­schätzt. Gesund­heits­mi­nis­ter Rudolf Anscho­ber zur Situa­tion in Öster­reich: „Es gibt kei­nen Grund zur Panik. Öster­reich ist bes­tens aufgestellt.”

Laura Scher­ber

„Ver­las­sen Sie nicht das Haus“ – mit die­sen Wor­ten haben die Behör­den die Bewoh­ner von Wuhan auf­ge­for­dert, ihre Woh­nun­gen mög­lichst nicht zu ver­las­sen und vor allem öffent­li­che Men­schen­an­samm­lun­gen zu mei­den. Seit den ers­ten Infek­tio­nen im Dezem­ber 2019 mit dem neu­ar­ti­gen Coro­na­vi­rus gleicht die sonst so leb­hafte Elf-Mil­lio­nen-Metro­pole Wuhan in China zuneh­mend einer Geis­ter­stadt. Nie­mand darf ein­rei­sen, nie­mand darf die Stadt ver­las­sen. Wer sich in der Öffent­lich­keit bewegt, darf dies nicht ohne Schutz­maske tun – sonst dro­hen Stra­fen. Erschwe­rend kam hinzu, dass sich wegen des chi­ne­si­schen Neu­jahrs­fes­tes Hun­derte Mil­lio­nen Men­schen zu die­ser Zeit in der Volks­re­pu­blik China auf Rei­sen befanden. 

Am 31. Dezem­ber 2019 mel­dete die chi­ne­si­sche Gesund­heits­be­hörde 27 Fälle von Lun­gen­ent­zün­dung mit zunächst unbe­kann­ter Ursa­che. Am 9. Jän­ner 2020 iden­ti­fi­zier­ten Exper­ten laut WHO als Erre­ger das neue Coro­na­vi­rus. Der ver­mu­tete Ursprung: der Hua­nan-Markt in Wuhan, wo neben Mee­res­früch­ten auch exo­ti­sche Wild­tiere ver­kauft wer­den. Füchse, Schlan­gen, Pfaue oder Kro­ko­dile gel­ten in China als Deli­ka­tesse. Als Über­trä­ger des neu­ar­ti­gen Coro­na­vi­rus wer­den vor allem Schlan­gen und Fle­der­mäuse in Betracht gezo­gen. Gewiss­heit wer­den lau­fende expe­ri­men­telle Stu­dien in abseh­ba­rer Zeit liefern.

Der Hua­nan-Markt wurde am 1. Jän­ner 2020 geschlos­sen und des­in­fi­ziert. Seit­her ist die Zahl der Infi­zier­ten in China mit mehr als 17.200 Fäl­len (Stand 3. Februar 2020) rasant ange­stie­gen; es gab bereits mehr als 360 Todes­fälle. Die aktu­elle Situa­tion ruft Erin­ne­run­gen an die Pan­de­mie durch den SARS-Virus (Severe acute respi­ra­tory syn­drome) in den Jah­ren 2002/​2003 her­vor. Damals star­ben 774 Men­schen an einer Atem­wegs­er­kran­kung durch SARS. Die Schlüs­sel­rolle bei der Über­tra­gung spielte dabei die Zibetkatze.

Außer­halb von China (inklu­sive Hong Kong und Macau) sind bis Ende Jän­ner die­ses Jah­res Erkran­kungs­fälle durch das Coro­na­vi­rus in Tai­wan, Thai­land, Japan, Süd­ko­rea, USA, Viet­nam, Sin­ga­pur, Aus­tra­lien, Malay­sia, Kanada, Nepal, Sri Lanka, Kam­bo­dscha, den Ver­ei­nig­ten Ara­bi­schen Emi­ra­ten, Frank­reich, Deutsch­land, Finn­land und auf den Phil­ip­pi­nen bestä­tigt wor­den. Die ers­ten Fälle in Europa wur­den am 24./25. Jän­ner in Frank­reich bekannt. Bis­he­rige Ver­dachts­fälle in Öster­reich wur­den nicht bestä­tigt. „Es gibt kei­nen Grund zur Beun­ru­hi­gung“, betont Oli­ver Gum­hold von der Abtei­lung Kom­mu­ni­ka­tion und Ser­vice des Bun­des­mi­nis­te­ri­ums für Sozia­les, Gesund­heit, Pflege und Kon­su­men­ten­schutz. Da es keine Direkt­flüge aus Wuhan gebe und Wuhan her­me­tisch abge­rie­gelt sei, rechne man nicht mit einem mas­sen­haf­ten Auf­tre­ten in Europa. „Wir haben die Sache im Blick und unsere Kol­le­gen in der Gesund­heits­sek­tion sind im stän­di­gen Aus­tausch mit den zustän­di­gen Stake­hol­dern auf inter­na­tio­na­ler und euro­päi­scher Ebene und mit den Lan­des­sas­di­rek­tio­nen“, erläu­tert Gum­hold. Wer am Flug­ha­fen Schwe­chat mit einer ent­spre­chen­den Sym­pto­ma­tik aus einer bestimm­ten Region ein­trifft, wird direkt vom medi­zi­ni­schen Per­so­nal in Emp­fang genom­men und betreut. „Die chi­ne­si­schen Behör­den machen unse­res Wis­sens nach auch an den gro­ßen Flug­hä­fen Exit-Kon­trol­len und fil­tern noch in China jene Per­so­nen her­aus, die eine Sym­pto­ma­tik auf­zei­gen und eine erhöhte Tem­pe­ra­tur haben“, fügt er abschlie­ßend hinzu. 

In Öster­reich gibt es bis­lang kei­nen bestä­tig­ten Fall. Bei meh­re­ren Ver­dachts­fäl­len konnte nach dem Test Ent­war­nung gege­ben wer­den; ein wei­te­rer Ver­dachts­fall wird zu Redak­ti­ons­schluss noch geprüft.

Der­zeit sind außer­halb Chi­nas nur Men­schen betrof­fen, die eine Rei­se­ana­mnese haben. Wird ein Pati­ent mit klas­si­schen Sym­pto­men wie Fie­ber, Hus­ten und Atem­be­schwer­den in der Pra­xis vor­stel­lig und hat einen Auf­ent­halt in einem Risi­ko­ge­biet (Pro­vinz Hubei inklu­sive Wuhan) hin­ter sich oder stand in Kon­takt mit einem wahr­schein­li­chen oder bestä­tig­ten Fall mit 2019-nCoV, sind wich­tige Schritte die Iso­la­tion des Pati­en­ten, das Auf­set­zen einer Atem­maske sowie die Ein­schal­tung der Ret­tung und Zufüh­rung zur Testung. 

Die WHO hat mitt­ler­weile mit 30. Jän­ner 2020 die „gesund­heit­li­che Not­lage von inter­na­tio­na­ler Trag­weite“ ausgerufen. ◉ 

*) Stand: 3.2.2020


Vor­ge­hen bei mög­li­chem Verdacht

Kli­nik:
• Fie­ber
 UND/​ODER
• eines der fol­gen­den Sym­ptome: Hus­ten, Kurz­at­mig­keit oder sons­tige Atem­be­schwer­den
 UND
 Rei­se­ana­mnese ­ Epi­de­mio­lo­gie:
• Waren Sie in den letz­ten 14 Tagen in einem Risi­ko­ge­biet (Pro­vinz Hubei (China)?
 ODER
• Hat­ten Sie in den letz­ten 14 Tagen engen Kon­takt mit einer an 2019­nCoV erkrank­ten oder ver­stor­be­nen Per­son?

Was ist zu tun?

• Wenn diese Fra­gen mit „ja“ beant­wor­tet wer­den, dann rufen Sie umge­hend die zustän­dige Bezirksverwaltungs­behörde an.
• Schutz­klei­dung anle­gen (Mund­, Nasen­ und Augen­schutz, Hand­schuhe, Schutz­kit­tel)
• Pati­en­ten bis zum Ein­tref­fen des Kran­ken­trans­por­tes in sepa­ra­tem Raum iso­lie­ren
• Kon­takt­da­ten (Name, Adresse, Tele­fon­num­mer) aller in der Ordi­na­tion befind­li­chen Per­so­nen erfassen

Der Amts­arzt führt eine Risi­ko­be­ur­tei­lung durch und organi­siert, wenn not­wen­dig, einen geeig­ne­ten Krankentransport.

Quelle: Bun­des­mi­nis­te­rium für Arbeit, Sozia­les, Gesund­heit und Kon­su­men­ten­schutz (Stand: 27.01.2020)


TIPP:

Über die aktu­el­len Maß­nah­men und Hand­lungs­emp­feh­lun­gen infor­miert das Bun­des­mi­nis­te­rium für Sozia­les, Gesund­heit, Pflege und Kon­su­men­ten­schutz tages­ak­tu­ell auf sei­ner Web­site Opens external link in new window www.sozialministerium.at/coronavirus


Coro­na­vi­rus Hotline:

Exper­ten der AGES beant­wor­ten Fra­gen unter der Telefon­
num­mer 0800 555 621 – Mon­tag bis Frei­tag, 09:00 bis 17:00 Uhr 


Fall­de­fi­ni­tion 2019-nCoV 

Ver­dachts­fall:
Per­so­nen mit aku­ten Sym­pto­men einer respi­ra­to­ri­schen Infek­tion (zumin­dest eines der fol­gen­den: Hus­ten, Hals­schmer­zen, Kurz­at­mig­keit)
UND in den 14 Tagen vor Auf­tre­ten der Sym­ptome:
• Enger Kon­takt mit einem bestä­tig­ten oder wahr­schein­li­chen 2019-nCoV-Fall
ODER
• Auf­ent­halt in einer Region in der von anhal­ten­der Über­tra­gung von 2019-nCoV aus­ge­gan­gen wer­den muss (China,
alle Pro­vin­zen; Stand 31.1.2020)
ODER
• Aufenthalt/​Arbeit in einer Gesund­heits­ein­rich­tung wo Pati­en­ten mit einer 2019-nCoV-Infek­tion behan­delt werden/​wurden
Enger Kon­takt wird defi­niert als:
• Auf­ent­halt am sel­ben Ort (Klas­sen­zim­mer, Arbeits­platz, Wohnung/​Haushalt, Kran­ken­haus oder andere Gesund­heits­ein­rich­tung, andere Wohn-Ein­rich­tung, Kaserne oder Feri­en­la­ger – unab­hän­gig von der Auf­ent­halts­dauer)
• Ver­sor­gung bzw. Pflege als medi­zi­ni­sches Per­so­nal oder Fami­li­en­mit­glied eines wahr­schein­li­chen bzw. bestä­tig­ten Fal­les

Wahr­schein­li­cher Fall:
Per­son, bei der kein Nach­weis von 2019-nCoV durch ein geeig­ne­tes labor­dia­gnos­ti­sches Ver­fah­ren durch­ge­führt wurde, aber
• mit erfüll­tem kli­ni­schen Bild (akute Sym­pto­ma­tik einer respi­ra­to­ri­schen Infek­tion)
UND
• Engem Kon­takt mit einem bestä­tig­ten Fall 

Bestä­tig­ter Fall: Per­son mit labor­dia­gnos­ti­schem Nach­weis
von 2019-nCoV

Regio­nen, in denen von anhal­ten­der Über­tra­gung von 2019-nCoV aus­ge­gan­gen wer­den muss: China, alle Pro­vin­zen (Stand 31.1.2020)

Aktua­li­sie­run­gen sind lau­fend auf der Home­page des Bun­des­mi­nis­te­ri­ums für Sozia­les, Gesund­heit, Pflege und Kon­su­men­ten­schutz unter Opens external link in new windowwww.sozialministerium.at/coronavirus abrufbar. 


3 Fra­gen an Ste­phan Aberle


Wieso sich neue Viren wie das neue Coro­na­vi­rus gerade in China ver­mehrt ver­brei­ten und ob es Anhalts­punkte gibt, dass sich das Virus ver­än­dert, erklärte Univ. Prof. Ste­phan Aberle vom Zen­trum für Viro­lo­gie der Med­Uni Wien im Gespräch mit
der ÖÄZ.

Wie kommt es, dass sich Viren wie das neu­ar­tige Coro­na­vi­rus oder auch SARS gerade in China so ver­mehrt ver­brei­ten?
Ein wich­ti­ger Fak­tor ist, dass diese Viren in China und ursprüng­lich wirk­lich in Fle­der­mäu­sen vor­kom­men und über andere Tiere dann auf den Men­schen über­sprin­gen dürf­ten. Prin­zi­pi­ell ist das welt­weit mög­lich, aber in China haben wir eine beson­dere Situa­tion, da es dort Märkte gibt, wo viele ver­schie­dene Tiere – auch Fle­der­mäuse – in leben­di­gem Zustand gemein­sam gehal­ten, ver­kauft und geschlach­tet wer­den. Dadurch kom­men Men­schen ein­fach häu­fi­ger mit neuen Viren in Kon­takt, sodass ein Über­sprin­gen, ein Spill-over, von einem tie­ri­schen Reser­voir auf den Men­schen leich­ter mög­lich ist. Durch kleine Muta­tio­nen kann sich das Virus dann auch von Mensch zu Mensch über­tra­gen und wei­ter aus­brei­ten. Es wird wahr­schein­lich immer ein­mal wie­der dazu kom­men, dass es ein­zelne Ket­ten von Über­tra­gun­gen gibt, die dann wie­der ver­schwin­den, ver­mut­lich sel­te­ner in dem Aus­maß wie bei SARS oder dem neuen, SARS-ähn­li­chen Coronavirus.

Inwie­fern unter­schei­det sich das neu­ar­tige Coro­na­vi­rus von der klas­si­schen Influ­enza?
Das Pro­blem ist, dass wir noch nicht ein­deu­tig sehen, wie sich das neu­ar­tige Coro­na­vi­rus ent­wi­ckelt. Am Anfang war es von der Schwere her ähn­lich wie SARS, aber es gibt auch wesent­lich leich­tere und asym­pto­ma­ti­sche Fälle. Die Influ­enza brei­tet sich jähr­lich pan­de­misch aus, wäh­rend die­ses neue Coro­na­vi­rus noch ein­ge­dämmt auf einen klei­nen Raum, die Pro­vinz Hubei, ist – natür­lich gibt es in ande­ren Städ­ten Chi­nas auch ein­zelne Ket­ten von Über­tra­gun­gen, aber bis­her noch keine Aus­brü­che. Auch außer­halb von China gibt es Importe und klei­nere Fol­ge­fälle, aber noch keine Hin­ter­grund­ak­ti­vi­tät. Von der Schwere her – also vom Ver­hält­nis der Inten­siv­pflich­ti­gen und der Ster­be­fälle zur Anzahl der Infi­zier­ten – sieht es der­zeit noch so aus, dass das neue Coro­na­vi­rus mit einem schwe­re­ren Krank­heits­ver­lauf asso­zi­iert ist als die Influ­enza. Da die Influ­enza aber welt­weit mehr Men­schen befällt, ist sie, ins­ge­samt betrach­tet, gefährlicher.

Gibt es bis dato Anhalts­punkte, dass sich das Coro­na­vi­rus ver­än­dert?
Der­zeit gibt es kei­nen Hin­weis, dass sich das neue Coro­na­vi­rus ver­än­dert hat. Über­all, wo wir getes­tet und das gesamte Genom ana­ly­siert haben, sind die Sequen­zen nahezu ident. Natür­lich besteht immer die Mög­lich­keit, dass sich das Virus noch anpas­sen bezie­hungs­weise ver­bes­sern kann. Wenn es Ket­ten von Mensch-zu-Mensch-Über­tra­gun­gen gibt, kön­nen Muta­tio­nen auf­tre­ten, die das Virus noch bes­ser über­trag­bar machen, sodass diese Viren selek­tio­niert wer­den. Dafür gibt es im aktu­el­len Fall aber der­zeit kei­nen Hinweis. 


3 Fra­gen an Franz Allerberger 

Ab wann die Alarm­glo­cken wegen eines neuen, poten­ti­ell gefähr­li­chen Virus läu­ten und wel­che Maß­nah­men in einem sol­chen Fall gesetzt wer­den – dazu befragte die ÖÄZ Univ.Prof. Franz Aller­ber­ger vom Geschäfts­feld Öffent­li­che Gesund­heit der AGES (Agen­tur für Gesund­heit und Ernährungssicherheit).

Vom Zeit­punkt der ers­ten Infek­tion bis zur sprung­haf­ten Aus­brei­tung eines Erre­gers wie dem Coro­na­vi­rus ver­ge­hen oft einige Wochen. Ab wann gehen die „Alarm­glo­cken“ an, dass man es mit einem neu­ar­ti­gen, poten­ti­ell gefähr­li­chen Virus zu tun hat und wel­che Maß­nah­men wer­den gesetzt? 

Die Alarm­glo­cken gehen an, wenn man den Aus­bruch als sol­ches oder das Auf­tre­ten eines neuen Erre­gers erkennt. Wir haben ja vor 30/​40 Jah­ren gese­hen, wie schlecht wir damals vor­be­rei­tet waren, ob das jetzt das erst­ma­lige Auf­tre­ten der Legio­nel­lose, von HIV oder der Bovi­nen spon­gi­for­men Enze­pha­lo­pa­thie betraf, bei denen es sich um neue Erre­ger gehan­delt hat, die rela­tiv spät erkannt wur­den. Heut­zu­tage sind wir in der Über­wa­chung bes­ser gerüs­tet. Ende Dezem­ber haben die Chi­ne­sen mit­ge­teilt, dass sich Krank­heits­fälle häu­fen und nicht ein­mal einen Monat spä­ter ken­nen wir nicht nur die Sequen­zen des Erre­gers für dia­gnos­ti­sche Tests, son­dern er wurde bereits iden­ti­fi­ziert und ange­züch­tet. Aber am Ende des Tages hängt es bei Aus­brü­chen immer davon ab, wie gut man im öffent­li­chen Gesund­heits­sys­tem auf­ge­stellt ist und ich glaube, dass die Über­wa­chung – ob das jetzt lebens­mit­tel­be­dingte Krank­heits­aus­brü­che oder Lun­gen­ent­zün­dun­gen durch virale Erre­ger sind – heute viel wei­ter aus­ge­reift ist als noch vor einem Jahrzehnt.

Wie läuft die Koor­di­na­tion der Maß­nah­men bei einem Aus­bruch ab?

Wir haben auch hier einen Quan­ten­sprung gemacht. Die Inter­na­tio­nal Health Regu­la­tion der WHO deckt seit dem Jahr 2005 alle Ereig­nisse ab, die von inter­na­tio­na­ler Rele­vanz sind. Mit dem Euro­päi­schen Zen­trum für die Prä­ven­tion und die Kon­trolle von Krank­hei­ten haben wir ein Early War­ning and Report­ing Sys­tem, wo die Mit­glied­staa­ten unter­ein­an­der Infor­ma­tio­nen aus­tau­schen und ein ein­heit­li­ches, gemein­sa­mes Vor­ge­hen sichern. Durch die Publi­ka­tion des Dia­gnos­tik­pro­to­kolls von der WHO kann sich jedes Labor die Test­se­quen­zen des Erre­gers her­un­ter­la­den. Aber ein Aus­bruch ist grund­sätz­lich immer ein Weck­ruf, der aus mei­ner Sicht posi­tiv zu bewer­ten ist. Wir haben ja noch immer viele Infek­ti­ons­krank­hei­ten, bei denen wir gar keine Dia­gnos­tik eta­bliert haben. Erst nach Aus­brü­chen im Aus­land haben wir zum Bei­spiel das West-Nil-Virus 2011 unter­sucht und erst rück­bli­ckend fest­ge­stellt, dass wir in Öster­reich bereits 2009 zwei im Inland erwor­bene Fälle mit Enze­pha­li­tis duch West-Nil-Virus hatten.

Im Ver­gleich zu frü­her sind immer mehr Men­schen natio­nal und inter­na­tio­nal unter­wegs. Wel­che Her­aus­for­de­run­gen erge­ben sich dadurch im Hin­blick auf die Kon­trolle von Ausbrüchen?

Es ist über­haupt keine Frage, dass diese Geschwin­dig­keit, mit der Infek­tio­nen heute auf andere Kon­ti­nente über­tra­gen wer­den, atem­be­rau­bend ist. Und auch die Anzahl der Rei­sen­den ist ja erstaun­lich hoch. So kann ein Erre­ger, der eigent­lich nur in Afrika im Dschun­gel vor­kommt, theo­re­tisch auch bei uns in Europa jeden Tag auf­tre­ten. Gleich­zei­tig bin ich immer wie­der erstaunt, wie wenig Leute sich abschre­cken las­sen, in Gebiete mit einem erhöh­ten Risiko für bestimmte Infek­tio­nen zu rei­sen. Ein wei­te­res Bei­spiel ist der Zika-Virus: Das Risiko, zu erkran­ken, war 2014 in der Rea­li­tät so gering, dass sich viele Frauen im gebär­fä­hi­gen Alter von einer Reise nach Bra­si­lien nicht abschre­cken lie­ßen. Grund­sätz­lich sollte man aber schon über­le­gen, ob eine Reise zu sol­chen Zeit­punk­ten wirk­lich klug ist, wenn momen­tan ein erhöh­tes Risiko besteht. Tritt man den­noch eine Reise an, sind die übli­chen Hygie­ne­re­geln das Um und Auf. 


© Öster­rei­chi­sche Ärz­te­zei­tung Nr. 3 /​10.02.2020