Regierungsprogramm 2020 – 2024: Der türkis-grüne Plan

25.01.2020 | Politik


Auf insgesamt sieben Seiten im mehr als 300 Seiten umfassenden Regierungsprogramm präsentiert die türkis-grüne Koalition die geplanten Vorhaben im Gesundheitsbereich für den Zeitraum 2020 bis 2024.
Agnes M. Mühlgassner

Hier heißt es gleich in der Einleitung: „Um auch in Zukunft einen niederschwelligen Zugang zur bestmöglichen medizinischen Versorgung mit möglichst kurzen Wartezeiten zu gewährleisten, bedarf es vor allem eines Ausbaus der flächen deckenden wohnortnahen Versorgung und eines besonderen Fokus auf das Thema Prävention. Auch soll die Abstimmung der medizinischen Versorgung zwischen Bund, Ländern und Sozialversicherung verbessert werden und damit „eine Stärkung der Bundeszielsteuerung“.

Bei der Weiterentwicklung des Gesundheitssystems folgt unmittelbar auf die „bedarfsorientierte Ausbildung von Ärztinnen und Ärzten“ die Aufwertung von Diplomierten Gesundheits- und Pflegefachkräften sowie deren optimierte Zusammenarbeit in neuen Versorgungsformen. Hier werden der Ausbau von Primärversorgungs-
einheiten genannt. Einschreibmodelle mit Anreizsystemen „sind für alle Patientinnen und Patienten zu etablieren“. Ein besonderer Fokus soll auf Kindergesundheit gelegt werden.

Die wohnortnahe Versorgung durch Kassenärzte und Kinderärzte darf nicht nur in der Stadt, sondern muss auch auf dem Land zugänglich sein. Um die Niederlassung im ländlichen Raum zu erweitern, sollen Vertragsarztmodelle erweitert werden; ebenso müsse eine gezielte Offensive für Fachärztinnen und Fachärzte umgesetzt werden. Wörtlich heißt es: „Wir wollen mit gezielten Maßnahmen sicherstellen, dass in den nächsten Jahren ausreichend und vor allem qualifiziertes Personal zur Verfügung steht“. Mit Maßnahmen wie Landarzt-Stipendien oder mit der Schaffung des Facharztes für Allgemein medizin wolle man speziell in ärztlich unterversorgten Regionen Anreize setzen.

Die Verbesserung der Frauengesundheit wird als „besonderes Anliegen“ der Bundesregierung bezeichnet.
Im Zuge dessen sollen der Aktionsplan Frauengesundheit forciert umgesetzt sowie jährlich ein Frauen-
gesundheitsbericht erstellt werden. „Von besonderer Bedeutung“ sei in diesem Zusammenhang die Weiterentwicklung und Anwendung von Gender-Medizin.

Des Weiteren heißt es, dass die medizinische Ausbildung attraktiver gestaltet und ergänzt wird durch eine Stipendienvergabe mit der befristeten Verpflichtung, in Österreich tätig zu sein. Die Attraktivierung der
Allgemeinmedizin soll durch die Aufwertung zum Facharzt erfolgen. Ebenso werden Anreize geschaffen, um die Abwanderung von Fachkräften ins Ausland zu verhindern.

Beim Thema Gesundheitsförderung gibt es ein Bekenntnis zur Stärkung der präventiven Maßnahmen mit einer österreichweiten Präventionsstrategie. Für die Teilnahme an Präventionsprogrammen soll es finanzielle und sachliche Anreize geben; ebenso soll auch die Prävention in Schulen und Betrieben gestärkt werden. Ziel dieser Maßnahmen ist es, den Österreicherinnen und Österreichern mehr gesunde Jahre zu ermöglichen.

Last but not least wird die Digitalisierung thematisiert. Die Fortschritte der Digitalisierung sollen einen einfacheren und verbesserten Zugang zu medizinischen Leistungen ermöglichen. Durch die Weiterentwicklung der E-Card als „Schlüssel für papierlose Prozesse“ soll eine deutliche Vereinfachung im Gesundheitswesen bringen. Die Digitalisierung soll darüber hinaus bei der Diagnose, der Behandlung und der (medizinischen) Forschung vorangetrieben und so der Gesundheitsstandort Österreich gestärkt werden. Dadurch bleibe den Menschen in Gesundheitsberufen „mehr Zeit für Kontakte zu Patientinnen und Patienten“, wie es im Regierungsprogramm heißt.

Mit einem Satz ist alles zum Thema „Sozialversicherung“ gesagt: „Die Bundesregierung bekennt sich zum Prinzip der Selbstverwaltung im Bereich der Sozialversicherung“.


Das Regierungsprogramm – kompakt

  • Aufwertung der Bundes-Zielsteuerungskommission
  • Telefonische Erstberatung 1450 aufwerten
  • Telemedizinische Behandlung bestmöglich umsetzen
  • Weiterentwicklung der E-Card: E-Impfpass, E-Rezept, E-Befund, E-Transportschein, E-Medikation
  • Ausnahmslose Nutzung von anonymisierten Daten zu wissenschaftlichen Zwecken
  • Ausbau der Primärversorgung: Etablierung von allgemeinmedizinischen Akutordinationen – vor oder in den Spitälern zur vorgelagerten Versorgung)
  • Abschaffung der unechten USt-Befreiung bei Vermietung an Ärzte
  • Stärkung der integrierten Versorgung bei chronischen Erkrankungen (Ausbau von Disease Management-Programmen
  • Wohnortnahe Versorgung durch niedergelassene Kassenärzte
  • Facharzt für Allgemeinmedizin – Attraktivierung der Allgemeinmediziner-Ausbildung (KPJ finanzieren)
  • Erweiterung der Vertragsarztmodelle
  • Spezielle Stipendienplätze gekoppelt mit befristeter Verpflichtung, in Österreich tätig zu sein – u.a. Landarzt-Stipendium
  • Facharztoffensive für Fächer mit Unterversorgung: Pädiatrie, Ophthalmologie, Kinder- und Jugendpsychiatrie
  • Stärkung und Aufwertung der nicht-ärztlichen Gesundheitsberufe
  • Evaluierung der Zugangsbestimmungen zum Medizinstudium in Richtung Qualität, Inhalt und Umfang
  • Ärzteausbildung NEU mit Fokus Allgemeinmedizin
  • Kontinuierliche Ausweitung des bestehenden Angebots an Plätzen für das Medizinstudium und die anschließende Ärzteausbildung
  • Sicherstellung der ärztlichen Versorgung in Alten- und Pflegeeinrichtungen incl. Flexibilisierung der Vertrags- und Versorgungsformen
  • Wissenschaftliche Prüfung von Optionenmodellen (z.B. für Hausärzte-Einschreibemodell, Einhaltung von Behandlungspfaden und dgl.)
  • Schaffung von Rahmenbedingungen, die die ärztliche Versorgung im Spitalsbereich sicherstellen (Arbeitszeitregelungen im KA-AZG etc; §4 Abs 4b – befristete Verlängerung Opt out)
  • Bekenntnis zum System der öffentlichen Apotheken zur Medikamentenversorgung für die gesamte Bevölkerung unter Beibehaltung wohnortnaher und praxisorientierter Lösungen
  • Weiterentwicklung einer abgestimmten Versorgung im niedergelassenen, ambulanten, tagesklinischen und stationären Bereich
  • Transparenz und Qualität ausbauen – unabhängige Qualitätssicherung für den niedergelassenen und stationären Bereich sicherstellen
  • Keine Ausweitung von Selbstbehalten für Arztbesuche im ASVG
  • Aufwertung und Kompetenzerweiterung von Schulärzten inclusive Verwertung anonymisierter Daten
  • Aufwertung und Aufbau eines Systems von School und Community Nurses zur niederschwelligen und bedarfsorientierten Versorgung
  • MUKIPA-Weiterentwicklung zum Eltern-Kind-Pass bis zum 18. Lebensjahr
  • Evidenzbasierte Modernisierung der Vorsorge-Untersuchungen (z.B. Mammascreening, Darmkrebsvorsorge)
  • Forcieren von Impfungen besonders für Mitarbeiter im Sozial-, Gesundheits- und Bildungsbereich
  • Forcierung der vorgesehenen Maßnahmen im Nationalen Aktionsplan Frauengesundheit
  • Erstellung eines jährlichen Frauengesundheits-Berichts
  • Gezielte Maßnahmen zur Förderung der Karriere-Chancen von Frauen im Gesundheitsbereich und den gesetzlichen Interessensvertretungen mit der Ziel der Parität in den Leitungsfunktionen
  • Forcierung der Gender-Medizin

    © Österreichische Ärztezeitung Nr. 1-2 / 25.1.2020