Arzt-Patienten-Kommunikation: Wie Empathie gelingt

10.05.2020 | Politik

Sich im Arzt-Patienten-Gespräch uneingeschränkt auf die Bedürfnisse des Patienten einlassen und die eigene Befindlichkeit hintanstellen: Darauf kommt es beim Patientenkontakt an. Doch: Wie kann man emphatisches Verhalten zeigen und auf diesem Weg Zugang zum Patienten gewinnen?
Nora Schmitt-Sausen

Der Stress im Alltag der Ordination oder des Krankenhauses, der Ärger über ein kurz zuvor geführtes Gespräch mit Kollegen, die Müdigkeit von der Doppelschicht – all das gilt es abzuschütteln, bevor der Arzt einem Patienten zum Gespräch gegenübertritt. „Für einen zeitlich beschränkten Moment müssen eigene Wünsche und Bewertungen zurückgestellt werden“, formuliert es Kommunikationstrainer Prof. Wolfgang Kölfen von den Städtischen Kliniken Mönchengladbach.

Zunächst tritt dabei die reine Übermittlung von medizinischen Informationen in den Hintergrund. Die Sachebene, auf der sich viele Ärzte im Austausch mit ihren Patienten nahezu ausschließlich bewegen, führt in Arzt-Patienten-Gesprächen häufig in eine Sackgasse. Denn viele Patienten sind für ausschließlich medizinische Informationen schlicht nicht empfänglich. „Der Arzt sollte bereit sein, sich auf die Beziehungsebene zum Patienten zu begeben“, rät Kölfen. Nur so könne es gelingen, eine Bindung zum Patienten aufzubauen – und die Voraussetzungen zu schaffen, mit dem Patienten erfolgreich zu kommunizieren. Für den Aufbau einer stabilen Arzt-Patienten-Beziehung gibt es laut Kölfen verschiedene Methoden: Empathie erzeugen: Ärzte müssen die Gefühle, Sorgen und Bedürfnisse des Patienten anerkennen. Dies gelingt, indem sie im Gespr.ch auf sie eingehen mit beispielsweise folgendem Einstieg: „Wir sind ja heute hier, weil bei Ihnen seit einiger Zeit Beschwerden vorliegen. Ich bin der Stationsarzt und ich werde mich nun um Sie kümmern. Es tut mir leid, dass Sie einen Augenblick warten mussten, aber jetzt bin ich für Sie da und würde Ihnen gerne unseren weiteren Fahrplan vorstellen.“ Danach sollten Ärzte kurz innehalten und den Patienten zu Wort kommen lassen.

Aktiv zuhören: Denn: Ärzte sollten im Gespräch – gerade am Anfang – mehr zuhören als selbst reden. Dies vermittelt dem Patienten zum einen das Gefühl, dass sich der Arzt seiner Sache annimmt. Und es „vermeidet die Verzerrung der Wahrnehmung“, weiß Kölfen. Denn: Das aktive Zuhören beugt Missverständnissen in der Kommunikation vor. Es verhindert, dass relevante Informationen verloren gehen oder gar nicht erst zur Sprache kommen. Aktives Zuhören bedeutet, dass sich der Arzt die Zeit nimmt, die Sichtweise des Gesprächspartners wirklich zu erfassen – und konkret einzuhaken. Schon einfache Fragen wie: „Warum sind Sie gekommen?“, „Was genau ist das Problem?“ können dabei helfen. Gegenfragen stellen: Eine weitere zentrale Technik für das Vermeiden von kommunikativen Fehlern und Missstimmungen ist es, empathische Gegenfragen zu stellen wie etwa „Wovor genau haben Sie Angst?“ oder „Was bedrückt Sie jetzt noch?“. Damit wird das respektvolle Verstehen des Gegenübers signalisiert. Ich-Botschaften formulieren: Ärzte sollten im Gespr.ch Ich-Botschaften formulieren. Beispiele dafür: „Meine Meinung ist….“, „Aus meiner Sicht…“, „Ich denke….“. Kölfen weiß aus Erfahrung: Achtet ein Arzt auf eine bewusste Körpersprache, tritt empathisch auf und hört seinem Patienten aktiv zu, fasst der Patient Vertrauen – und die in der Ich-Botschaft formulierten Aussagen treffen auf offene Ohren. Der Patient folgt dem, was der Arzt sagt.

Was tun, wenn …?
… wichtige Sachinformationen beim Patienten nicht ankommen? Hat ein Arzt im Arzt-Patienten-Gespräch den Eindruck, dass das Gesagte – Informationen zur Krankheit, Hinweise zur Medikamenteneinnahme etc. – nicht beim Patienten ankommt, rät Kölfen dazu, „unbedingt mindestens zwei bis drei Schritte zurückzugehen“ und sich nicht weiter auf der Sachebene zu bewegen.

Ein konkretes Beispiel: Ein Arzt stellt die Diagnose Diabetes mellitus. Doch er merkt, dass der Patient nicht versteht, was er ihm erklärt, da er Fragen stellt, die nicht passend sind. „Dann muss ich als Arzt auch einmal sagen können: „Ich habe das Gefühl, dass ich mich nicht klar und für Sie verständlich ausgedrückt habe. Gibt es im Moment irgendetwas, was Sie bedrückt oder Sie hindert, mir gut zuzuhören?“, sagt Kölfen.

 

 

 

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 9 / 10.05.2020