Zystische Fibrose: Modulatoren bessern Therapie

25.09.2020 | Medizin


Mehr als 2.000 Mutationen, die die Funktion der CFTR-Modulatoren und damit den Chloridionen-Transport bei Mukoviszidose stören, sind heute bekannt. Der heterogene Verlauf der Erkrankung erfordert eine disziplinierte, zeitintensive Therapie. Neue, am Basisdefekt ansetzende Medikamente sollen die Krankheitslast nun nachhaltig reduzieren.
Laura Scherber

Die autosomal-rezessiv vererbte Erkrankung zystische Fibrose gilt als die häufigste relevante Erbkrankheit der Kaukasier – auch wenn sie im Grunde genommen selten vorkommt. In Österreich werden pro Jahr etwa 25 Kinder damit geboren und gut jeder 30. ist Mutationsträger; die Inzidenz liegt bei etwa 1:3.500. Mittlerweile sind mehr als 2.000 Mutationen bekannt, die die Funktion des Cystic Fibrosis Transmembrane Conductance Regulator (CFTR) und damit den Chloridionen-Transport stören können. Die daraus resultierenden zähen Sekrete führen zu mechanischen und infektiologischen Komplikationen und schließlich zur Zerstörung des Gewebes (vor allem in Lunge und Pankreas). „Es gibt nicht die eine zystische Fibrose, sondern ein weites Spektrum von Erkrankungen und Schweregraden mit mannigfaltigen Komplikationen, aber auch Therapiemöglichkeiten“, erklärt Univ. Prof. Ernst Eber von der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendheilkunde in Graz. Hinzu kommen umweltbezogene Faktoren wie Infektionen, Rauchverhalten oder dem Ausgesetztsein von Passivrauch oder anderen Pathogenen.

Betroffen ist vor allem der Respirationstrakt. Da es sich aber um eine Multiorganerkrankung handelt, kann eine Reihe von anderen Organen beeinträchtigt sein, vor allem der Gastrointestinaltrakt, aber auch der Reproduktionstrakt. Ein Großteil der Betroffenen ist infertil. „Wie schwer ein Patient betroffen ist, lässt sich immer nur für den individuellen Fall für den aktuellen Zeitraum feststellen“, weiß Eber. Obwohl es je nach Mutation bestimmte Indizien gäbe, seien Verlaufsprognosen nur eingeschränkt abzuschätzen. Die Lebenserwartung ist deutlich angestiegen und nimmt abhängig vom medizinischen System wie in Österreich auch weiter zu. „Die derzeit prognostizierte Lebenserwartung beträgt ungefähr 55 Jahre“, berichtet Priv. Doz. Angela Zacharasiewicz von der Abteilung für Kinder- und Jugendheilkunde der Klinik Ottakring in Wien. Vor zehn Jahren waren es noch 40 Jahre gewesen. Trotz des Neugeborenenscreenings kann es selten dennoch vorkommen, dass die zystische Fibrose nicht wenige Wochen nach der Geburt diagnostiziert wird. Daher ist es laut der Expertin wichtig, entsprechende Warnhinweise richtig zu deuten. Dazu gehören Gedeihstörungen, chronische Infektionen der Lunge oder der oberen Atemwege, chronische gastrointestinale Probleme, Fettstühle, Vitaminmangel-Erscheinungen, rezidivierende Bauchschmerzen bei Säuglingen oder ein Mekoniumileus unmittelbar nach der Geburt. Ein hoher Chlorid gehalt im Schweißtest gibt Aufschluss über das Vorliegen einer zystischen Fibrose.

Zeitintensive Therapie erfordert Disziplin

Aufgrund ihres heterogenen Verlaufs benötigen Patienten mit zystischer Fibrose eine interdisziplinäre Therapie in einem darauf spezialisierten Zentrum. Da es noch keine kausale Therapie gibt, die am Gendefekt ansetzt, ist die Behandlung vorwiegend symptomatischer Natur. Ernährung, Antibiotika und Atemphysiotherapie sind Eber zufolge die drei Hauptpfeiler bei der Therapie der zystischen Fibrose, die über Jahrzehnte dazu beigetragen haben, dass die Lebenserwartung und auch die Lebensqualität verbessert werden konnten. Rund 90 Prozent der Betroffenen weisen eine exokrine Pankreasinsuffizienz auf, sodass die Verdauung von Kohlenhydraten und Fetten sowie in weiterer Folge die Resorption der fettlöslichen Vitamine stark beeinträchtigt ist. Die hochkalorische Ernährung dient dem Ausgleich dieser Defizite. „Wichtig sind die Pankreasenzym-Ersatztherapie sowie Vitamin- und Spurenelement-Substitution, weil die Patienten einerseits eine verringerte Verdauungsleistung und auf der anderen Seite wegen der chronischen Erkrankung einen deutlich gesteigerten Kalorienbedarf haben“, erklärt der Experte. Ohne diese adäquaten therapeutischen Möglichkeiten sei die Mangelernährung bei Patienten mit zystischer Fibrose deutlich sichtbar gewesen. Da mit zunehmendem Alter und fortschreitender Erkrankung vermehrt Komplikationen hinzukommen, werden weitere therapeutische Schritte erforderlich. Neben Folgeerscheinungen wie Leberzirrhose oder Splenomegalie entwickelt sich durch die zunehmende Vernarbung des Pankreas häufig auch eine Störung des endokrinen Anteils und damit ein mit der zystischen Fibrose assoziierter Diabetes mellitus. Je älter die Betroffenen werden, umso wahrscheinlicher ist diese Entwicklung und damit auch die Indikation für eine Insulintherapie.

Antibiose frühzeitig und hochdosiert

Im Rahmen der sogenannten Bronchialtoilette inhalieren die Patienten üblicherweise dreimal am Tag eine mit Medikamenten zugesetzte Flüssigkeit, die bronchienerweiternd wirkt und das zähe Sekret flüssiger macht. Bei Keimbesiedlung wird im Anschluss noch eine antibiotische Inhalation durchgeführt. „Grundsätzlich muss frühzeitig und hochdosiert behandelt werden, weil bei oraler Antibiose die Resorption bei der Erkrankung im Darm vermindert ist“, führt Zacharasiewicz aus. Die Atemphysiotherapie dient unter anderem dazu, altersentsprechende Methoden zu vermitteln, den Schleim aus der Lunge abzuhusten. Auch das muss möglichst oft am Tag passieren, da anderenfalls der Schleim mit Bakterien besiedelt wird, die eine Immunreaktion auslösen, durch die in weiterer Folge das Lungengewebe zerstört wird. Bewegung und Sport sind ein weiterer wichtiger Bestandteil bei der Therapie, da die Reinigungsfunktion der Lungenzilien gefördert wird. „Der Burden of Disease ist gewaltig. Neben Inhalation, Physiotherapie und Sport wollen und sollen die Kinder ja auch noch in die Schule gehen, Freunde treffen und so weiter“, fügt die Expertin hinzu. Je älter die Patienten werden, umso multimorbider werden sie.

Neben den symptomatischen Therapiemöglichkeiten gibt es mittlerweile eine Gruppe von Medikamenten, die nahe am Basisdefekt ansetzen. „Das ist die derzeit modernste Therapie und hat bereits bei vielen Gruppen von Patienten deutliche Verbesserungen bezüglich Krankheitsverlauf, Lebensqualität und Prognose gebracht“, berichtet Eber. Dabei handelt es sich um sogenannte CFTR-Modulatoren, also um Moleküle, die fähig sind, das CFTR in seiner Funktion so zu verändern, dass es einigermaßen adäquat funktioniert.

CFTR-Korrektoren können nur in Kombination mit CFTR-Potentiatoren eingesetzt werden; letztere auch allein. Die Schwierigkeit dabei bestehe laut Eber darin, dass man nicht mit einem Medikament jeden Patienten behandeln könne, sondern je nach Mutationen beziehungsweise Mutationsklassen spezifische Moleküle finden müsse. So kam mit Ivacaftor 2012 eine wirksame Substanz auf den Markt, mit der aber nur eine kleine Zahl von Patienten – in Österreich ungefähr 1,2, Prozent – behandelt werden kann. Bei der Hauptmutation (F508del), die bei rund 50 Prozent der Patienten auf beiden Chromosomen vorliegt, ist der Vorgang etwas komplizierter: Hier muss das Protein mithilfe von CFTR-Korrektoren repariert werden, um die Molekül-Funktion anschließend mit einem CFTR-Potentiator zu verbessern. Ein entsprechendes Medikament wurde kürzlich in Österreich und Europa zugelassen; in den USA ist es seit Oktober 2019 auf dem Markt. „Was sich in den letzten wenigen Jahren in der Therapie der zystischen Fibrose verändert hat, ist revolutionär, während in den zwei bis drei Jahrzehnten zuvor vergleichsweise kleine Schritte zu stetigen Verbesserungen für die Patienten geführt haben“, resümiert Eber. Nun müsse sich zeigen, wie sich diese Therapien langfristig bewähren. Da es sich um eine chronisch progrediente Erkrankung handle, bestehe die berechtigte Hoffnung, künftig auch eine entsprechende Therapie für kleine Kinder zur Verfügung zu haben und damit bereits in frühere Krankheitsstadien eingreifen zu können.

Vielzahl von Hygienemaßnahmen notwendig

Patienten mit zystischer Fibrose müssen eine Vielzahl von Hygienemaßnahmen in ihrem Alltag berücksichtigen, um sich insbesondere vor gefährlichen Feuchtkeimen zu schützen. Die Keime, die sich in den Lungen der Patienten befinden, sind für Menschen mit einer gesunden Lunge kein Problem; für Menschen, die an zystischer Fibrose leiden hingegen schon. „Deswegen ist es extrem wichtig, dass ein Patient mit zystischer Fibrose in einer Ordination am besten der erste Patient des Tages ist und nicht mit anderen potentiell infektiösen Patienten in Kontakt kommt und keinesfalls mit einem anderen Zystische-Fibrose-Patienten“, betont Zacharasiewicz. Ansonsten bestünde die Gefahr eines Austausches von Keimen. Wichtig ist auch, dass sich Patienten von Bewässerungsanlagen fernhalten, dass sie ihr Inhalationsequipment nach jeder Anwendung vaporisieren und dass sie morgens nicht die ersten im Bad sind. „Im Siphon setzen sich über Nacht Nasskeime fest, die vor Betreten des Badezimmers weggespült werden sollten“, erklärt die Expertin. Analog dazu sollte auch der WC-Deckel heruntergeklappt sein und vor dem Öffnen die Spülung betätigt werden.

 

 

 

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 18 / 25.09.2020